Ein Hotspot in Transdanubien

Susanne Baumann-Söllner steht seit Ende 2012 an der Spitze des Austria Center Vienna.
Susanne Baumann-Söllner steht seit Ende 2012 an der Spitze des Austria Center Vienna. Die Presse/Clemens Fabry
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Der Wettbewerb auf dem internationalen Kongressmarkt ist groß. Um Großveranstaltungen zu gewinnen, lässt das einst umstrittene Austria Center Vienna heute nichts unversucht.

Geologen, die sich Gedanken über Meteoriten machen, und Mediziner, die weltweite Standards zur Brustkrebsvorsorge debattieren. Wissenschaftler können heute praktisch überall zum Gedankenaustausch zusammenkommen. In Berlin, Paris oder Barcelona. Doch sie tun es immer öfter in Wien.

63.000 internationale Gäste besuchten im vergangenen Jahr das Kongresszentrum Vienna International Center in Wien Kaisermühlen. Heuer sollen es bereits mehr als 90.000 sein. Das wäre ein Anstieg um immerhin 43 Prozent. Dabei gilt der Tagungsmarkt als heiß umkämpft. Weltweit buhlen dutzende Städte um die Austragung von wichtigen Großveranstaltungen. Wien ist da keine Ausnahme.

Im vergangenen Jahr belegte die Stadt Rang vier in der internationalen Kongressstatistik. Doch das Niveau zu halten ist nicht leicht. Viele Länder investieren kräftig in die Modernisierung ihrer Standorte, erzählt Susanne Baumann-Söllner, Geschäftsführerin des Austria Center Vienna. Und man weiß auch, warum.

Tagungsgäste lassen mehr Geld am Ort des Geschehens als andere Besucher. Allein in Wien ist der Unterschied beachtlich. Die Ausgaben eines Kongressteilnehmers liegen im Schnitt bei 534 Euro täglich. Im Vergleich zu einem normalen Sommertouristen ist das dreimal so viel. Mehr Gäste bedeuten in der Regel mehr Arbeitsplätze, und diese führen zu höheren Steuereinnahmen. Laut Baumann-Söllner brachte das Austria Center der öffentlichen Hand 2015 Abgaben in der Höhe von 94,3 Mio. Euro – ein Plus von 45 Prozent gegenüber dem Wert vor drei Jahren.

Seit dieser Zeit lenkt Baumann-Söllner das einst als Betonklotz in Verruf geratene Gebäude auf der anderen Seite der Donau. Die 36-Jährige wechselte damals vom Finanzministerium an die Spitze des Kongresszentrums, ihr Vorgänger verabschiedete sich in die Pension.

Bei der Austragung eines Kongresses sei für viele Veranstalter die Stadt ausschlaggebend. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist Wien“, sagt Baumann-Söllner. Im Herzen von Europa liegend, sei die Stadt binnen dreier Stunden von überall erreichbar, die Preise der Hotels im Vergleich zu anderen Ländern attraktiv. Mit der U-Bahn ist man schnell in der Innenstadt und zurück, die Anbindung an den Flughafen ist ebenso bequem. Das seien Argumente, die ziehen. Vor allem dann, wenn man internationale Gäste im Fokus hat.

Für Baumann-Söllner ein weiterer strategischer Vorteil: Ihr Haus verfügt nicht nur über 22.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, sondern bietet neben 24 Sälen auch noch 180 kleinere Räume an. „Im internationalen Kongresswesen geht der Trend in Richtung immer kleinerer Meetingformate. Professoren treffen einander in überschaubaren Gruppen und diskutieren.“ Während andere Veranstaltungshallen diese Räume erst einbauen müssten, „sind sie bei uns schon vorhanden“. Die Preisstruktur sei daher eine andere, wenn man dies schon anbieten kann. Doch neue Veranstalter nur über den Tarif zu gewinnen kommt für Baumann-Söllner nicht infrage. „Preis und Leistung müssen stimmen.“


Fair Trade statt Instantkaffee.
Vor allem an der Qualität des Angebots hat die gar nicht mehr so neue Chefin in den vergangenen Jahren gearbeitet – und das trotz eines eingeschränkten Budgets. Erst heuer bekam das Austria Center eine internationale Auszeichnung für die weltbeste IT-Infrastruktur verliehen. Man nahm unter anderem Geld für eine neue Möblierung, Cafés oder auch ein neues Lichtsystem in die Hand. Gastronom Bernd Schlacher versorgt die Kongressgäste kulinarisch, beim Kaffee setzt man nicht auf Instant, sondern auf Fair Trade.

Wer möchte, für den könne das Austria Center eine Veranstaltung sogar nach dem österreichischen Umweltzeichen als Green Meeting zertifizieren, sagt Baumann-Söllner. Es gebe E-Tankstellen in der Garage, und das Gebäude selbst sei klimaneutral.

Ein Ende des Erneuerungsprozesses ist für Baumann-Söllner noch nicht in Sicht. Als neue Zielgruppe hat sie Frauen im Visier. Der Anteil weiblicher Kongressbesucher habe sich innerhalb von 25 Jahren verdoppelt. Kostenlose Kinderbetreuung ist daher fast Pflicht. 2017 soll diese kommen. „Männern steht das Angebot freilich auch zur Verfügung.“


Große Pläne.
Einen Vorbau, der den getrennten Zugang zu jeder Etage des Hauses ermöglicht, will die Geschäftsführerin ebenfalls realisieren. Ein Teil der Finanzierung steht bereits, um den Rest will Baumann-Söllner auch noch kämpfen. Derzeit habe man nämlich nur die Möglichkeit, zwei Kongresse zur selben Zeit abzuhalten. Mit getrennten Eingängen ließen sich indes fünf Stockwerke auf einmal bespielen.

Der Eigentümer des Austria Center, das ist die Republik. Der Veranstaltungsort ist auf Zuschüsse angewiesen, so Baumann-Söllner. Das Betriebsergebnis seit Jahren negativ. Das Austria Center ist nicht nur für das Management des Kongresszentrums verantwortlich, es kümmert sich auch um die Erhaltung und Verwaltung des Vienna International Centre. Hinzu komme, so Baumann-Söllner, eine jährlich Pacht, die sich auf sechs Prozent des einst eingesetzten Kapitals beläuft. Für die Finanzierung des Konferenzzentrums wurden damals nämlich Investoren aus Abu Dhabi, Kuwait und Saudiarabien gewonnen. Sie übernahmen die Hälfte der Kosten, doch im Gegenzug sicherte man ihnen beständige Einnahmen bis zum Jahr 2034 zu.

Die Errichtung des Konferenzzentrums galt vor drei Jahrzehnten als höchst umstritten. Ein Volksbegehren im Jahr 1981 sollte den Bau verhindern, das Projekt wurde von fast einem Drittel aller Wahlberechtigten oder 1,4 Millionen Österreichern abgelehnt. SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky gab dennoch grünes Licht.

Im Jahr 1987 wurde das Gebäude schließlich eröffnet – und hat sich seither längst etabliert.

In Zahlen

145.000 Besucher sollen in diesem Jahr an Kongressen im Austria Center teilnehmen.

91.000 internationale Gäste werden 2016 erwartet. 2012 waren es noch 61.000.

10,2 Millionen Euro erreichten die Umsatzerlöse im Vorjahr aus Veranstaltungen (plus 19 Prozent gegenüber 2014).

534 Euro gibt ein Kongressgast in Österreich im Schnitt am Tag aus. Ein normaler Tourist kommt auf 125 Euro.

1987 wurde das Austria Center eröffnet. Die Besucherkapazität liegt bei rund 25.000 Personen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2016)

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