Mitterlehner: "Stehe niemandem im Weg"

Reinhold Mitterlehner zu Gast bei den ORF-Sommergesprächen mit Susanne Schnabl.
Reinhold Mitterlehner zu Gast bei den ORF-Sommergesprächen mit Susanne Schnabl.APA/GEORG HOCHMUTH
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Löst Sebastian Kurz ÖVP-Chef Mitterlehner noch vor der nächsten Nationalratswahl ab? Mitterlehner schließt das in den ORF-Sommergesprächen nicht aus. Kurz dagegen sagt: „Das reizt mich nicht.“

Wien. Gerade einmal zwei Jahre ist es her, dass Michael Spindelegger als ÖVP-Chef entnervt das Handtuch geworfen hat. Beständige Kritik der Partei-„Freunde“ aus den Bundesländern hatten den Vizekanzler zermürbt, bis er von einem Tag auf den anderen seine politische Karriere beendete. Reinhold Mitterlehner übernahm – und galt recht bald als der neue Hoffnungsträger der Volkspartei.

Und heute? Reinhold Mitterlehner ist der seltene Fall eines Politikers, der schon Geschichte zu sein scheint, obwohl er sich noch im Amt befindet. Natürlich: In den ORF-Sommergesprächen Montagabend wurde Mitterlehner als ÖVP-Parteichef befragt. Und die Sitzungen der Parteigremien – der nächste Bundesparteivorstand findet am Sonntag statt – leitet er auch. Aber jeder weiß: Außenminister Sebastian Kurz wäre der logische Nachfolger – obwohl er am Montag genau dieses dementierte: „Das reizt mich nicht“, sagt Kurz in Alpbach.

Wann sticht das „Trumpf-Ass“?

Aber Dementis hat man in der Politik schon viele gehört. Und in der ÖVP setzen viele auf Kurz. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer – ein Schwergewicht in der Partei – hat erst am Samstag in der „Presse“ Kurz als „Trumpf-Ass“ bezeichnet, bei dem man aber sehr genau überlegen müsse, wann man es ausspielt. Solche Aussagen sind natürlich eine öffentliche Demütigung des Parteichefs (wie sie der Tradition der ÖVP entsprechen) – allerdings mit einem realistischen Kern: Kurz wird sich sehr gut überlegen, zu welchem Zeitpunkt er die Parteiführung übernimmt. Idealerweise wird das wohl wenige Monate vor der nächsten Wahl sein. Diesen Zeitplan könnte nur Mitterlehner zu Fall bringen, wenn er selbst das Handtuch wirft.

Aber das ist derzeit noch nicht der Fall. Auch wenn Mitterlehner in den ORF-Sommergesprächen seine Führungsrolle nicht sehr energisch betont hat. Er lobte Kurz („Jede Partei kann froh sein, wenn sie solche Talente in ihren Reihen hat“) und relativierte die Bedeutung des „Trumpf-Ass“: „Beim Kartenspielen gewinnt man nicht nur mit einer Karte.“ Aber er wollte nicht ankündigen, dass er als Spitzenkandidat in die nächste Wahl gehen wird. Das werde man zur gegebenen Zeit entscheiden. Er sei aber niemand, der einem anderen im Weg stehen würde. Eine Kampfansage sieht anders aus.
Dass Mitterlehner selbst noch das Ruder herumreißen kann, glaubt man in der ÖVP nicht mehr. Nach einer verlorenen Präsidentschaftswahl, bei der ÖVP-Kandidat Andreas Khol nur knapp über zehn Prozent kam und peinlicherweise die Stichwahl klar verpasste, sprechen auch die Umfragedaten klar gegen den amtierenden Parteichef. Die ÖVP wird von den Meinungsforschern nur noch um die 20 Prozent eingeschätzt, klar hinter der FPÖ und auch hinter der SPÖ, die sich nach dem Führungswechsel von Werner Faymann auf Christian Kern langsam erholt.

Kurz hat das inhaltliche Kommando

Was die inhaltliche Ausrichtung der Regierungsarbeit betrifft, hat Sebastian Kurz längst das Kommando übernommen. Beim Thema Asyl hat er praktisch im Alleingang für eine Schließung der Grenzen gesorgt, beim Thema Asyl hat er jetzt nachgelegt: Ein-Euro-Jobs für anerkannte Flüchtlinge und ein Burkaverbot – das entspricht jenem kantigen konservativen Kurs, mit dem Kurz bei der nächsten Wahl sowohl gegen den Koalitionspartner als auch gegen die FPÖ erfolgreich sein könnte.

Unterstützung bekommt der Hoffnungsträger in der ÖVP dabei von Innenminister Wolfgang Sobotka: Der routinierte niederösterreichische Politiker hat in den vergangenen Wochen ein wahres Stakkato an Ideen für Gesetzesänderungen abgefeuert – mit dem Ziel, die ÖVP als „Law & Order“-Partei zu positionieren. Dazu kommt Klubchef Reinhold Lopatka, der auf Konfrontationskurs zur SPÖ geht. Mitterlehner, der aus der Tradition der Sozialpartnerschaft kommt und dementsprechend für pragmatische Lösungsansätze in der Koalition SPÖ steht, betonte in den Sommergesprächen zwar, dass alles mit ihm abgesprochen war. Doch in Wahrheit scheint er dem Kurswechsel in seiner eigenen Partei nur staunend zuzusehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2016)

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