Wahlkarten: Klebefehler tritt zeitverzögert auf

APA/GEORG HOCHMUTH
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Die Wahlkarte kann sich - trotz Überprüfung - nach der Stimmabgabe öffnen. Das heißt: Praktisch kein Wähler kann sichergehen, dass seine Stimme bei der Stichwahl tatsächlich zählt. Im Ministerium ist man ratlos.

Die Stimme einer Dornbirnerin für die Bundespräsidentenstichwahl am 2. Oktober ist verloren - und das aufgrund eines schadhaften Kuverts für ihre Wahlkarte. Da sie die Wahlkarte bereits unterzeichnet hat, kann sie das Kuvert nicht mehr umtauschen. Ein Umtausch ist durch die gesetzlichen Bestimmungen ausgeschlossen. Denn diese sehen vor, dass nur solche Wahlkarten an die Gemeinde retourniert werden können, "die noch nicht zugeklebt und bei denen die eidesstattliche Erklärung noch nicht unterschrieben wurde". Die Vorarlbergerin hatte das Kuvert zugeklebt und es einen Tag zu Hause liegen gelassen. Erst am Tag nach dem Schließen ging es an der Seite auf, und auch die Lasche, mit der sie die Wahlkarte geschlossen hatte, löste sich.

Die Wählerin fühlt sich nun um ihre Stimme betrogen. "Es ist ein Wahnsinn, das Ganze ärgert mich unheimlich", sagt die Dornbirnerin – und ist damit nicht alleine. Eine Frau aus Wien-Ottakring erhielt vor zwei Tagen ihre Wahlkarte und überprüfte diese auf Mängel: "Sie war okay," der Kleber hielt. Die Frau füllte den Wahlzettel aus, verschloss das Kuvert und unterschrieb es. Am Mittwoch aber, als sie die Wahlkarte vor dem Gang zum Postkasten aus der Tasche nahm, war sie "auf einer Seite offen". Und heute, Donnerstag in der Früh, hatte sich auch die zweite Seite gelöst. Die Stimme der Wählerin ist somit verwirkt, denn laut Gesetz darf man seine Stimme nur einmal abgeben, das hat sie getan, allerdings mit einer - wie sich erst nachträglich herausstellte - ungültigen Wahlkarte.

Konkret bedeutet das: Trotz Überprüfung kann praktisch kein Wähler sichergehen, dass seine Stimme auch wirklich bei der Bundespräsidenten-Stichwahl zählt. Denn selbst, wenn die Karte in Ordnung ist, wenn man sie in den Briefkasten wirft oder bei der Wahlbehörde abgibt, könnte der Klebefehler danach offenbar immer noch auftreten.

Innenministerium: „Der Gesetzgeber hat nichts vorgesehen“

Am Donnerstagmittag bestätigte dann auch das Innenministerium, dass der Klebefehler zeitverzögert auftreten kann. Ein "neues Phänomen, mit dem wir seit gestern Abend konfrontiert werden", hieß es aus dem Ressort von Minister Wolfgang Sobotka (ÖVP). "Wenn ich als Wähler alles richtig gemacht habe, und die geht erst nachher auf - das gab es bisher nicht", sagte ein eher ratlos wirkender Ministeriumssprecher. "Dafür hat auch der Gesetzgeber nichts vorgesehen, weil man damit nicht gerechnet hat." Dass Wähler im Ungewissen gelassen werden, ob sie überhaupt eine gültige Stimme abgegeben haben, "das kann's nicht sein", hält er aber fest.

Man arbeite weiter gemeinsam mit der Druckerei "auf Hochdruck" an der Ursachenforschung, versichert das Ministerium. Noch aber sei es "zu früh" für eine schlüssige Diagnose. Auch eine Kulanzlösung für den nahenden Urnengang wurde zunächst ausgeschlossen.

ÖVP-Justizsprecher Wolfgang Gerstl fand es am Donnerstag im Ö1-“Mittagsjournal“ nicht gut, dass jemand sein Wahlrecht verliert, obwohl er selbst alles richtig gemacht hat – der Fehler eben bei einer Firma liegt. Vor einer Kulanzlösung warnt auch er. Stichwort: möglicher Anfechtungsgrund. Für die Zukunft sollte es aber eine Regelung geben, die es Personen in solchen Fällen ermöglicht, neuerlich zu wählen. Ähnlich sieht das auch SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann. Er sei dafür, dass man „alles unternimmt, damit diese Personen trotzdem zur Wahl gehen können.“ Für den nahenden Urnengang werde sich das aber wohl nicht ausgehen.

(APA/Red.)

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