Der schwarze Konkurrenzkampf in Wien

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LANDESPARTEITAG �VP WIEN: BL�MEL(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Wiens VP-Chef, Gernot Blümel, verschärft nun den internen Konkurrenzkampf – ausgelöst von einem Antrag, der auf dem Parteitag überraschend angenommen wurde.

Wien. Die Spitze der Wiener ÖVP hat heuer wenig von der sommerlichen Urlaubssaison. Immerhin wurden einige brisante Sitzungen anberaumt, die sich mit einem heiklen Thema beschäftigen: Der interne Konkurrenzkampf wird massiv verschärft, ein fixes Mandat bei Wahlen soll es künftig nicht mehr geben, wer für die kleine Stadtpartei in den Gemeinderat einziehen oder einen repräsentativen Posten erreichen möchte, muss bis zum Umfallen laufen und nachweislich Leistung erbringen. Also Wähler, die in Form von Vorzugsstimmen nachzuweisen sind. Damit verschärft die am Boden liegende Stadtpartei den harten internen Konkurrenzkampf, um wieder auf die Beine zu kommen.

Konkret arbeitet eine Gruppe rund um Parteichef Gernot Blümel und Parteimanager Markus Wölbitsch nach der bereits durchgezogenen Parteireform nun an einer Reform des ÖVP-internen Vorzugsstimmensystems. Das mag trocken klingen, hat aber massive Auswirkungen. Denn damit würden Wahllisten bei der Wiener ÖVP (fast) obsolet – können sie durch eine niedrige interne Hürde bei den Vorzugsstimmen doch leicht auf den Kopf gestellt werden. Auch an der Parteiführung vorbei.

Ausgelöst hat diese Diskussion Nico Marchetti, der als Chef der Jungen ÖVP Wien zu dem engen Kreis rund um Außenminister Sebastian Kurz und Wiens VP-Parteichef, Gernot Blümel, gehört. Er hat auf dem Parteitag der Wiener ÖVP im Jänner einen bemerkenswerten Antrag durchgebracht – gegen viele Widerstände. Die Delegierten beschlossen eine radikale Senkung der internen Vorzugsstimmenhürde, womit Vorreihungen massiv erleichtert werden und der interne Konkurrenzkampf verschärft wird. „Ein Mandat ist zu wichtig, um es als Belohnung und Versorgungsjob für verdiente Funktionäre zu verwenden“, kritisiert Marchetti im Gespräch mit der „Presse“: Durch eine deutliche Senkung der Vorzugsstimmenhürde „wird künftig sichtbar, wer welche Leistung bringt“. Jeder bekomme eine Chance, das sei fair – vor allem für den schwarzen Nachwuchs, der die Erneuerung der Partei trage. Denn bisher würde engagierten Jugendlichen in allen Parteiapparaten immer nur eine Karotte vor die Nase gehalten: „Du wirst etwas, wenn du brav bist“, sei das Motto. Und das habe er satt, so Marchetti.

Massive Widerstände gegen Reform

Wie radikal die Hürde gesenkt wird, wird noch erarbeitet. Derzeit ist von mindestens einem Zehntel der gesetzlichen Wahlzahl, (deren Wert von vielen Faktoren wie Wahlbeteiligung etc. abhängt) die Rede. Dass künftig alle Funktionäre laufen müssen, weil sie trotz eines (früher) sicheren Listenplatzes jederzeit überholt werden könnten, bereitet nicht allen in der Partei Freude. Es gab Versuche, diesen internen Wettbewerb zu blockieren, wie Marchetti erzählt.

Hintergrund: Unter Parteichef Manfred Juraczka wurde zwar der Wettbewerb „Jeder gegen jeden“ eingeführt, um den Abwärtstrend der Wiener ÖVP zu stoppen. Allerdings waren die Widerstände dagegen so groß, dass die Regelung nur für die Wien-Wahl 2015 galt. Und dort wurde die kleine Stadtpartei im Duell „SPÖ gegen FPÖ“, das beide Parteien taktisch für die eigene Mobilisierung forcierten, förmlich zermahlen. Die Wiener ÖVP verlor 4,75 Prozentpunkte, kam nur mehr auf 9,25 Prozent und war erstmals in ihrer Geschichte einstellig. Allerdings konnten zwei Kandidatinnen, die auf eigentlich aussichtslosen Plätzen kandidierten, derart mobilisieren, dass sie die interne Vorzugsstimmenhürde übersprangen und in den Gemeinderat einzogen. ÖVP-Seniorenvertreterin Ingrid Korosec erreichte 1558 Vorzugsstimmen, die Theologin Gudrun Kugler kam auf 1652 Vorzugsstimmen.

Jene, die gegen das leistungsorientierte System waren, mobilisierten nach der Wien-Wahl gegen eine niedrigere Hürde, von der schlechter Gereihte profitieren würden. Die gesetzliche Hürde für eine Vorreihung durch Vorzugsstimmen ist de facto ohnehin kaum zu überspringen – bisher schaffte es nur Alexander Van der Bellen bei den Grünen. Die Gegner des internen Wettbewerbs, so Marchetti, hätten argumentiert, dass die niedrige Hürde bei der Wien-Wahl nichts gebracht hätte und wollten die Regelung entschlafen lassen. Er schaffte es aber, den Antrag zur Abstimmung zu bringen, wo er etwas überraschend angenommen wurde.

Wann die Details des neuen Modells vorliegen, mit dem der schwarze Konkurrenzkampf verschärft wird, ist noch offen. Aus der ÖVP heißt es dazu: „Es wird nicht diskutiert, ob eine Reform kommt. Es wird nur noch diskutiert, welches Modell.“

ZUR PERSON

Nico Marchetti (26) gehört zum Kreis um Außenminister Sebastian Kurz und Wiens VP-Chef, Gernot Blümel, die die Stadtpartei nach dem Wien-Wahl-Debakel neu aufstellen. Marchetti wurde 2015 zum neuen Wiener JVP-Chef gewählt, auf dem Parteitag der Stadtpartei hat er eine parteiinterne Reform ausgelöst, die die Wahllisten der Wiener ÖVP künftig auf den Kopf stellen könnte. [ ÖVP Wien ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2016)

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