Österreich ist reformunfähig

Archivbild: Der österreichische Nationalrat
Archivbild: Der österreichische NationalratAPA/ROBERT JAEGER
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Das politische System ist laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung weniger zukunftsfähig als jenes der Nachbarländer Schweiz und Deutschland. Es ist konsensual geprägt, aber blockadeanfällig.

Österreich schneidet mit der Zukunftsfähigkeit seines politischen Systems im internationalen Vergleich mittelmäßig und in manchen Segmenten sogar schlecht ab. Laut einer auf 136 Indikatoren beruhenden Bewertung kommt das Land in einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung insgesamt lediglich auf Platz 16 aller 41 EU- und OECD-Staaten. Österreich liegt damit klar hinter den skandinavischen Ländern (Ränge 1–3), aber auch hinter der Schweiz (Rang 4) und Deutschland (Rang 6).

„Vor allem bei Generationsgerechtigkeit und Rente sowie in den Feldern Bildung und Integration muss Österreich noch deutlich zulegen“, heißt es in dem Bericht, der heute, Donnerstag, veröffentlicht wird und der „Presse“ bereits vorliegt. „Problematisch ist dabei nicht zuletzt die geringe Reformfähigkeit des politischen Systems.“

Die Studienautoren untersuchten die Politikergebnisse auf ihre ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit. „Österreich hat sich auf der Stelle bewegt, es gab kaum Dynamik“, sagt Projektleiter Daniel Schraad-Tischler im Gespräch mit der „Presse“. In der Studie selbst heißt es: „Die Fähigkeit zu politischen Reformen wird häufig durch starke Vetospieler eingeschränkt.“

Im Gegensatz zu anderen Ländern sei die heimische Politik trotz einer stabilen Wirtschaftssituation und des konsensualen Verhaltens der Sozialpartner träge. Deutschland hat deshalb die Krisenjahre laut Schraad-Tischler besser bewältigen können. „Zum einen, weil es als Exportnation punkten konnte, aber auch, weil es eine bessere Haushaltspolitik und notwendige Strukturreformen realisieren konnte.“ Die Schweiz habe durch „hohe Dynamik“ vor allem auf ihrem wenig regulierten Arbeitsmarkt gepunktet. So sank in Österreich die Beschäftigungsquote im Vergleich zum Vorjahr auf mittlerweile 71,1 Prozent (Rang 14), während sie in der Schweiz 80,2 Prozent (Rang 2) erreichte.

Als Beispiel für Versäumnisse wird die Bildungspolitik genannt. Zwar konnte sich Österreich im Vergleich zu den Vorjahresuntersuchungen verbessern – von Rang 29 auf Rang 24 –, aber die Hauptprobleme seien dieselben geblieben. Nach wie vor sei der soziale Status der Eltern ein entscheidender Faktor für den Schulabschluss der Jugendlichen. Wer in unteren Gesellschaftsschichten aufwächst, kommt nicht weit. Ausdrücklich kritisieren die Studienautoren den „Widerstand der Konservativen und das Blockadepotenzial der Lehrergewerkschaft“, die eine Reform verhindert haben. Schraad-Tischler verweist darauf, dass in Österreich noch immer eine Schule mit einer längeren gemeinsamen Eingangsphase verhindert werde, obwohl sich das Modell in vielen anderen Ländern längst bewährt habe.

Populismus hemmt Integration

Durch die Flüchtlingswelle sind Deutschland, die Schweiz und Österreich mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Noch ist es laut den Bertelsmann-Experten zu früh, sich ein endgültiges Bild zu machen. Allerdings werde bereits deutlich, dass die österreichische Politik auch hier nachhaltige Lösungen selbst blockiere. Mit Hinweis auf die „einwanderungsfeindlichen Kräfte der FPÖ“ betont Projektleiter Schraad-Tischler, „dass populistische Tendenzen einen konstruktiven Zugang behindern“.

Österreich bleibe auf Zuwanderung angewiesen, die politische Führung des Landes sollte deshalb auch die Chancen in den Vordergrund stellen, statt zu schweigen, weil Einwanderungsgegner die öffentliche Debatte dominieren. Konkret wird in der Studie kritisiert, dass der im internationalen Vergleich schwierige Zugang zur Staatsbürgerschaft ein Integrationshemmnis darstelle. Außerdem gebe es keine Chancengleichheit für Kinder von Zuwanderern im österreichischen Bildungssystem.

In der Haushaltspolitik kommt Österreich gar nur noch auf Platz 27 von 41 untersuchten Ländern. Eine „echte Reduzierung des vergleichsweise hohen Schuldenstands in Höhe von 86 Prozent der Wirtschaftsleistung“ sei derzeit nicht in Sicht, heißt es. Ähnlich wie in den Berichten der EU-Kommission wird das heimische Pensionssystem auch in dieser Studie als nicht tragfähig bewertet. Trotz leichter Fortschritte beim tatsächlichen Antrittsalter seien Reformen auch hier wegen „starrer politischer Interessen“ nicht durchsetzbar.

(C) DiePresse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2016)

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