Matthias Strolz: „Kern ist viel linker, als wir alle glauben“

„Österreich braucht mehr Batman“: Neos-Chef Matthias Strolz.
„Österreich braucht mehr Batman“: Neos-Chef Matthias Strolz.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Neos-Chef Matthias Strolz über die Pläne der Irmgard Griss, die Fehler der EU, eine verschlankte Zentralmatura und den Schmerz, den der neue Kanzler nie gespürt hat.

Die Presse: Haben Sie eine Ahnung, was Irmgard Griss jetzt eigentlich wirklich vorhat?

Matthias Strolz: Ich habe eine grobe Vorstellung. Sie wird wohl eine Art Bürgerinitiative präsentieren, mit der sie versuchen wird, auch die Kernanliegen für die nächste Regierung zu formulieren.


Aber es wird keine neue Partei?

Nein, das hat sie ausgeschlossen.


Und die Neos sind da eingebunden in die Bürgerinitiative?

Wir sind wöchentlich in gutem Austausch. Und wir teilen die inhaltlichen Stoßrichtungen.


Wie finden Sie Kanzler Kern?

Durchwachsen. Ich fand die Antrittsrede sehr gut. Dann waren da einige Themen vom Rechnungshof bis zur Maschinensteuer, die für mich jenseitig waren. Inhaltlich wie vom Zeitpunkt her. Und er war überhaupt sehr unsortiert in seinen Aussagen. Auch dass er Wrabetz ohne Not als seinen Kandidaten für den ORF vorstellt – das sind Züge, die ich nicht verstehe. Man kann das nur mit Überforderung erklären. Das wäre für jeden sehr viel – von null auf Kanzler.


Sorge, dass es die Neos zerreißen könnte zwischen einer moderneren SPÖ auf der einen Seite und einer ÖVP eventuell mit Sebastian Kurz auf der anderen, haben Sie nicht?

Nein. Denn Kern ist viel linker, als wir alle glauben. Er kommt zwar mit einem schicken Hugo-Boss-Anzug daher und gibt den Manager. Aber er war halt sozialistischer Funktionär in der ÖH – und dort ist er inhaltlich immer noch. Das mit der Maschinensteuer und anderen Mottenkisten-Konzepten meint er ernst. Ich habe ihn gefragt, wieso er als rasches Zeichen jetzt nicht die Arbeitszeitflexibilisierung umsetzt. Er ist hier nicht entschlossen. Und man muss auch sehen: Er hat noch nie in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen gearbeitet. Da habe ich nach zwölf Jahren Unternehmertum einen anderen Zugang. Ich weiß, was es heißt, auf dem freien Markt das Geld zu verdienen, damit die Gehälter gezahlt werden können. Diesen Schmerz hat er nie gespürt. Er simuliert den unternehmerischen Typus nur.


Auf der anderen Seite versucht die ÖVP, den Neos das Wasser abzugraben – auch mit personellen Anleihen: Der Sprecher von Irmgard Griss ist jetzt Kommunikationschef der ÖVP. Und wenn man deren Rathaus-Klub betritt, glaubt man, bei den Neos zu sein – lauter junge Leute, von der Anmutung her durchaus modern.

Wir haben eben auch die anderen Parteien bereits erneuert. Ohne uns hätte es keinen Obmannwechsel bei der ÖVP gegeben.


Ist ein Referendum über einen EU-Austritt für Sie legitim?

Eine Volksbefragung ist immer legitim. Nur darf sie nicht von Parteien missbraucht werden wie in Großbritannien. Wir müssen auch in Österreich zu einem ernsthaften Umgang kommen mit den direktdemokratischen Instrumenten. Da können wir von der Schweiz lernen: Da bekommst du vor der Abstimmung ein Dossier mit allen Positionen. In einem solchen Rahmen sind wir für mehr Bürgerbeteiligung.


Sie haben den Brexit bedauert. Aber hat nicht auch die EU etwas falsch gemacht – von der Glühbirne bis zur Flüchtlingspolitik?

Ja, natürlich. Vieles. Diese Glühbirnen-EU müssen wir abschaffen. Kümmern wir uns um die großen Themen: Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Wirtschaftspolitik. Und lassen wir die kleinen Themen in der nationalen Zuständigkeit. Ich brauche keine EU zur Normierung des Duschkopfs oder eben der Glühbirne. Ich ärgere mich seit einem Jahr über die Leuchte in meinem Badezimmer. Da hatte ich das Gefühl, da wurde von Konzernen lobbyiert und eine Regelung eingeführt, obwohl es noch nicht einmal die technischen Voraussetzungen dafür gab. Ich will stattdessen endlich 30.000 Grenzschützer an der EU-Außengrenze – und zwar übermorgen. Ich teile nicht jeden Punkt von Sebastian Kurz, aber hier stimmen wir überein. Es ist zumutbar, die Menschen kurz anzuhalten, um zu überprüfen, wer kann nach Europa und wer nicht. Es kommt auf ordentliche Zustände in solchen Camps an. Und wir müssen dann jene zurückschicken, die sich als Arbeitsmigranten unter die Flüchtlinge gemischt haben.


Soll die Briefwahl reformiert werden?

Ja. Wir müssen sie sicherer machen. Auch vom Abgabezeitpunkt her. Wir sollten aber auch über E-Voting reden. Wir werden im Herbst dazu eine Fact-Finding-Mission nach Estland organisieren.

E-Voting lädt aber noch mehr zum Missbrauch ein.

Die Sicherheit ist Voraussetzung. Wenn es die Esten können, werden wir es auch können. Wir müssen ja nicht gleich mit einer Nationalratswahl beginnen. Sondern etwa einmal mit einem Volksbegehren.


Kritik gab es zuletzt auch an der Zentralmatura.

Wir würden sie verschlanken: Eine Zentralmatura nur in Mathematik, Deutsch und Englisch. Dann aber wirklich zentral. An einem schulfremden Ort, etwa in einem Gemeindesaal. Und nicht von den eigenen Lehrern korrigiert. Eine zentrale Reifeprüfung, die dann auch eine harte Währung ist.


Sie sind vergangenen Samstag auf dem Neos-Parteitag in einem Batman-T-Shirt aufgetreten. Warum?

Österreich braucht mehr Batman. Einen Aufbruch. Wir kämpfen hier oft mit der dunklen Seite der Macht. Mit dem rot-schwarzen Machtkartell und dem blauen Krokodil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2016)


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