Ein Bakterien-Livebericht aus dem Kofferraum

Symbolbild Labor
Symbolbild LaborDie Presse/Clemens Fabry
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Er passt ins Auto und sendet Messdaten via Internet: Der in Österreich entwickelte Coliminder reduziert die Nachweisdauer von bakterieller Belastung im Wasser von 24 Stunden im Labor auf 15 Minuten am Einsatzort.

Wolfgang Vogl, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens Vienna Water Monitoring Solutions (VWM), rückte am Freitag vergangener Woche in Zwerndorf (Bezirk Gänserndorf), dem Hauptsitz von VWM, um 8 Uhr früh mit dem von ihm und seinem Team entwickelten Coliminder aus. In einem halben Tag maß er die Qualität der March, des Weidenbachs, des Donaustroms, des Entlastungskanals der Donau, des Liesingbachs, des Marchfeldkanals und des Rußbachs.

Die Tests sind wichtig, denn Bakterien im Wasser können der Gesundheit schaden. Mögliche Folgen reichen von leichtem Durchfall oder Übelkeit bis schlimmstenfalls zum Tod – verunreinigtes Wasser ist weltweit eine der Haupttodesursachen. Kinder und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sind am häufigsten betroffen.

Oft sind es menschliche und tierische Fäkalien, die das Wasser verschmutzen. Als Indikator dafür wird das Bakterium Escherichia coli, kurz E. coli, verwendet. Dieses war daher der erste Zielorganismus für Vogl. Mit dem Coliminder kann er nach zweijähriger Entwicklung die Belastung des Wassers mit E.-coli-Bakterien automatisch und in 15 Minuten messen. Dafür wurde er mit Innovationspreisen in Österreich, Abu Dhabi und jüngst bei der Fachmesse für Wassermanagment, der International Water Week in Singapur, ausgezeichnet. Im Oktober will er sich bei einer ähnlichen Veranstaltung in Nevada, USA, erneut der Konkurrenz stellen.

Stoffwechsel der Bakterien

Bislang konnte nur im Labor gemessen werden. Proben vom Wasser müssen dort auf Nährböden oder Agarosegel angezüchtet und inkubiert werden. Die Bakterien wachsen auf diesen Nährböden bei bestimmter Temperatur 24 bis 72 Stunden, je nachdem, welches die Forscher finden wollen. Diese Vermehrung der Bakterien ist die standardisierte Mess- und Nachweismethode. „Das Wachsen im Labor dauert eben seine Zeit. Wir haben uns aber auf die direkte Eigenschaft lebender Bakterien konzentriert: den Stoffwechsel“, sagt Vogl.

Wesentlich für diesen sind Enzyme, die chemische Reaktionen beschleunigen und lenken. Der Coliminder misst deren Aktivität: Je höher sie ist, desto höher ist auch die bakterielle Belastung des Wassers. Diese könne so quasi in Echtzeit bestimmt werden, das erlaube eine schnelle Reaktion auf eine Verkeimung, sagt Vogl. Das mobile Gerät passt bequem in den Kofferraum und wertet noch während der Fahrt automatisch die Ergebnisse aus und überträgt sie via Internet zum Server, wo die Ergebnisse über eine Webpage abrufbar sind. Bei Bedarf sendet es Benachrichtigungen auch an das Handy. Primär ist das Gerät aber zum stationären Betrieb, etwa bei der Überwachung und Steuerung von Wasserbehandlungsprozessen, gedacht.

Wie Waagen geeicht

Der Coliminder kann überall eingesetzt werden, egal, ob es um Trink- oder Badewasser geht, die Getränke und Lebensmittelproduktion oder Pharmaindustrie. Noch gehört diese Messung nicht zu den Standardmethoden. Da die Geräte aber „wissenschaftlich genau definierte Werte liefern und wie Waagen geeicht werden können, ist das wohl nur eine Frage der Zeit“, sagt Vogl. Das Ergebnis seines Ausfluges am vergangenen Freitag: Die Neue Donau war am geringsten belastet, also jenes Gewässer, in dem geschwommen wird.

In Zahlen

21 000 Teilnehmer nahmen dieses Jahr an der Singapure International Water Week teil. Dort errang das Wiener Unternehmen VWM mit dem Coliminder zur Messung der Keimbelastung im Wasser den Sieg der Innovation Competition.

24–72 Stunden dauert der Nachweis von Bakterienbelastung des Wassers im Labor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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