Integration in Uniform

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Hilft der Grundwehrdienst bei der Integration? Diese Frage hat zuletzt Kardinal Christoph Schönborn aufgeworfen. Drei Soldaten erzählen aus ihrem Alltag in der Truppe.

Kurz vor seinem Einrückungstermin veranstaltete Patrick Barbics Mutter ein Familienessen. Die Verwandtschaft kam zusammen, feierte, wünschte dem künftigen Grundwehrdiener viel Glück. „Für die Angelobung konnten sie sich nicht freinehmen“, sagt er. „Das hat mir wirklich leidgetan.“ Dem Familienteil in Bosnien wurden später Fotos in Uniform zugeschickt. „Meine Oma hat das Bild in ihrem Schlafzimmer aufgehängt“, erzählt er.

Der 20-jährige Grundwehrdiener ist in Wien geboren, seine Eltern kamen vor 22 Jahren aus Ex-Jugoslawien nach Österreich. Für die Familie hat der Wehrdienst einen hohen Stellenwert. Dadurch werde man selbstständig. Zum Mann. Aber hilft das Heer auch, sich mit dem Staat Österreich auseinanderzusetzen? Schweißt es junge Männer unterschiedlicher Herkunft zusammen, hilft bei der Integration?

Die Frage warf zuletzt Kardinal Christoph Schönborn auf. Er beantwortete sie auch gleich selbst. Die Zeit in der Uniform würde Migranten dazu bringen, sich mit dem Staat, in dem sie leben, auseinanderzusetzen. Integration dürfe nicht misslingen – wie es in Frankreich der Fall sei. Dort bedauere man es, die Wehrpflicht abgeschafft zu haben, so der Kardinal.

Zahlen nicht bekannt

Aber: Stimmt das wirklich? Hat das Heer integrativen Charakter? Die Frage wurde schon im Jahr 2013 diskutiert – kurz vor der Volksbefragung über den Grundwehrdienst. Schon damals meinte Integrationsexperte Kenan Güngör, dass die Wehrpflicht eine „starke symbolische Kraft“ haben könne. Denn: „Wer erwählt wird, das Land zu schützen, der nimmt es eher als das eigene Land an.“

Konkrete Zahlen, Fakten oder aktuelle Studienergebnisse gibt es allerdings nicht. Auch, weil allein die Frage, wie viele Migranten ihren Grundwehrdienst leisten (bzw. ihren Zivildienst), nicht einfach zu beantworten ist. Wer einrückt, muss ohnehin die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Bekannt ist nur die Anzahl jener Rekruten, die im Ausland geboren sind. Und diese ist gering: Von den 6837 Grundwehrdienern, die derzeit ihren Dienst leisten, sind 6521 in Österreich geboren. Die restlichen knapp fünf Prozent stammen großteils aus der Türkei, dem Kosovo oder Deutschland.

Ein weiterer Anhaltspunkt ist auch die Religionszugehörigkeit: Der Großteil der Grundwehrdiener ist katholisch, rund 600 sind muslimisch, 296 evangelisch. Wobei man im Verteidigungsministerium betont, dass die Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind. Die Anzahl an auswärts Geborenen könne je nach Einrückungstermin stark variieren, die Angabe der Religionszugehörigkeit sei außerdem nicht Pflicht.

Was sagen die Grundwehrdiener selbst dazu? Blendi Lugaliu, der mit Barbic bei der Garde seinen Wehrdienst ableistet, hat bisher keine großen ethnischen Auseinandersetzungen bemerkt. Er selbst ist in Graz geboren – seine Eltern stammen aus dem Kosovo. „Die meisten Konflikte gab es während der Grundausbildung“, erzählt er. „Da muss man sich noch aneinander gewöhnen.“ Bei den Streitereien ging es aber nicht um Religion oder Einstellungen, sondern eher um die Aufgaben, die die jungen Männer anfangs überforderten. Dass sich ein Rekrut nun, wo sich ihr Grundwehrdienst dem Ende zuneigt, mehr mit Österreich identifizieren könne, hätten beide Grundwehrdiener nicht beobachtet.

„Gleiche Uniform, Barret“

Einen positiven Aspekt sieht Faraz Ahmed allerdings schon. Laut dem Wachtmeister und Ausbildner mit pakistanischen Wurzeln sei es gut, dass sich beim Grundwehrdienst Menschen kennenlernen, die sich sonst nie getroffen hätten. In sechs Monaten könne man da durchaus zusammenwachsen.

Logistikoffizier Gerald Jaindl hat bei der Garde einen pragmatischeren Zugang. „Bei uns sind alle gleich – mit der gleichen Uniform und dem roten Barret.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2016)

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