Niessl: "Unterm Strich will ich eine Steuerentlastung“

Niessl: "Unterm Strich will ich eine Steuerentlastung“
Niessl: "Unterm Strich will ich eine Steuerentlastung“APA/ROLAND SCHLAGER
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Eine schlechte EU-Politik sei mitschuld am Brexit, findet der burgenländische SP-Landeshauptmann. In Österreich würde er neuen Steuern nur zustimmen, wenn die Abgabenquote insgesamt sinkt.

Die Presse: Wie geht es Ihnen mit dem Brexit?

Hans Niessl: Meine Analyse ist die: Die EU hat in manchen Bereichen eine schlechte Politik gemacht. Dass die Schengen-Außengrenze nicht so gesichert wird, wie das eigentlich vorgesehen wäre, hat sicher auch zu diesem Abstimmungsergebnis beigetragen.


Wie soll es nun weitergehen?

Die EU braucht eine Totalreform, sie muss ihre Hauptprobleme lösen. Man hat zu wenig gegen die Arbeitslosigkeit unternommen. Und es ist völlig unverständlich, warum der Portier eines großen, multinationalen Konzerns mehr Steuern zahlt als der Konzern selbst. Wenn da nichts geschieht, werden sich die Arbeitnehmer weiter abwenden – wie das in Großbritannien offensichtlich der Fall war.

Glauben Sie, dass dieses Beispiel zu weiteren Referenden in der EU führen wird?

Das wird davon abhängen, wie schnell die EU bereit ist, zu reagieren. In Brüssel sollten jetzt die Alarmglocken schrillen. Wenn die EU weiterhin so schwerfällig agiert wie bisher, schließe ich weitere Abstimmungen nicht aus.

Falls die Probleme ungelöst bleiben: Muss dann auch Österreich über einen Austritt nachdenken?

Darum geht es jetzt nicht. Wir sind Teil der EU und müssen uns in Brüssel für Reformen einsetzen.

Sie kennen die FPÖ ganz gut, im Burgenland sogar aus nächster Nähe. Glauben Sie nicht, dass die Freiheitlichen über kurz oder lang ein Referendum in Österreich fordern werden?

Wenn die Zufriedenheit mit der EU steigt, nicht. Andernfalls schließe ich das nicht zu 100 Prozent aus. Es findet sich immer eine Partei, die die Unzufriedenheit der Bevölkerung für sich zu nutzen weiß.

Würde das die FPÖ als Koalitionspartner disqualifizieren?

Diese Frage stellt sich nicht. Jetzt ist die EU gefordert.

Über die Kriterien für eine Koalition mit der FPÖ will sich die SPÖ erst im Herbst Gedanken machen und nicht schon beim Parteitag am heutigen Samstag. Halten Sie das für einen Fehler?

Nein. Wir haben im Burgenland einen Kriterienkatalog, den wir gerne in die Debatte einbringen. Aber am Samstag geht es um die Wahl des Parteivorsitzenden. Die burgenländische SPÖ unterstützt Christian Kern zu hundert Prozent.

Die Burgenländer sind nicht nur mit der EU, sondern auch mit der Bundesregierung sehr unzufrieden, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Was erwarten Sie von Kern?

Seine Aufgabe kann nur sein, eine so gute Politik zu machen, dass das Vertrauen in die Regierung und in die SPÖ wieder zurückkehrt.

Kern hat einen „New Deal“ versprochen. Wie soll der aussehen?

Es geht vor allem um Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit. Ein Wohnbauprogramm wäre auch beschäftigungsintensiv. Und wir brauchen Änderungen bei der Arbeitskräfte-Entsenderichtlinie in Europa. Ich verlange gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Vor allem in Ostösterreich steigt der Druck durch ausländische Arbeitskräfte. Während die Arbeitslosigkeit bei uns steigt, sinkt sie in Westösterreich bereits wieder. „New Deal“ kann nur bedeuten, dass der Bundeskanzler diese Probleme gemeinsam mit dem Koalitionspartner löst.

Passt eine Maschinensteuer in diesen „New Deal“?

Man kann immer darüber nachdenken, wie man Gerechtigkeit erreicht. Zum Beispiel könnte sich der Bundeskanzler in Brüssel dafür einsetzen, dass die Konzerne dort Steuern zahlen, wo sie Umsätze machen. Das wäre gerecht.

Womöglich wird Kern das sogar tun. Aber er will eben auch eine Maschinensteuer bzw. Wertschöpfungsabgabe. Wie stehen Sie dazu?

Für mich sind das Schlagworte. Genauso gut könnten wir über Ökosteuern diskutieren. Aber wenn man auf der einen Seite neue Steuern einführt, muss es auf der anderen Seite eine deutlich größere Entlastung geben, sodass die Steuer- und Abgabenquote insgesamt sinkt.

Sind Vermögenssteuern noch auf der Agenda der SPÖ?

Das Ziel einer sozialdemokratischen Partei kann nur sein, dass jene, die einen sehr großen Besitz haben, so viele Steuern zahlen, wie das im europäischen Durchschnitt der Fall ist. Und daneben wird man auch bei den Stiftungen für mehr Gerechtigkeit sorgen müssen.

Wie sieht es mit dem Erben und dem Schenken aus?

Auch über eine Erbschafts- und Schenkungssteuer sollten wir reden, allerdings mit Freibeträgen bis zu einer Million Euro. Aber noch einmal: Ich will keine Zusatzsteuern, unterm Strich muss eine Steuerentlastung herauskommen.

Die ÖVP hat Vermögenssteuern erneut zum casus belli erklärt. Glauben Sie, dass der Koalitionspartner die Steuerdebatte in der SPÖ nützen könnte, um eine Neuwahl vom Zaun zu brechen?

Schauen Sie, es haben manche in der SPÖ ein Problem damit, wenn ich die ÖVP kritisiere.

Man hat Sie „Zündler“ genannt.

Ja, ja. Die Vorgangsweise bei der Wahl des Rechnungshofpräsidenten und die jüngsten Aussagen deuten darauf hin, dass es für den Bundeskanzler schwierig werden könnte, seinen „New Deal“ umzusetzen.

Wenn man Ihnen so zuhört, möchte man fast meinen, Sie wünschen sich eine Neuwahl.

Wenn Christian Kern seinen Plan durchziehen kann; wenn das ein starker Herbst für die Regierung wird; wenn die Bevölkerung spürt, dass politisch etwas weitergeht, dann ist eine Neuwahl nicht nötig.

Aber Sie sind skeptisch.

Ich meine, dass die Zündler in der ÖVP sitzen, vor allem in Person des Herrn Klubobmann Lopatka. Aber ich nehme zur Kenntnis, dass das manche in der SPÖ anders sehen.

(Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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