Buwog: Verzögerung mit Nebenwirkungen

File photo of the logo of Austrian real estate agent BUWOG seen in front of one of their construction sites in Vienna
File photo of the logo of Austrian real estate agent BUWOG seen in front of one of their construction sites in Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Das Buwog-Verfahren um Karl-Heinz Grasser und Co. führt plötzlich in eine unerwartete Richtung.

Verzögerungstaktik? Mag sein. Strategisches Vorgehen mit der leisen Hoffnung auf Erfolg? Das sicher. Es geht um Karl-Heinz Grassers jüngsten Coup. Man könnte (neutral) auch von Schachzug sprechen. Aus Sicht des Ex-Finanzministers ist es das Ausschöpfen aller – auch ungewöhnlicher – (Rechts-)Mittel.

Coup? Schachzug? Die Rede ist vom überraschend angekündigten Gang vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH), mithin vor die gekonnt würdevoll in Schwarz und Violett auftretenden Rechtshüter, deren Bilder man noch von der Anfechtung der Bundespräsidentenwahl in Erinnerung hat. Diese mögen, so Grassers Ansinnen, einen Punkt der Strafprozessordnung aufheben.

Was hat das alles mit dem Strafprozess um die Buwog-Privatisierung zu tun – also mit dem seit sieben Jahren laufenden Korruptionsverfahren (Vorwürfe: Untreue, Geschenkannahme) gegen Grasser und 15 andere Beschuldigte?

Das ist schnell erklärt. Nach langen sieben Jahren Vorverfahren hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft vor Kurzem eine Anklageschrift präsentiert. Eigentlich hat sie diese „nur“ den Angeklagten zustellen lassen, aber seither spricht ganz Österreich darüber.

Von der „Ewigkeit“ zur Zeitnot

Eben diese Angeklagten haben 14 Tage Zeit, Einsprüche gegen ihre Anklage zu erheben. Ist doch fair, dass es überhaupt so ein Rechtsmittel gibt, möchte man meinen. Eh, aber da in Sachen Buwog nichts ist, wie es sonst ist, hat auch dieser Vorgang einen Haken: Die Anklageschrift hat stolze 825 Seiten. Diese in zwei Wochen studieren plus Einspruch schreiben – da wird die Zeit knapp.

Unzumutbar knapp, sagt Grassers Anwalt, Manfred Ainedter. Zweifler könnten einwenden, dass man mit einem Anklage-Einspruch den Prozess sowieso nicht abwenden kann. Man kann „nur“ etwaige rechtliche Fehler aufzeigen. 14 Tage also, so steht es im Gesetz (§213StPO) – daher verstoße diese Norm gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren, sagen Grasser und Anwalt. Konsequenz: Ein knapp gehaltener Anklage-Einspruch wird nun eingebracht, gleichzeitig wird das zuständige Strafgericht ersucht, den Gang vor den VfGH anzutreten. Kommt das Gericht dieser Anregung nach und beginnt der VfGH zu prüfen, heißt das fürs Strafverfahren: Stillstand. „Mindestens ein halbes Jahr“, sagt Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk zur „Presse“. Mindestens.

Gibt der VfGH Grasser recht, muss die StPO erst repariert werden, ehe es weitergeht. Blitzt Grasser ab, kann erst die Prüfung seines Anklage-Einspruchs durch das Oberlandesgericht Wien beginnen. Auch das dauert Monate.

Bleibt noch diese Variante: Das Straflandesgericht kommt der Anregung, den VfGH einzuschalten gar nicht nach. Dann bleibt immer noch ein Ausweg: Grasser kann (und wird) sich mit einer sogenannten Individualbeschwerde an die ehrwürdigen Verfassungshüter wenden. Problem: Eine Individualbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. So richtig anspruchsvoll würde es werden, wenn der Buwog-Prozess schon läuft und mitten hinein platzt die Nachricht: „Grassers Individualbeschwerde hatte Erfolg.“ Was dann passiert? „Dies hängt von der inhaltlichen Entwicklung des Strafverfahrens ab“, sagt Funk. Kurzum: Diese kühne Version ist aus heutiger Sicht sehr schwer abschätzbar.

Die Außen- und die Innensicht

Warum das alles? Warum sich der quälend-langwierigen Sache nicht endlich stellen? Aus Sicht des Publikums drängen sich diese Fragen zwangsläufig auf. Aber aus der Warte einer um jeden Zentimeter kämpfenden Angeklagtenriege zählt jeder Teilerfolg. Also verlagert man das Geschehen legitimerweise dorthin, wo Teilerfolge noch möglich scheinen. Ja, ein Rechtsstaat lässt sich an seine Grenzen treiben. Wer dies tut, riskiert – Motto: „Alles oder nichts!“ Der Rechtsstaat hält das aber in aller Regel aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2016)

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