Rechtspopulisten mit Tradition

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, damals BZÖ, bei der TV-Konfrontation zur Nationalratswahl 2008 (v. l.).
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, damals BZÖ, bei der TV-Konfrontation zur Nationalratswahl 2008 (v. l.).(c) Clemens Fabry
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Es gibt sie wesentlich länger als vergleichbare europäische Protestparteien, sie gehört gewissermaßen zum Inventar dieses Landes. Die FPÖ – wie sie wurde, was sie ist.

„Jetzt droht uns ein Jahr der Populisten“, schrieb die deutsche Zeitung „Die Welt“ aus Anlass der vom österreichischen Verfassungsgerichtshof angeordneten Wiederholung der Bundespräsidentenstichwahl. Schon während der ersten Stichwahl hatten ausländische Medien – „Die Zeit“ widmete dem gar ein eigenes Dossier – den Freiheitlichen Norbert Hofer in eine Reihe mit Marine Le Pen, Frauke Petry und Geert Wilders gestellt.

Auch andere europäische Länder haben rechtspopulistische Parteien. Ein drittes Lager abseits der Sozialdemokratie und der christdemokratischen Konservativen. Vom französischen Front National bis zur niederländischen Partij voor de Vrijheid, von der britischen Ukip bis zur deutschen AfD. Und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer und andere Freiheitliche zeigen sich durchaus gern in dieser Gesellschaft.

Einen großen Unterschied gibt es allerdings: Während die AfD überhaupt erst 2013 gegründet wurde, die Ukip 1993 und der Front National 1972, gehört die FPÖ gewissermaßen zum Inventar dieses Landes. Und ist eben keine neuere Erscheinung, die in erster Linie der heutigen Migrationsgesellschaft geschuldet ist. Mit der Einschränkung, dass der rechtspopulistische Charakter der FPÖ auch erst in den vergangenen Jahrzehnten, in denen das Ausländerthema eine derart dominante Rolle spielte, so deutlich zutage trat.

Sonst war die FPÖ eigentlich immer da. Also fast immer. Von 1945 bis 1949 waren ehemalige Nationalsozialisten – auch minderbelastete – von den Wahlen ausgeschlossen. Ausgerechnet zwei Liberale, Viktor Reimann und Herbert Kraus, gründeten ein Sammelbecken für diese und für Bürgerlich-Liberale, die mit SPÖ und ÖVP nichts anzufangen wussten: den Verband der Unabhängigen (VdU). Mit der Nationalratswahl 1949 ist das Dritte Lager dann mit 11,67 Prozent in der Zweiten Republik angekommen. Seit damals war es bei Nationalratswahlen stets drittstärkste Kraft, 1999 sogar zweitstärkste.

Traum von liberaler Partei platzte

Doch der Traum der Herren Reimann und Kraus von einer liberalen Partei platzte recht bald. Da er – bei diesem Elektorat – auch platzen musste. Die Nationalen übernahmen die Partei. Dies ging mit einer Neubenennung einher: 1955 wurde aus dem VdU die FPÖ. Erster Obmann war der frühere NS-Funktionär Anton Reinthaler, ehemaliger SS-Offizier und Unterstaatssekretär der nationalsozialistischen Regierung in Berlin. 1958 folgte ihm Friedrich Peter nach, auch ein ehemaliger Nationalsozialist und (Waffen-)SS-Mann, der die Partei bis 1978 führen sollte. Peter, der sich – durchaus glaubhaft – von seiner Vergangenheit zu lösen versuchte, setzte in der Partei wieder einen Liberalisierungsprozess in Gang, der von seinem Nach-Nachfolger Norbert Steger noch akzentuierter fortgesetzt wurde.

Die Nationalen in der Partei waren aber nicht verschwunden. Sie warteten, notorisch unzufrieden, im Hintergrund darauf, dass sich das Blatt wieder wendete. Der junge Jörg Haider wurde für sie zur Hoffnungsfigur.

Die Geschichte des Dritten Lagers

Die Geschichte des Dritten Lagers in Österreich reicht aber viel weiter zurück: In der FPÖ-Vorgängerpartei, dem VdU, waren Parteien (respektive deren Anhänger) aufgegangen, die es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gab – der Landbund oder die Großdeutsche Volkspartei. Dies waren Parteien der Ersten Republik, hervorgegangen aus anderen Parteien in der Kaiserzeit. Dort sind auch die Wurzeln der FPÖ.

Der Ursprung des Dritten Lagers liegt in der Revolution von 1848, diese war nicht zuletzt getragen von burschenschaftlich organisierten Studenten. Deren Deutschland-Bewusstsein speiste sich unter anderem aus dem Abwehrkampf gegen Napoleon Bonaparte zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Aus Liberalen wurden jedoch alsbald Nationale. Die Sehnsucht nach dem größeren Deutschland, dem man sich zugehörig fühlte, der Wunsch, sich von den Slawen in der Habsburgermonarchie abzuheben, führten zur Ausprägung dieser politischen Gesinnungsgemeinschaft. Mit Georg Ritter von Schönerers Alldeutschen in seiner radikalsten Variante.

Wieso sich das Dritte Lager nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland in Gestalt der liberalen FDP, in Österreich hingegen in der nationalen Variante der FPÖ zeigte, dürfte mehrere Ursachen haben. Die eine ist der schlampigere Umgang mit der NS-Vergangenheit hierzulande. Die andere ist, dass das deutschnationale Lager in Österreich traditionell eine erheblichere Rolle spielte: Denn die Deutschen lebten ohnehin in Deutschland. Die österreichischen Deutschnationalen aber wollten unbedingt dorthin. Und dieser Wunsch war auch Programm.

National im Vielvölkerstaat

Zudem gab es im Deutschen Kaiserreich auch weit weniger andere Volksgruppen als im Habsburgischen Vielvölkerstaat, von denen es sich im Zeitalter des Nationalismus abzugrenzen galt. Die überzeugtesten Deutschnationalen waren mitunter dort zu finden, wo sie direkt auf andere Kulturkreise trafen. In Kärnten zum Beispiel, einer freiheitlichen Hochburg seit jeher, auf den slawischen und romanischen. Das deutsch-freiheitliche Lager stellte dort schon in der Ersten Republik einen Landeshauptmann und war bei Wahlen überaus erfolgreich. Jörg Haider war also nicht der erste Freiheitliche, der in Kärnten große Erfolge feierte.

Die Germanophilie von einst ist in der FPÖ der Gegenwart einem ausgeprägten Österreich-Patriotismus gewichen. Dieses „Österreich zuerst“-Motiv, auch das Motto des Ausländer-Volksbegehrens von 1992, hatte Jörg Haider mit Nachdruck in die Partei eingebracht. Er selbst war noch in den deutschnationalen Strukturen der Partei herangewachsen, hatte aber recht bald erkannt, dass mit diesen der Plafond erreicht ist, er sich also öffnen muss, hin zu den Wählern der ÖVP und der SPÖ. Und dies ging eben am leichtesten über die patriotische Schiene in Abgrenzung zu den großen Wanderungsbewegungen der späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Südosteuropa.

Jörg Haider, der Volkstribun

Und Jörg Haider, der begnadete Volkstribun, machte aus der alten freiheitlichen Honoratiorenpartei, die zwischen liberal und national changierte, eine populistische Bewegung. Die Partei der Anwälte, Ärzte, Bauern, Industriellen, anderer Selbstständiger und höherer Beamter war auf einmal auch für den kleinen Mann da.

Deutlich wurde dies auch in der Haltung zur Europäischen Union. Die alte FPÖ war eine Befürworterin der europäischen Integration, eines Beitritts Österreichs zur EU, gewesen. Sogar der nationale Flügel, deren Vertreter darin eine Art (Wieder-)Angliederung an Deutschland, zumindest wirtschaftlicher Natur, sahen. Auch der junge Jörg Haider war ein glühender EU-Befürworter. Auf Wahlveranstaltungen in den Achtzigerjahren in Kärnten erklärte der umjubelte FPÖ-Landesparteichef seinen Anhängern, dass es den Südtiroler Bauern deshalb um so vieles besser ginge als den österreichischen, weil sie in der EU seien. Als es dann so weit war und die EU-Volksabstimmung anstand, war Jörg Haider der vehementeste Gegner eines EU-Beitritts.

An diesem populistischen Charakter der Freiheitlichen Partei hat sich seither, auch unter Heinz-Christian Straches Obmannschaft, nichts geändert. Und wie Jörg Haider 1999 steht auch Strache nun knapp davor, das Dritte Lager aus seiner angestammten dritten Position auf den zweiten Platz, wenn nicht gar auf den ersten, zu führen. Eine neuerliche Chance auf diesen gibt es für die Freiheitlichen nun auch bei der Bundespräsidentenstichwahl.

All das in einem Staat, den deren Ahnen eigentlich gar nicht so wirklich wollten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2016)

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