Chilis aus dem Mostviertel

Richard Fohringer in seinem Gewächshaus im Mostviertel (NÖ).
Richard Fohringer in seinem Gewächshaus im Mostviertel (NÖ).Die Presse/Clemens Fabry
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Richard Fohringer hat vor neun Jahren mit sechs Chilipflanzen begonnen. Heute kultiviert er 400 verschiedene, darunter den schärfsten Chili der Welt.

Man stelle sich vor, ein findiger Unternehmer kultiviert Hunderte verschiedene Zucchinisorten, produziert daraus diverse Saucen, Rohwürste und Schokoladen und lädt regelmäßig zu Zucchiniwettessen ein, bei denen die Teilnehmer in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Zucchini essen müssen – ohne dabei gröbere körperliche Schäden davonzutragen. Und weil die Nachfrage so groß ist, baut er seine mittlerweile gar nicht mehr so kleine Zucchinifarm aus und verlagert die Produktion in eine neue Halle, inklusive Erlebniswelt und Schauproduktion. Unmöglich, denn der Zucchini fehlt dazu ein wichtiger Inhaltsstoff: Capsaicin.

Das ist der Stoff, der für die Schärfe in diversen Chilis, Pfefferoni und Paprika verantwortlich ist. Und die Schärfe wiederum ist dafür verantwortlich, dass das eingangs erwähnte Szenario sehr wohl funktioniert, allerdings nur dann, wenn statt der Zucchini eben Chilis genommen werden. Und auch nur dann, wenn sich darunter der schärfste Chili der Welt befindet. Denn ohne den Reiz der Mutprobe, dem sich auffällig viele Männer gern hingeben, und ohne den Schmerz, den der Verzehr so manches Chilis mit sich bringt, hätte die Frucht wohl nicht so viele Fans. Ein bisschen erinnert es an eine pubertäre Mutprobe, bei der es freilich wenig um den Geschmack geht – ab einem gewissen Schärfegrad ist der ohnehin nicht mehr gegeben –, sondern vielmehr um die Präsentation der eigenen Stärke.

Genau diese Faszination des Chilis hat der niederösterreichische Ernährungswissenschaftler Richard Fohringer als Geschäftsidee für sich entdeckt. „2007 habe ich mit vier Pflanzen begonnen“, sagt Fohringer heute. Damals, am 1. Mai, hat er mit seiner jetzigen Frau und seinem Schwiegervater den Schaugarten der Arche Noah besucht. „Ich hatte damals keinen Bezug zu Pflanzen, ich stamme auch aus keiner Landwirtschaft.“ Der Schwiegervater hingegen wollte seinen kleinen Hausacker für die Selbstversorgung mit neuen Pflanzen bestücken. Und weil der Schwiegervater offenbar einen guten Tag hatte, hat er dem damals zukünftigen Schwiegersohn angeboten, ihm auch ein paar Pflanzen zu kaufen. „Also hab ich mir sechs Chilipflanzen und eine THC-freie Hanfpflanze ausgesucht.“ Ende August, Anfang September wurden die ersten Früchte geerntet. „Das Datum ist deshalb wichtig, weil wir mittlerweile mit der Kultur so weit sind, dass wir im Mai mit der ersten Ernte beginnen“, sagt Fohringer, dem man anmerkt, dass er schon so manche Führung durch seine Chilifarm gehalten hat.

Chilierlebniswelt. Weil Fohringer privat gern kocht, hat er die ersten Früchte zu einer Sauce verkocht, die in Marmeladengläser abgefüllt wurde. „Ich hatte nie vor, die zu verkaufen. Ich habe nur meiner Schwägerin, die Kellnerin ist, ein Glas mitgegeben und spaßeshalber gesagt: Gib das deiner Chefin zum Probieren.“ Am nächsten Tag hat ihn ein Feinkosthändler angerufen, um die erste Bestellung aufzugeben. Kurz darauf hat er sich im Keller der Schwiegereltern eine kleine Produktion eingerichtet.

Mittlerweile baut Fohringer im niederösterreichischen Ruprechtshofen (Bezirk Melk) rund 6000 Chilipflanzen an. 410 verschiedene Sorten kultiviert er in Folientunnel. Die Früchte verkauft er frisch oder verarbeitet sie zu Chilisaucen. 300.000 Gläser Chilisaucen produziert er pro Jahr und vertreibt sie unter der Marke Fireland Foods. Mittlerweile sind auch scharfe Rohwürste, Chilischokoladen und ein Energy Drink dazugekommen. Derzeit wird gerade eine Chilierlebniswelt in St. Pölten gebaut, inklusive Produktion und einer Grillschule. Im Herbst soll der neue Standort eröffnen, dann soll sich auch die Vielfalt auf rund 600 Sorten erweitern.

Einen Teil der Chilipflanzen, die Fohringer in Töpfen kultiviert (weshalb er keine Bio-Zertifizierung bekommt), verkauft er „bis nach Dänemark“. „Mir ist wichtig, dass wir die Pflanzen selbst ziehen und nicht Jungpflanzen zukaufen,“ sagt Fohringer. Beerntet werden die Pflanzen von Mai bis Weihnachten. „Es gibt bei Chilis zwei wichtige Zeiten. Das eine ist die Erdbeerzeit, da beginnt im Gewächshaus die Ernte. In der Kukuruzzeit ernten wir die Freilandpflanzen.“ Einen Teil der Pflanzen kultiviert er nämlich außerhalb des Gewächshauses. „Damit die Leute den Kontrast sehen.“ Und auch, weil seine Schwiegermutter ihn regelmäßig zur Freilandproduktion überreden will. „Also machen wir jedes Jahr einen Versuch.“ Dass die Ernte im Gewächshaus wesentlich ergiebiger ist, muss er nicht extra dazu sagen.

Geerntet wird also wöchentlich. In einer kleinen Produktionsstätte im örtlichen Einkaufszentrum werden die Saucen produziert. Das Sortiment reicht von milden Currysaucen (die allerdings komplett ohne Chili auskommen) bis zu besonders scharfen Saucen. „End of Sanity“ heißt etwa jene Sauce, in der die Sorte Carolina Reaper verarbeitet wurde. „Das ist die schärfste Chili der Welt mit 2,25 Millionen Scoville-Einheiten.“ Die Scoville-Einheit gibt jenen Grad an, mit wie vielen Tropfen Wasser man einen Tropfen Chili verdünnen müsste, damit die Schärfe nicht mehr spürbar ist (siehe unten). Die Sauce gehört übrigens zu seinen meistverkauften Produkten. Auch die „Devils Choice Hot-Sauce“, bestehend aus der zweitschärfsten Chili, verkauft sich gut. Viele besonders scharfe Chili erkennt man optisch übrigens auch daran, dass sie eine runzelige Oberfläche haben. Sofern man sie korrekt erntet, also ohne die Frucht zu beschädigen, kann man sie mit bloßen Händen angreifen. Angeschnitten sollte man das allerdings unbedingt vermeiden. Wenn also die besonders scharfen Chilis verarbeitet werden, passiert das nicht ohne Schutzkleidung und Atemmaske.

Und weil Fohringer das Potenzial scharfer Chilis auch abseits der Kulinarik erkannt hat, veranstaltet er auf diversen Musikfestivals Chiliwettessen. „Neben der kulinarischen Schiene will ich auch eine Eventmarke aufbauen, ähnlich wie Red Bull.“ Und sollte sein Fireland Foods einmal so stark wachsen, dass die Produktion in Niederösterreich nicht mehr ausreicht, hat er schon die nächste Idee: Ähnlich wie der Schokoladenhersteller Zotter eine Fair-Trade-Chili-Produktion in Afrika aufzubauen. Auch das würde wohl mit Zucchini schwer gehen.

Auf einen Blick

Fireland Foods
Richard Fohringer kultiviert im niederösterreichischen Mostviertel Chilis und verkauft Jungpflanzen, frische Chilis sowie verschiedene Chilisaucen. Zusätzlich bietet er Führungen (inkl. Grillkurs) an. Im September eröffnet die Chilierlebniswelt in St. Pölten. Kontakt: Hauptstraße 33/6, 3244 Ruprechtshofen, ✆ 0664/348 35 85, www.firelandfoods.at

Für den Grill oder als Antipasti

Fireland Armadillo Eggs

1 kg Faschiertes, 1 eingeweichte Semmel, 1 Ei, 1-2 EL Fireland Rub Classic (Chiligewürzmischung), 8 Jalapeños, Käse zum Füllen der Chilis (z. B. Mozzarella), in dünne Scheiben geschnittener Speck, El Ricardo Chipotle Hot-Sauce (BBQ-Sauce).

Zubereitung: Faschiertes, Ei, Semmel und Gewürze mischen. Jalapeños oben aufschneiden, aushöhlen und mit Käse füllen. Das Faschierte zu 8 gleich großen Fladen formen. In die Mitte des Faschierten je einen mit Käse gefüllten Chili legen und ein Ei formen. Das Ganze mit Speck umwickeln. Entweder auf dem Grill bei indirekter Hitze oder im Backrohr bei 180°C Ober-Unterhitze ca. 40 Minuten grillen/braten. Nach der halben Garzeit das Ei wenden und mit BBQ-Sauce einstreichen. Kurz vor Schluss noch einmal wenden und auch diese Seite einstreichen. Quelle: Fireland Foods.

Gefüllte Peperoncini

500 g kleine, scharfe Paprika, 300 ml Weißweinessig, 1 Lorbeerblatt, 1 Zwiebel, 1 Gewürznelke, 10 Sardellen, 1 EL gesalzene Kapern, 400 g Thunfisch, Meersalz, Pfeffer, Olivenöl zum Auffüllen.

Paprika waschen, Deckel herausschneiden und innen aushöhlen. 600 ml Wasser mit Essig, Lorbeer, Zwiebel und Gewürznelke aufkochen. Paprika darin 2 Minuten blanchieren. Abseihen, mit der Öffnung nach unten auf ein Küchentuch legen und 24 h trocknen. Sardellen grob hacken, Kapern waschen und abtupfen. Thunfisch abtropfen und mit Sardellen und Kapern fein hacken. Paprika mit der Farce füllen und in sterilisierte Gläser schichten. Gläser mit Olivenöl auffüllen, fest verschließen und bei 90 Grad 1 h einkochen (z. B. im Wasserbad im Ofen). Mindestens zwei Wochen stehen lassen. Quelle: „Ein Sommer wie damals“, Verlag Brandstätter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2016)

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