Mehr Mitsprache beim Sachwalter

Justizminister Wolfgang Brandstetter plant die Neuregelung des Sachwalterschaftrechts ab 2018.
Justizminister Wolfgang Brandstetter plant die Neuregelung des Sachwalterschaftrechts ab 2018.(c) APA/BARBARA GINDL
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Die Zahl der Besachwalteten soll zurückgedrängt werden, Beeinträchtigte sollen noch selbst einen Vertreter auswählen dürfen. Das sieht der Reformplan von Minister Brandstetter vor.

Wien. Jemand zahlt monatelang nicht die Miete, man sorgt sich um den Verstand der Person. Dann stellt sich heraus, dass der Mieter eigentlich nur mit den vielen Stellen der IBAN überfordert ist. Eine schon besachwalterte Frau wendet sich verzweifelt an die Volksanwaltschaft.

Der Sachwalter habe vergessen, ihr das vereinbarte Taschengeld zu geben. „Er ließ mich 13 Tage hungern“, schreibt die Frau. Eine Person kommt nach einem Unfall ins Spital. Das Krankenhaus beantragt sofort bei Gericht einen Sachwalter. Statt Verwandten obliegt es nun einem vom Gericht bestellten Fremden, über die finanziellen Geschicke des Besachwalterten zu entscheiden.

Es sind Fälle wie diese, die die Probleme des aktuellen Sachwalterrechts aufzeigen. Ein von Justizminister Wolfgang Brandstetter am Donnerstag veröffentlichter und mit der SPÖ akkordierter Gesetzesentwurf soll nun Änderungen bringen. Die wichtigsten Ziele des Entwurfs im Detail:

1 Die Zahl der Sachwalter soll stark reduziert werden.

Gab es im Jahr 2003 noch 30.000 Besachwaltete, waren es im Jahr 2015 schon doppelt so viele. Das habe nicht nur damit zu tun, dass es immer mehr Ältere gibt, meinte die bei der Präsentation des Entwurfs anwesende Volksanwältin Gertrude Brinek. Sachwalterschaften würden auch zu leicht ausgesprochen werden, rügte sie. Das neue System soll nun die Sachwalterschaft zurückdrängen.

Ein Clearing vor Bestellung eines Sachwalters durch ein Gericht wird verpflichtend. Die Justiz muss den Akt einem spezialisierten Sachwalterverein übermitteln. Dieser überprüft, ob eine Sachwalterschaft wirklich unbedingt nötig ist. Diese solle nämlich nur noch die Ultima Ratio, also das letzte Mittel sein, versprach Brandstetter. Auch an den Begrifflichkeiten wird gefeilt: Statt von Sachwaltern spricht man künftig im Gesetz von Erwachsenenvertretern.

2 Der Betroffene soll sich vermehrt aussuchen können, wer ihn vertritt.

Schon jetzt könnte man mit der Vorsorgevollmacht bestimmen, wer einen vertritt, wenn es mit der Gesundheit bergab geht. Bloß viele denken in guten Zeiten nicht an schlechte und sorgen nicht vor.
Neu eingeführt wird nun die sogenannte „gewählte Erwachsenenvertretung“. Selbst wenn die betroffene Person schon geistige Probleme aufweist, selbst wenn sie nicht mehr voll geschäftsfähig ist, soll sie sich noch aussuchen können, wer sie vertritt. Bedingung dafür ist, dass die Person noch in Grundzügen die Tragweite der Bevollmächtigung verstehen kann.

3 Es gibt mehr Rechte für Verwandte, die Angehörige vertreten.

Kann sich der Betroffene nicht selbst einen Vertreter aussuchen, sollen Angehörige einspringen. Sie erhalten mehr Rechte als bisher, sollen dafür aber einer (eingeschränkten) gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Der Vertreter muss zudem ins Zentrale Vertretungsverzeichnis eingetragen werden.

4 Vertretung muss alle drei Jahre überprüft werden.

Schon die Vertretungsbefugnis durch Verwandte soll alle drei Jahre erneuert werden. Striktere Regeln sind auch für den Fall geplant, dass ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter (also eine externe Person, etwa ein Anwalt) für den Betroffenen bestellt wird. Die Vertretung erlischt hier nach drei Jahren automatisch, wenn die Gerichte nicht erneut den Sachwalter bestellen. Und die Bereiche, in denen der gerichtliche Sachwalter jemanden vertreten darf, werden eingeschränkt.

5 Die Geschäftsfähigkeit fällt nie automatisch weg.

Die beeinträchtigte Person soll nie automatisch ihre volle Geschäftsfähigkeit verlieren, weil ein Vertreter für sie bestellt wurde. Das Gericht soll aber bei drohender Gefahr anordnen können, dass bestimmte Handlungen des Besachwalterten nur gültig sind, wenn sein Erwachsenenvertreter zustimmt. Auch das (ihnen jetzt schon eingeräumte) politische Wahlrecht sollen Besachwalterte behalten.

6 Bestehende Fälle können neu überprüft werden.

Die Novelle ging am Donnerstag in Begutachtung und soll ab 2018 gelten. Bereits besachwalterte Personen könnten dann auch eine Prüfung einfordern, ob sie im Lichte der neuen Rechtslage weiterhin einen Vertreter benötigen, erklärte Georg Kathrein, Zivilrecht-Sektionschef im Justizministerium. Ab 2024 sollen alle Altfälle auch von Amts wegen überprüft werden. Welche Mehrkosten die Novelle ausmacht, konnte Brandstetter am Donnerstag noch nicht sagen. Das Geld sei aber jedenfalls gut angelegt.

Auf einen Blick

Das Justizministerium schickte einen Entwurf in Begutachtung, der ab 2018 das Sachwalterrecht novellieren soll. Man rechnet damit, dass die Fälle einer Sachwalterbestellung um rund ein Drittel zurückgehen. Ein in Modellversuchen schon erprobtes Clearing soll abtesten, ob eine Person wirklich einen rechtlichen Vertreter benötigt oder ob es nicht doch noch Alternativen gibt. Seinen Vertreter soll man sich zudem künftig auch dann aussuchen können, wenn man geistig nicht mehr ganz fit ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2016)

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