Wahlanfechtung: "Vorwürfe zusammengebrochen"

Das Wahlgesetz sei sehr wohl vollziehbar, sagt Innenminister Wolfgang Sobotka. Das habe sich in vielen Bezirken gezeigt.
Das Wahlgesetz sei sehr wohl vollziehbar, sagt Innenminister Wolfgang Sobotka. Das habe sich in vielen Bezirken gezeigt.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Das Van-der-Bellen-Lager sieht sich nach den Zeugeneinvernahmen im Aufwind. Innenminister Wolfgang Sobotka fände eine Wiederholung der Präsidentenwahl "blamabel".

Wien. Für Innenminister Wolfgang Sobotka wäre es „blamabel“, wenn der Verfassungsgerichtshof entscheiden sollte, die Bundespräsidentenwahl zu wiederholen. Bezüglich der „Schlampereien“ der Wahlbehörden gebe es Verantwortung auf allen Ebenen, so Sobotka in der ORF-„Pressestunde“. Er wehrt sich aber gegen die Behauptung etlicher Bezirkswahlbehörden, die ihre ungesetzliche Vorgangsweise damit begründet haben, dass das Gesetz unvollziehbar sei. Dies sei eine Schutzbehauptung. „Es haben ja viele sehr korrekt gehandelt“, so der Innenminister. Auch Bezirkswahlbehörden mit vielen Wahlkarten hätten das geschafft, das sei eine Frage der Organisation.

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof geht in dieser Woche in eine entscheidende Phase. Ab Mittwoch (fix ist dieser Termin noch nicht) sollen die Rechtsvertreter des Teams von Alexander Van der Bellen (er wurde bei der Wahl von den Grünen unterstützt) in öffentlicher Sitzung vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) aussagen. Ebenso werden die Anwälte (Rüdiger Schender, Dieter Böhmdorfer), die im Sinn des knapp unterlegenen Kandidaten, Norbert Hofer (FPÖ), agieren, die Gründe ihrer Wahlanfechtung erläutern. Schon im Vorfeld zeigt sich das Van-der-Bellen-Lager sehr optimistisch. „Der Großteil der Vorwürfe ist in sich zusammengebrochen“, meint Anwältin Maria Windhager.

Rosen für den VfGH

Und: „80 bis 90 Prozent des Beschwerde-Vorbringens sind nicht haltbar.“ Insofern sei es auch verfehlt, wenn man nun den VfGH, dessen bisheriger Arbeit das Van-der-Bellen-Lager übrigens Rosen streut, als „Gefangenen seiner eigenen Judikatur“ hinstelle. Zur Erklärung: Bisher hatte der VfGH bei Wahlanfechtungen (allerdings wurde noch nie eine Anfechtung in diesem Ausmaß behandelt) erklärt, dass es für eine Wahlaufhebung genüge, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit „auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnte“. Eine vom VfGH festgestellte, tatsächliche Manipulation war also zuletzt nicht das Kriterium der Verfassungshüter. Dass es bei der Bundespräsidenten-Stichwahl am 22. Mai Rechtswidrigkeiten, nämlich Verstöße gegen die Wahlordnung (Formalfehler), gegeben hat, steht mittlerweile außer Zweifel.

„Wahrheitsbeweis erbracht“

Hier hakt Windhager ein: Für die Vermutung, „es hätte manipuliert werden können“, brauche es einen Anscheinsbeweis. Doch in diesem Fall sei es gar nicht nötig, auf einen solchen Anscheinsbeweis zurückzugreifen. Denn: „Wir haben ja einen echten Beweis, wir haben den Wahrheitsbeweis erbracht.“ Damit meint die Anwältin Folgendes: Von den 67 bisher öffentlich vernommenen Zeugen, vorwiegend Personen aus Bezirkswahlbehörden und Wahlbeisitzer, habe kein einziger einen Verdacht in Richtung Manipulation geäußert. Windhager: „So gesehen stimmt es nicht, dass der Verfassungsgerichtshof nun von seiner Judikatur abweichen müsste.“

Für Kopfschütteln unter den Beobachtern der bisherigen vier VfGH-Verhandlungstage sorgte etwa der Umstand, dass in etlichen Wahlbezirken die eingelangten Wahlkarten schon vor der gesetzlich vorgeschriebenen Sitzung der Wahlbehörde „vorsortiert“ worden waren. Dies sei aber laut Bundespräsidentenwahlgesetz erlaubt, so Anwalt Georg Bürstmayr, ebenfalls vom Team Van der Bellen. Allerdings wird sich der VfGH nun mit der Frage beschäftigen müssen, inwieweit die vorher von Mitarbeitern der Bezirkshauptmannschaften wegen Ungültigkeit aussortierten Wahlkarten von Wahlbeisitzern kontrolliert wurden oder hätten kontrolliert werden können.

Auch eine Auszählung der Wahlkarten-Stimmen ohne Beisitzer (die Beisitzer sind in der Regel die „Augen und Ohren“ der jeweils relevanten politischen Parteien) sei laut Nationalratswahlordnung möglich. Und ja, die Nationalratswahlordnung ist in bestimmten Fällen auch bei der BP-Wahl analog anzuwenden. Wann also darf ohne Beisitzer ausgezählt werden? Hier verweist Bürstmayr auf die Regel, wonach dies dann erlaubt sei, wenn es dafür eine Ermächtigung des Wahlleiters durch die Wahlbehörde gibt. Trotz der so überzeugt vorgebrachten Argumente will man sich im Lager der Anfechtungsgegner interessanterweise auf keinerlei Prognosen einlassen. Man wisse einfach nicht, wie der VfGH entscheiden werde. Es gebe „zu viele juristische Variablen“.

Hofer vertritt den Präsidenten

Wann nun von den 14 Höchstrichtern das letzte Wort über die Wahlanfechtung gesprochen wird, steht noch immer nicht fest. Geht es sich vor Ende der Amtszeit von Heinz Fischer (8. Juli) nicht mehr aus, so übernehmen laut der Bundesverfassung die drei Nationalratspräsidenten kollegial die Funktion des Staatsoberhaupts. Einer der drei Genannten heißt bekanntlich Norbert Hofer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.