Machtprobe in der Regierung um Asyl und Steuern

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Die ÖVP schwört sich für den Herbst auf finanzielle Entlastungen bei der kalten Progression und der Mindestsicherung ein. Für die Koalitionschefs von Rot-Schwarz wird das zum Härtetest.

Wien. In der SPÖ-ÖVP-Koalition fallen in den kommenden acht Tagen wichtige Vorentscheidungen, ob SPÖ und ÖVP bis zum regulären Nationalratswahltermin 2018 zusammenarbeiten werden oder ob bereits im Frühjahr 2017 vorzeitig gewählt wird. Morgen, Dienstag, liefern die fünf von der Regierung im Mai eingesetzten Arbeitsgruppen zu Wirtschaft und Arbeit, Sicherheit und Integration, Bildung, Entbürokratisierung, Forschung und Technologie Zwischenberichte im Ministerrat.

Noch wichtiger wird der kommende Wochenbeginn: Der ÖVP-Bundesparteivorstand legt am Sonntag, den 4. September, den Kurs für die Verschärfungen des Asylgesetzes und bei der Mindestsicherung fest. Am Dienstag darauf beraten dann SPÖ-Präsidium und Bundesparteivorstand das weitere Vorgehen.

Klärung heuer im Herbst: Vorzeitige Neuwahlen im heurigen Herbst gelten wegen des Terminkalenders als ausgeschlossen. Rot und Schwarz warten den Ausgang der Bundespräsidentenstichwahl am 2. Oktober ab. Danach wäre wegen des Fristlaufs eine Neuwahl nur mehr – wie zuletzt 1995 – im Advent unmittelbar vor Weihnachten möglich. Allerdings dürfte sich, wie der steirische Landeshauptmann, Hermann Schützenhöfer (ÖVP), am Samstag im „Presse“-Interview betont hat, im Spätherbst klären, ob die Fortsetzung der SPÖ-ÖVP-Regierung bis 2018 noch sinnvoll ist – auch wenn die FPÖ in Umfragen deutlich vorn liegt.

Offenbarungseid für Kern und Mitterlehner: Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der wegen der matten Umfrageergebnisse für die ÖVP seinerseits innerparteilich unter Druck steht, wird Parteivorstand und Bundesparteileitung am kommenden Sonntag und Montag darauf einschwören, den Koalitionspartner und Bundeskanzler/SPÖ-Chef Christian Kern zu Entscheidungen in für die Sozialdemokraten heiklen Bereichen zu treiben. Kern soll demnach bei einer strengeren Flüchtlingspolitik, bei den Verschärfungen der Mindestsicherung, bei strengeren Asylgesetzen, in der Steuerpolitik (Entlastung von der kalten Steuerprogression für alle Einkommensgruppen) und in Wirtschaftsfragen (flexible Arbeitszeiten) Klärungen herbeiführen. Kern müsste sich damit auch bei SPÖ-internen Vorbehalten deklarieren. Umgekehrt gibt es in der ÖVP Erwartungen, dass Vizekanzler Mitterlehner bei Entlastungen für Wirtschaft und Steuerzahler etwas weiterbringt.

Mindestsicherung: Mitterlehner und die ÖVP drängen auf eine Klärung bei Verschärfungen und Einschränkungen des Sozialgeldes für Asylberechtigte und Ausländer, die noch nicht fünf Jahre in Österreich leben. Nur im Fall, dass die SPÖ bei strengeren Regeln mitmacht, ist die ÖVP bereit, als letztes Mittel einer Wohnsitzpflicht zur verpflichtenden Aufteilung von Flüchtlingen mit Asylstatus auf die Bundesländer zuzustimmen (siehe auch Seite 4). Beim 1500-Euro-Limit für die Mindestsicherung ist die ÖVP unter Federführung Mitterlehners der SPÖ mit einer Kompromissvariante schon entgegengekommen: Wohnkosten können als Sachleistungen unter bestimmten Bedingungen Beziehern des Sozialgeldes zusätzlich abgegolten werden. Eventuell noch diese Woche fällt in einem Gespräch Mitterlehners mit Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) die Entscheidung über das weitere Vorgehen. Stöger hat ein Druckmittel in der Hand: Sollte es keinen Kompromiss über eine bundesweit einheitliche Regelung der Mindestsicherung ab 2017 geben, müssten die Bundesländer Kosten im zweistelligen Millionenbereich für die Krankenversicherung der Bezieher selbst tragen – und nicht mehr wie bisher der Bund.


Asylverschärfung/Notverordnung: Bis 6. September wird regierungsintern die weitere Vorgangsweise bei der an sich vereinbarten Notverordnung zur Einhaltung der Asylobergrenze von heuer 37.500 Personen entschieden. Die ÖVP muss intern erst in Absprache mit Justizminister Wolfgang Brandstetter klären, welche der sich zuletzt häufenden Vorschläge von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) für ein strengeres Asylrecht tatsächlich im Herbst in Angriff genommen werden. Die Palette der Ideen reichte dabei von strafrechtlichen Konsequenzen statt Verwaltungsstrafen für Personen, die illegal in Österreich aufgegriffen werden, bis zu einem Verschleierungsverbot. Diesem steht Bundeskanzler Kern, wie er am Sonntag im ORF-Radio erklärt hat, ablehnend gegenüber. Das Verbot würde nur wenige betreffen, wichtiger seien Integrationsmaßnahmen.

Weitere Infos:www.diepresse.com/regierung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2016)

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