Eine Barockoper auf Punkt und Komma

(c) Barbara Pálffy
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Das Teatro barocco im Stift Altenburg bringt Hasses "Piramo e Tisbe" in historischem Gewand.

„Lasst mich den Löwen auch spielen!“, fleht Zettel in Shakespeares „Sommernachtstraum“ – jenen Löwen, der zwar brüllt, aber niemanden frisst und trotzdem das blutige Ende des Liebespaares in ihrem Stück über Pyramus und Thisbe heraufbeschwört. Spätestens seit Ovids „Metamorphosen“ rührt das Schicksal der beiden – so sehr, dass Shakespeare ihre Story bereits als Parodie auf die Bühne brachte. 1786 in Wien hingegen nahm man es wieder ernst mit der Tragik: Lasst mich den Löwen auch komponieren, dachte offenbar der damals 69-jährige, längst mit allen Opernlorbeeren bekränzte Johann Adolph Hasse, als er „Piramo e Tisbe“ als intimes „Intermezzo tragico“ auf die Bühne brachte. Eine regelrechte „Sinfonia di Leone“ für den Auftritt des Raubtiers ist aber nicht die einzige Merkwürdigkeit der Partitur. Hasse peppt hier seinen langsam altväterisch werdenden barocken Stil nach aktuellem Gusto auf: Von übertriebenem Zierrat bereinigte, melodisch aparte und formal aufgelockerte Arien gehen vielfach ohne Schlussakkord in markante Accompagnato-Rezitative über.

Widerständiges Konzept

Heute packt das Stück eher musikalisch – zumindest dann, wenn ausdrucksvolle Stimmen am Werk sind. Megan Kahts setzt als Tisbe ihr vergleichsweise flammendes Material differenziert ein, während Maria Taytakova den ebenfalls für Sopran komponierten Piramo mit lyrischerer Emphase füllt. Peter Widholz gibt mit Aplomb Tisbes strengen Vater, der sich am Ende angesichts der toten Liebenden aus Schuldgefühl auch noch ersticht: Der Löwe, hier ein mehr bärenartiges Ungeheuer, bleibt der einzige Überlebende. Es ist eine Art von widerständigem Theater, das Regisseur Bernd Bienert mit seinem Teatro barocco nun schon zum fünften Mal im prunkvollen Bibliothekssaal des Stifts Altenburg verwirklicht: Der Anspruch, historische Aufführungspraxis nicht nur musikalisch (mit einem farbenreich spielenden Ensemble unter Emanuel Schmelzer-Ziringer), sondern auch szenisch zu verwirklichen, steht quer zur herrschenden Bühnenpraxis – und entwickelt im Wechselspiel von Distanz und Nähe seinen eigenen Reiz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2016)

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