Ein abgesagtes Hunderennen und eine SMS

MINISTERRAT: KERN
MINISTERRAT: KERN(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Bundeskanzler Kern trägt das Pressefoyer in der bisherigen Form zu Grabe. Die rot-schwarze Koalition gibt sich selbst den Lieferauftrag für Ergebnisse: Ab Oktober soll die Erntezeit von der Integration bis zur Wirtschaft sein.

Wien. „Lernen'S Geschichte, Herr Reporter.“ Solch grantelnde Belehrungen, wie einst unter Bundeskanzler Bruno Kreisky für einen durchaus kenntnisreichen ORF-Radiojournalisten, wird es so bald nicht mehr geben. Fragen, die einem Regierungschef und seinem Vizekanzler unangenehm sind, bei derartigen Gelegenheiten auch nicht mehr. Einer der Nach-Nachfolger Kreiskys, Christian Kern, macht anno 2016 für das Pressefoyer nach dem Ministerrat am Dienstag in der bisherigen Form Schluss. Nicht mehr der Bundes- und Vizekanzler werden Rede und Antwort stehen, sondern die Regierungskoordinatoren.

Kurz-Stimmrecht bei Doskozil

Beim ersten Ministerrat nach der Sommerpause war alles ein bisschen anders. Mit weitreichenden Beschlüsse konnte die SPÖ-ÖVP-Bundesregierung zwar nicht aufwarten, die 41 Tagesordnungspunkte waren vor allem dem Umstand geschuldet, dass es wochenlang keinen Ministerrat gegeben hat. Auffallend war nur, dass viele ÖVP-Regierungsmitglieder fehlten, nur vier waren da. Besonders pikant war, dass der fehlende Außen- und Integrationsminister, Sebastian Kurz, das Stimmrecht im Ministerrat an einen SPÖ-Minister, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, abgetreten hatte.

Neu war das Arrangement im Kanzleramt. Nach Kerns Amtseintritt im Mai stellte sich die Regierungsspitze vor dem Bild von Maria Theresia im Steinsaal den Fragen. Nun kehrt die Regierung zur Verkündung der Ergebnisse in den weitaus repräsentativeren Kongresssaal zurück, die Berichterstatter um runde Tische versammelt, die Kameraleute und Fotografen in einem Sicherheitsabstand am Saalende. Vorn ein schnörkelloses, schlankes Podium mit vier Mikrofonen, dahinter links und rechts die Österreich- und EU-Fahnen. Dazu nicht mehr wie bisher Kanzler und Vizekanzler, sondern die Regierungskoordinatoren sitzend als Auskunftspersonen.

Die Regierungsspitze ist wie andere vor ihr unglücklich, dass sie beim Pressefoyer zu allem und jedem Rede und Antwort stehen soll, was auch ein bisschen Medienshow-Charakter hatte. „Ich sehe mich nicht unbedingt verpflichtet, in diesem Hunderennen eine Rolle zu spielen“, formulierte es Kern – noch auf dem Weg in den Ministerrat. Statt des nun abgesagten Hunderennens wird Kern nach der nächsten Kommunikationsfasson in einem „Kanzlerblog“ zur Verfügung stehen. Kritisch zu fragen werde damit weiter möglich sein.

Ihr Debüt im neuen Ambiente im Kongresssaal gaben Regierungskoordinator Kanzleramtsminister Thomas Drodza (SPÖ) und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), Letzterer als Vertreter des in Alpbach weilenden ÖVP-Regierungskoordinators Harald Mahrer. Die beiden haben klargestellt, dass die Koalition nach streitreichen Sommerwochen die Schlagzahl bei der Sacharbeit erhöhen wird.

Thema Kurz knapp abgefertigt

Die Asylnotverordnung wird kommende Woche in Begutachtung geschickt (siehe nebenstehenden Bericht). Im Oktober folgen längere Ministerräte, bei denen die eingesetzten Arbeitsgruppen zu Sicherheit und Integration, Bildung, Wirtschaft, Entbürokratisierung und Forschung Ergebnisse vorlegen sollen. Schelling dazu: „Die Verpflichtung der Bundesregierung ist, nicht anzukündigen, sondern zu liefern.“ Beide schwärmten von der positiven Grundstimmung.

Aber dann waren sie wieder da, die lästigen Fragen. Ob er glaube, dass Kurz bald ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner ablösen werde? „Nein“, so Schelling knappest. Ob es wieder eine SMS aus St. Pölten gegeben habe. Schließlich hatte Kern sich vor Wochen darüber lustig gemacht, dass Innenminister Wolfgang Sobotka vom „Paten“ aus Niederösterreich im Ministerrat ein SMS erhalten hat. „Meine Frau hat mir eine geschickt“, so Schelling, der aus St. Pölten kommt. SPÖ-Mann Drozda merkt dazu nur an: „Nächste Frage, bitte!“

ZEITPLAN

Regierungsvorhaben. Bis zum Ministerrat am 6. September werden SPÖ und ÖVP den Entwurf zur Asylnotverordnung fertigstellen und dann vier Wochen in Begutachtung schicken. Sie liegt damit für Herbst vor. Ebenfalls am Dienstag wird eine Punktation zu den fünf im Mai eingesetzten Arbeitsgruppen (Bildung, Sicherheit und Integration, Wirtschaft und Arbeitsplätze, Entbürokratisierung, Forschung und Technologie) fixiert. Im Oktober werden die Vorhaben bei längeren Ministerratssitzungen vorgelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2016)

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