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Was vom Feuer der Pink Floyd bleibt

(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Man hörte und spürte die Sehnsucht nach einer Zeit, in der das Gras grüner und das Licht heller war: David Gilmour, Gitarrist der 2008 emeritierten Band Pink Floyd, spielte zweimal vor jeweils ungefähr 10.000 Andächtigen im Schlosshof Schönbrunn.

„The child is grown, the dream is gone. I have become comfortably numb.“ Selten haben die letzten gesungenen Zeilen eines Popkonzerts so gut dessen Thematik, dessen Faszination, aber auch Enttäuschung ausgedrückt. Sie sind aus dem megalomanischen Konzeptalbum „The Wall“, dort zeichnet der Song „Comfortably Numb“, wie der von Kindestagen an von der Welt misshandelte Pink mit Beruhigungsmitteln sediert wird. Sie passen aber auch perfekt auf das Gesamtwerk von Pink Floyd, bringen die retrospektive Sehnsucht, die diese große Band angetrieben hat, auf den Punkt.

Es ist die Sehnsucht nach der entschwundenen Jugend, nach der wundervollen Zeit, in der das Gras grüner und das Licht heller war, wie's in „High Hopes“ heißt, der späten Pink-Floyd-Nummer, mit der David Gilmour die erste Hälfte seines Konzerts in Schönbrunn beendete: ein Rückblick auf die goldenen Tage in Cambridge.

Da hatte er schon „Wish You Were Here“ hinter sich, diese immer wieder berührende Beschwörung eines Jugendfreundes. Wir wissen: Gemeint ist Bandgründer Syd Barrett, dem auch „Shine On You Crazy Diamond“ gewidmet ist, das dann im zweiten Teil erstrahlte, gleich nach „Astronomy Domine“, der einzigen Barrett-Nummer des Abends. Wie wild sie doch war! Wie irre! Zu dieser rasenden Anrufung aller Planeten blitzte es gehörig um die runde Videowand, die bei Gilmour wie einst bei Pink Floyd im Zentrum des Geschehens steht.

Diese Gitarre kann singen

Sonst sah man, gar nicht in der Tradition von Pink Floyd, oft die werkenden Musiker auf der Scheibe, vor allem natürlich Gilmour selbst, sah seine alten Finger auf dem Griffbrett turnen, die Saiten zerren und dehnen. Gewiss, dieser Mann kann die Gitarre sehnsüchtig singen lassen wie kein anderer, und jeder Ton, den er himmelwärts zieht, hat seinen Sinn, nicht nur im Schema der Harmonien. Aber doch hatte man spätestens beim zehnten solchen Solo das Gefühl, dass man das schon zu gut kennt.

Vor allem in den zahlreichen Songs aus Gilmours aktuellem Album „Rattle That Lock“. Nein, sie sind nicht schlecht, aber allzu gelassen, abgeklärt, erwartbar. Ihnen fehlt das Feuer des Wahnsinns, dessen Glosen Pink Floyd in ihrer Blütezeit hüteten, sie starren nur mehr auf die Asche. Auf die Tage, die in „Coming Back to Life“ vor dem Fenster des Sängers verstreichen. Oder, in „A Boat Lies Waiting“, auf das Meer, in das keiner mehr sticht. Gewiss, schon „Fat Old Sun“ aus dem Jahr 1970 war bedächtig, ein träumerischer Blick auf die Wiesen Mittelenglands, aber da war doch noch ein stockendes Staunen, eine seltsame Faszination, die über die simple Beschaulichkeit hinausging.

Ob man sie in der aktuellen Liveversion noch hörte? Viel hört man bei so einem Konzert wohl, weil man's im Kopf hat, wie so viele andere. Es ist immer wieder faszinierend: Ein Münzenklimpern, ein Uhrticken, eine Radiostimme: Das reicht, um „Money“, „Time“ respektive „Wish You Were Here“ im Kopf abzurufen, mitsamt all den Reminiszenzen. So still die Gealterten auf ihren Plätzen saßen, in solchen Momenten sah man doch den einen oder die andere nachdenklich eine Hand durch die Luft schwingen, als wär's ein Gruß an einstige Tage . . .

So vergingen drei Stunden im Schlosshof von Schönbrunn, die fette alte Sonne ging indessen unter, und rosige Wolken türmten sich, bevor die Nacht und das Laserlicht siegten. In der Pause hörte man Vögel singen: Kamen ihre Stimmen aus den Lautsprechern oder aus der Natur? Wir wollten es nicht wissen. Irgendein Geheimnis muss doch bleiben, wenn man sich an Pink Floyd, die große Band der Erinnerungen, erinnert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2016)

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