Mitterlehners Banken-Drahtseilakt

Austrian Chancellor Kern and Vice Chancellor Mitterlehner attend a cabinet meeting in Vienna
Austrian Chancellor Kern and Vice Chancellor Mitterlehner attend a cabinet meeting in Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Der ÖVP-Obmann stand beim Kompromiss mit der SPÖ über die Millionen für die Bildung mehrfach unter Druck. Aber schon kündigt sich eine neue Kraftprobe mit den Bundesländern wegen des Geldes an.

Wien. „Das gemeinsame Arbeiten schmiedet auch zusammen.“ Es sei ein „positiver Tag“ gewesen. Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner war am Mittwoch im ORF-Radio hörbar erleichtert. Tags zuvor hatte es nach stundenlangen Verhandlungen mit der SPÖ doch mit einem Kompromiss über die Senkung der Bankenabgabe und die Aufteilung einer Einmalzahlung der Banken von einer Milliarde Euro geklappt. Die SPÖ mit Bundeskanzler Christian Kern war ebenfalls sehr zufrieden, weil ihr Ausbauplan für die Ganztagsschulen nunmehr paktiert ist.

„Wir haben nicht gestritten“, versicherte Mitterlehner. Eine Untertreibung angesichts eines De-facto-Abbruchs der Gespräche am Montag, von Kontroversen im Ministerrat und einer Unterbrechung, bis die „neue Fassung“ der Abmachung fertig war. Auf der Habenseite kann die Regierung verbuchen, dass sie vor der Sommerpause eine Sondermilliarde großteils für Bildung vorzuweisen hat. Auf der Sollseite steht, dass Details erst im Herbst mit den Bundesländern geklärt werden müssen.

• Am Rande des Abbruchs.
Am Montagabend hatte alles darauf hingedeutet, dass es mit einer Einigung nichts mehr wird. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder ließ durchblicken, dass mit einer Neuregelung der Bankenabgabe erst im Herbst zu rechnen sei. Am Dienstag ging es gegen 9.30 Uhr vor dem Ministerrat dann weiter: im kleinen Kreis mit Kern, Mitterlehner und den beiden Regierungskoordinatoren Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP). Mit dabei war eine neue Verhandlungsgrundlage mit 700 Millionen Euro aus der Einmalzahlung der Banken für die Bildung.

• ÖVP- und SPÖ-Interessen. Unbestritten ist, dass Vizekanzler Mitterlehner eine Senkung der Bankenabgabe ein besonderes Anliegen war, während Bundeskanzler Kern die zusätzlichen Millionen für die Ganztagsschule im Auge hatte. Mitterlehner hatte zum Abstecken der Verhandlungslinie die ÖVP-Landeschefs bereits am Freitag nach der Verabschiedung von Bundespräsident Heinz Fischer zusammengerufen. Das SPÖ-Präsidium beriet dem Vernehmen nach Dienstagfrüh die Linie. Ein Druckmittel Kerns war, dass die ÖVP-Bauern und Mitterlehner im Gegenzug unbedingt eine Überbrückungshilfe für die Landwirtschaft nach dem Milchpreisverfall wollten – geworden sind es 170 Millionen Euro. Für Mitterlehner war es ein Hochseilakt: Der ÖVP-Chef setzt seit Kerns Amtsantritt Mitte Mai auf Zusammenarbeit in der Koalition und hat das zuletzt öffentlich unterstrichen. Zugleich beobachtet eine Gruppe in der ÖVP, die der SPÖ unter Kern reserviert gegenübersteht, mit Argusaugen, dass es keine zu großen Zugeständnisse an die SPÖ gibt.

• Konflikt um Länderanteil und ganztägige Betreuung. Nach übereinstimmenden Schilderungen aus Regierungskreisen zeigte sich das auch im Ministerrat. Vor dem Beschluss machte Innenminister Wolfgang Sobotka, Vertreter der niederösterreichischen ÖVP, den Anteil der Länder bei der Aufteilung der Milliarde und die Frage, was ganztägige Schulformen konkret bedeuten, zum Thema. Außenminister Sebastian Kurz, der in der ÖVP nicht zuletzt von Niederösterreichs Landeschef, Erwin Pröll, als Alternative zu Mitterlehner protegiert wird, brachte die Betreuung in Kindergärten ins Spiel. Nach längerer, kontroversieller Debatte wurde die Regierungssitzung zu fraktionellen Besprechungen von SPÖ und ÖVP unterbrochen. Schließlich folgte der Beschluss des Kompromisses: „Daher sollen jedenfalls 750 Millionen Euro inklusive eines allfälligen Anteils der Länder aus der Einmalzahlung insbesondere für den Ausbau von ganztägigen Schul- und Betreuungsangeboten zur Verfügung gestellt werden.“ Die Landeshauptleute Hermann Schützenhöfer (Steiermark) und Josef Pühringer (Oberösterreich, beide ÖVP) deponierten am Mittwoch offiziell die Forderung nach einem Länderanteil an der Einmalzahlung.

• Unterschiedliche Sichtweisen. Für die SPÖ ist bloß festgelegt, dass sich Bund und Länder im Herbst bei den Verhandlungen über den Finanzausgleich über den genauen Anteil einigen müssen. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der wegen des EU-Finanzministertreffens in Brüssel nur via Handy eingebunden sein konnte, und die Länder rechnen mit einem Fixanteil gemäß dem sonstigen Aufteilungsschlüssel von Steuereinnahmen. So bekämen Länder und Gemeinden ein Drittel, 333 Millionen Euro. Vorrang für Mitterlehner und die ÖVP hatte, dass die 750 Millionen Euro nicht nur in Ganztagsschulen (mit Unterricht am Nachmittag), sondern auch in andere Betreuungsangebote fließen, worüber letztlich die Eltern entscheiden. Auch das muss Bildungsministerin Sonja Hammerschmied im Herbst mit der ÖVP klären.

>>> Der Ministerratsbeschluss vom 12. Juli im Wortlaut

AUF EINEN BLICK

Regierungsbeschluss. SPÖ und ÖVP haben im Ministerrat beschlossen, dass der Großteil der Einmalzahlung der Banken in Höhe von einer Milliarde Euro in den „Ausbau von ganztägigen Schulformen und Betreuungsangeboten“ fließt, wie es im schriftlichen Vortrag zur Regierungssitzung heißt: „Daher sollen jedenfalls 750 Millionen Euro inklusive eines allfälligen Anteils der Länder aus der Einmalzahlung insbesondere für den Ausbau von ganztägigen Schul- und Betreuungsangeboten zur Verfügung gestellt werden.“ Die SPÖ sieht damit das Geld für Ganztagsschulen gesichert, für die ÖVP sind mit der Formulierung auch Mittel für die Nachmittagsbetreuung ohne Schulunterricht fixiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2016)

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