ORF-Wahl: Programmschlacht der Kandidaten

Konkurrenten Alexander Wrabetz (li.) und Richard Grasl mit TV-Direktorin Kathrin Zechner am Donnerstagabend bei einem Cocktail in Salzburg.
Konkurrenten Alexander Wrabetz (li.) und Richard Grasl mit TV-Direktorin Kathrin Zechner am Donnerstagabend bei einem Cocktail in Salzburg. Franz Neumayr/APA
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Es bleibt beim Zweikampf um das höchste Amt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Am Tag nach dem Ende der Bewerbungsfrist gaben Alexander Wrabetz und Richard Grasl Details zu ihren Bewerbungen bekannt. Ein Überblick.

In der Nacht auf Freitag ging die vierwöchige Bewerbungsfrist für die Funktion des ORF-Generaldirektors zu Ende. Acht Personen haben sich beworben, zwei davon vertraulich. Die Staatskünstler sind offenbar nicht darunter. Dennoch sieht es so aus, als gäbe es mehr Jux-Bewerbungen als ernst gemeinte. Die von YouTube-Satiriker Georg Anton ist jedenfalls eine Spaß-Kandidatur, die Herren (Warum eigentlich nur Herren?) Günter Ofner, David Küblböck und Karl Maihoroff sind in der Medienbranche unbekannt. Angeblich sind auch die beiden vertraulichen Bewerbungen von Personen, die in der Medienbranche nicht bekannt sind. 

Die aussichtsreichsten Kandidaten bleiben daher der amtierende ORF-Chef Alexander Wrabetz, der zum dritten Mal kandidiert und von der SPÖ unterstützt wird - und der aktuelle Finanzchef Richard Grasl, der als Favorit der ÖVP gilt. Sie haben ihre Bewerbungen am Freitag dem 35-köpfigen Stiftungsrat zugestellt, der den nächsten ORF-Chef am 9. August in einer nicht öffentlichen Sitzung bestellen wird. Der Öffentlichkeit präsentierten die Kandidaten am Freitag mehr Details ihrer teils schon bekannten Konzepte.

Dabei kam Grasl seinem Chef Wrabetz zuvor. Bereits Freitagfrüh lud er Journalisten zu einem Gespräch, bei dem er auffallend gut gelaunt mit der gebundenen, fast 170 Seiten dicken Bewerbung unter dem Arm erschien. Auf dem Titel des in blau gehaltenen Bewerbungsbuches, das die 35 Stiftungsräte nun zu studieren haben, prangt das Motto „Great things never come from comfort zones“. Er habe es gewählt, weil er wisse, dass auf den ORF in den kommenden Jahren schwierige Zeiten zukommen werden, so Grasl – aber auch, weil er mit seiner Bewerbung ein persönliches Risiko eingehe. „Ich habe meine eigene Comfort Zone verlassen.“ Sollte er am 9. August nicht zum neuen ORF-Chef bestellt werden, wird er das Unternehmen nach mehr als 25 Jahren verlassen.

Wrabetz legte am Freitagnachmittag eine Zusammenfassung seiner 119-seitigen Bewerbung unter dem Hashtag „#ORF2021“ und mit dem Titel "Der ORF als Leitmedium im digitalen Zeitalter" vor. Die Konzepte im Überblick: 

Wrabetz will ORF zu Social-Media-Haus machen

► Unternehmensführung: Wrabetz will an der gesetzlich vorgesehenen Alleingeschäftsführung festhalten, die tatsächlich ohne Gesetzesänderung nicht auszuhebeln ist. Aber innerhalb der Geschäftsführung will er künftig bei "strategischen Entscheidungen" kollegial entscheiden, also dann, wenn es um Budget, Investitionen, den Erwerb von Rechten und das Personal geht.

► Unternehmensstruktur: Die bisherigen Direktionen für Technik, Programm, Finanzen und Radio bleiben, aber es wird für alle Sender (ORFeins, 2, III und die Radios) sogenannte Channelmanager und eigene Chefredakteure geben. Den Landesstudios soll mehr finanzielle Autonomie zukommen, zudem denkt er an eine Sendung "Zu Gast in Österreich", bei der Landesstudio-Redaktionen einen Tag das Programm eines anderen Landesstudios übernehmen und so ihr Bundesland anderen Zusehern näher bringen.

► Programm: Der Sender ORFeins soll neu positioniert werden, vor allem die Information ausgebaut werden, unter anderem mit einer neuen, 60 Minuten langen Nachrichten-Show (Arbeitstitel: "@1"), neuen Dokus und Reportagen. Gleichzeitig soll US-amerikanische Kaufware reduziert werden und mehr österreichische Produktionen vor allem im Bereich Comedy/Satire gesendet werden.

Mit ORFeins-to-go soll ein neues, digital abrufbares Angebot entstehen, das sich mit aktuellen Themen aus Chronik, Technik und Lifestyle beschäftigt. Weiters ist ein noch etwas vage klingendes "Medienlabor" auf ORFeins angedacht, eine Art Entwicklungslabor für Info- und Infotainment-Formate bis zur Pilotreife.

Auf ORF 2 soll eine neue Doku-Reihe namens „Österreich 4.0“ enstehen und ein monatliches Geopolitik-Format mit Raimund Löw. Es soll ein neues Korrespondetenbüro in Afrika eröffnet werden. Das Budget von ORF III von 13 auf 20 Millionen Euro erhöht und der Sender im Bedarfsfall als Breaking-News-Plattform ausgebaut werden. Insgesamt wünscht sich Wrabetz auf dem Sender mehr junge Kultur, mehr Live-Events, mehr Oper, Konzert und Sprechtheater sowie eine engere Kooperation mit Ö1. Apropos Ö1: Dort legt Wrabetz den Schwerpunkt beim Radio: Er will eine Reform des Programmschemas, eine Imagekampagne und eine neue App und Webseite.

► Social-Media-Haus: Wrabetz will eine eigene Social-Media-Strategie erarbeiten, den Kundendienst weiterentwickeln und einen YouTube-Channel für ORF-Inhalte etablieren. Er will die Sieben-Tage-Regelung für ORF-Sendungen im Internet aufheben und die On-Demand-Plattform Flimmit zu einem öffentlich-rechtlichen Angebot umbauen.

► Strategisch will Wrabetz einerseits den Dialog mit der Bevölkerung verbessern, aber auch einen Schulterschluss mit anderen österreichischen Medienmarken, sowohl den Privatsendern als auch den Printmedien. Er wünscht sich eine neue Haltung des ORF, die intern und nach außen mit mehr Transparenz einhergeht und der Stärkung der Glaubwürdigkeit, etwa durch eine offene Fehlerkultur. 

Richard Grasl und seine Bewerbung.
Richard Grasl und seine Bewerbung.Johannes Bruckenberger

Richard Grasl plant "Informationsoffensive"

In drei Kapiteln legt Richard Grasl dar, warum er sich für eine Bewerbung entschieden hat („Herz“), an welche Führungsgrundsätze er glaubt („Haltung“) und welche konkreten Vorhaben er umsetzen will („Herausforderungen").

Unternehmensführung: Wie mehrfach angekündigt, will Grasl innerhalb der Geschäftsführung gemeinsam entscheiden, „im Mininum mit Vier-Augen-Prinzip“, die Mehrheit entscheidet. Wenn es zwei Gegenstimmen gibt, wird das dem Stiftungsrat berichtet. Seiner Bewerbung hat er deshalb eine neue Geschäftsordnung angehängt, in der das festgeschrieben wird. Er würde kein Weisungsrecht gegenüber den Programmdirektionen ausüben. "Sollte es doch eine geben, würde das im Stiftungsrat transparent gemacht werden."

Unternehmensstruktur: Grasl will das Direktorium stark umbauen. Unter seiner Führung soll es je einen Direktor für die Bereiche Digitales, TV-Programm, TV-Information und Radio geben. Die kaufmännischen Agenden, die bis jetzt er verantwortet hat, will er nicht ganz loslassen: Sie wandern zum Teil in die Generaldirektion, die eine reine Verwaltungsdirektion ohne Programmzuständigkeiten sein soll - und zum Teil in die einzelnen Programmdirektionen. Aufgelöst wird auch die Technik-Direktion, die Verantwortung dafür haben dann die einzelnen Programmressorts Fernsehen, Radio und Online. Diese Umgliederung der Technik in die Programmabteilungen gab es bereits unter ORF-Chef Gerhard Zeiler in den 1990er Jahren. Sein Nachfolger Gerhard Weis hat das wieder rückgängig gemacht. Innerhalb der Programmbereiche soll es sogenannte „Channel-Manager“ und Chefredakteure für die einzelnen Sender geben, also je einen für ORFeins, 2 und III und die einzelnen Radios geben.

► Wiedereinführung des Generalsekretärs: Grasl will zudem eine abgeschaffte Funktion wieder einführen und zwar die des Generalsekretärs, wie er der APA am Freitagabend bestätigte. Laut Grasls Konzept soll der Generalsekretär in der Generaldirektion angesiedelt sein und sich um die Aufgaben Public Affairs, Personal und Human Resources, Organisation und Sicherheit sowie das Büro der ORF-Gremien kümmern. Es handle sich demnach um keine politische, sondern um eine operative Funktion zur Unterstützung des Generaldirektors. "Die Funktion des Generalsekretärs war früher verschrien, weil sie teilweise politisch besetzt war", so Grasl. Gegeben habe es die Tätigkeit aber de facto immer. "Was war Pius Strobl anderes als ein Generalsekretär", verwies der Finanzdirektor auf den früheren ORF-Kommunikationschef und Wrabetz-Vertrauten. Eine politische Besetzung schloss Grasl aus. "Es kommt sicher niemand aus der Politik, wie das bei Gerhard Zeiler oder Andreas Rudas der Fall war." ORF-Generalsekretäre gab es im ORF von 1967 bis 1998. ORF-Generalintendant Gerhard Weis schaffte das Amt schließlich 1998 ab.

Programm: Unter ihm werde es keine „größte Programmreform aller Zeiten“ geben, sagte Grasl und spielte damit auf die Ansage von Alexander Wrabetz bei seiner ersten Bewerbung 2005 an. „Step by Step“ will Grasl Neues entwickeln und das vor allem in der Information. 45 Vorschläge listet er in seiner Bewerbung auf. Etwa die „Zeit im Bild“ um 19.30 Uhr um fünf Minuten verlängern („Die Sendung mit derzeit 16 oder 17 Minuten ist mir zu kurz.“), rund um die „ZiB 2“ kurze Regionalnachrichten bringen, den Sport auf ORFeins holen. Neue Talk- und Magazinformate erfinden, so denkt er etwa an eine neue Gesprächsrunde nach dem Vorbild der ADR-Sendung „Hart aber fair“ mit Fritz Plasberg (der Arbeitstitel lautet: "Club 2.0") und ein monothematisches Wochenmagazin, das sich 45 Minuten lang mit dem Thema der Woche beschäftigt. „Diese Woche wäre das etwa die Türkei gewesen.“ Hier kann er sich auch Recherche-Partnerschaften mit Printmagazinen vorstellen. Er kündigt drei neue Korrespondentenbüros (ein weiteres in den USA, eines in Südamerika und eines in Afrika) an. Das von Alexander Wrabetz mehrfach angekündigte, aber nie realisierte Medienmagazin für das Radio soll es ebenso geben wie ein eigenes Medienmagazin im Fernsehen. Schließlich will er das von Wrabetz entwickelte Frühstücksfernsehen „Guten Morgen Österreich“ wieder ins Studio holen. Das sei kostengünstiger und würde den Kollegen die Arbeit bei aktuellen Ereignissen erleichtern. Finanzieren will er all diese Neuerungen durch Einsparungen in den Produktionsmethoden, Budgetumschichtungen und Synergien.

Radio: Weniger konkret wurde Grasl beim Radio. Er betonte nur, hier „haben wir einiges zu erledigen“. Unter anderem einen Sender schaffen, der für Junge interessant ist. Derzeit müsse Ö3 den Spagat schaffen, ein Programm für die 14- bis 49-Jährigen zu liefern.

Namen im Direktorium: Konkrete Namen für die Direktorenposten ließ sich Grasl nicht entlocken. Er ließ aber anklingen, dass er sowohl mit Kathrin Zechner als TV-Programm-Chefin als auch mit Thomas Prantner als Digital-Direktor arbeiten wolle. Den Anteil der Frauen in seiner Direktion möchte Grasl deutlich erhöhen (Wrabetz übrigens auch), er gibt sich aber selbst keine Quotenvorgabe. Derzeit gibt es drei Frauen unter den vier Bereichs- und neun Landesdirektoren. So wie es aussieht, ist Zechner derzeit die einzige, der ihr Job sowohl unter Wrabetz als auch Grasl sicher ist.

Digital: Grasl will eine „Multimedia-Thek“ entwickeln, in der man nach Stichworten suchen kann und dann alle ORF-Sendungen aus TV, Radio und Online dazu geliefert bekommt. Weiters will er rund um die Uhr eine Online-„ZiB“ anbieten. Im 15-Minuten-Takt sollen die aktuellsten Beiträge der „ZiB“ abrufbar sein. „Das könnte der Vorläufer für einen eigenen Informations-Sender sein.“

Unternehmenskultur: Grasl will die Mitarbeiter künftig besser ausbilden und eine eigene Human-Resources-Abteilung gründen. Die Büros der Hauptdirektionen will er in der Zentrale zusammenlegen und eine Kultur der offenen Tür etablieren.

Aktualisiert um 19.10 Uhr.

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