Die Pinken versuchen einen neuen Anlauf im Kampf um Aufmerksamkeit. Parteichef Strolz bietet sich nach der Neuwahl als Partner in einer Dreierkoalition an.
Wien. Eine Lehrerin, eine Ein-Personen-Unternehmerin, ein Student: Mit drei Puppen aus 3-D-Druckern wartete Neos-Chef Matthias Strolz am Montagabend im ORF-Sommergespräch auf, um zu dokumentieren, dass seine Partei eine „Bürgerbewegung, die die Fesseln des Systems sprengen“ wolle, sei. Fast vier Jahre nach der Gründung der Neos und drei Jahre nach dem Einzug aus dem Stand ins Hohe Haus hat die pinke Partei mit Strolz alle Mühe, angesichts der Unzufriedenheit der Wähler nicht ebenfalls als bloß jüngerer Ableger des bröckelnden politischen Systems wahrgenommen zu werden.
Keineswegs zufällig hatte Strolz schon bei der Neos-Mitgliederversammlung Ende Juni die Devise ausgegeben, die Neos, mit neun Mandataren im Parlament vertreten, müssten wieder stärker zu einer Bürgerbewegung werden. Er nahm dabei Anleihe bei Irmgard Griss, der Ex-Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, die es mit Unterstützung der Neos in der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl im April auf beachtliche knapp 20 Prozent der Stimmen gebracht hat.
Ob Griss eine Gefahr für die Neos sei, fragte Moderatorin Susanne Schnabl. Ein insgesamt betont ruhiger Strolz bemühte sich, das wegzureden: „So ticke ich nicht.“ Bei der Hofburgwahl habe es sich nicht um eine Bürgerbewegung, sondern eine Persönlichkeitswahl gehandelt. Auch Griss will mit Blick auf eine mögliche Kandidatur bei der Nationalratswahl keinesfalls als Partei identifiziert werden, sondern sieht ihre Zukunft ebenfalls in einer Bürgerbewegung. Ob in Allianz mit den Neos oder in Konkurrenz, wird sich erst weisen.
Nach der Nationalratswahl 2013 reichten fast die Auftritte von Strolz am Rednerpult im Nationalrat mit weit ausgebreiteten Armen und dem Mantra, man müsse den Kindern Flügel verleihen, für Aufmerksamkeit. Die Neos-Versammlung im Juni ging hingegen trotz eines Strolz-Auftritts im Batman-Kostüm gegen den gleichzeitigen SPÖ-Bundesparteitag mit Christian Kerns Kür unter.
Schellhorn als Paradefall
Aktionismus allein ist zu wenig. Auf Landesebene wurde nur in Wien mit der umtriebigen Beate Meinl-Reisinger und in der Heimat des Vorarlbergers Strolz der Einzug in den Landtag geschafft. Worum es den Neos als wirtschaftsliberale Gruppierung geht, das hat heuer der Salzburger Hotelier und Parlamentarier Sepp Schellhorn beispielhaft vorgemacht. In viel beachteten „Presse“-Berichten listete er auf, warum Flüchtlinge, statt in der Hotelerie zu arbeiten, lieber in Wien Mindestsicherung kassieren.
Die Neos haben es seit Monaten mit erschwerten Bedingungen wegen ihres klaren Pro-EU-Kurs zu tun. EU-Europa hat jedoch in Österreich spätestens mit seiner Unfähigkeit, eine Lösung für den Zustrom von Flüchtlingen zu finden, weiteren Kredit verspielt. Strolz trat im ORF erneut eine Konzentration auf ein Kerneuropa ein.
„EU zur Sicherheitsunion entwickeln“
Angesichts der Verunsicherung der Bevölkerung macht er sich nun für ein Anti-Terrorzentrum unter Europol-Führung stark. Und: „Wir wollen die EU zu einer Sicherheitsunion weiterentwickeln.“ Gleichzeitig sollten an den gemeinsam geschützten Außengrenzen („40.000 Mann und Frauen sofort“ für eine Grenzschutztruppe“) Registrierungszentren für Flüchtlinge geschaffen werden.
Das ist dann ziemlich nahe an dem, was die „Systemparteien“ SPÖ und ÖVP als Ausweg propagieren: bessere Sicherung der EU-Außengrenzen und Zuteilung nach Flüchtlingsquoten. Daher folgte ein bewusster Seitenhieb auf Außenminister Sebastian Kurz als Abgrenzung: „Ich bin nicht für Internierungslager nach australischem Vorbild.“
Die Neos hoffen dennoch darauf, bei Neuwahlen von der Frustration der Bürger über die Regierenden zu profitieren auf Bundesebene „zweistellig“ zu werden. Das Kalkül dahinter: SPÖ und ÖVP schaffen bei der nächsten Nationalratswahl nicht einmal zusammen eine Mehrheit im Nationalrat, wollen aber, um die FPÖ mit Heinz-Christian Strache als Bundeskanzler zu verhindern, eine Dreierkoalition als Alternative schmieden. Für diesen Fall hält sich Strolz bereit für eine Dreierkoalition mit den Grünen und jener Regierungspartei, die sich „schneller erneuert“. Das Problem dabei: Selbst die Unterstützung der Neos könnte dafür zu wenig sein und die Grünen halten sich auch eine Variante mit Rot und Schwarz offen. (Ende)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2016)