Mehr Arbeitslose verkleinern das Pensionsloch

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Steigende Querfinanzierung durch Arbeitsmarktservice und Familienfonds hilft Regierung und Sozialminister beim Kaschieren des Bundeszuschusses zu den Pensionen. Die Neos kritisieren ein "Verschleiern" der Probleme.

Wien. Die Rekordarbeitslosigkeit in Österreich mit zuletzt 389.000 beschäftigungslos gemeldeten oder in Schulungen befindlichen Personen bringt die Bundesregierung und Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) politisch unter enormen Druck. Zugleich profitieren Regierung und Ressortchef beim Bundeszuschuss zu den Pensionen kurzfristig sogar vom Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Der Grund: Es müssen viel höhere Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung, aber auch aus dem Familienfonds an die Pensionsversicherung abgeliefert werden. Damit werden mit Hunderten Millionen Euro Lücken bei der Pensionsfinanzierung gestopft.


• „Einsparungen“ wecken Begehrlichkeiten: Noch dazu sind die tatsächlichen Einnahmen durch diese Form der Querfinanzierung wesentlich höher ausgefallen, als sie vom Sozialminister veranschlagt waren (siehe Grafik). Allein 2015 kamen rund 400 Millionen Euro mehr herein. Diese „Einsparungen“ beim Zehn-Milliarden-Zuschuss aus dem Budget zu den Pensionen wecken sofort, wie eben jetzt, Begehrlichkeiten, die Pensionen stärker als um die für 2017 gesetzlich vorgesehenen 0,8 Prozent zu erhöhen. Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker, der nun die genauen Daten dazu aus einer Anfragebeantwortung von Sozialminister Stöger erhalten hat, spricht deswegen von einer „Verschleierung“ des tatsächlichen Pensionsaufwandes. Außerdem werde mit dieser Methode, die Pensions- auf Kosten der Arbeitslosenversicherung zu „sanieren“, der Spielraum des Sozialministers bei der Arbeitsmarktpolitik verkleinert.


• 102 Prozent mehr Beiträge abgeliefert. Grundsätzlich werden, wie gesetzlich vorgesehen, von der Arbeitslosenversicherung für Arbeitslose und Notstandshilfebezieher Beiträge an die Pensionsversicherung überwiesen. Aus dem Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) fließen Beiträge zur Pensionsversicherung für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten der Mütter auf die Pension. Bemerkenswert ist dabei, wie aus dem Zahlenmaterial Stögers hervorgeht: Die Überweisungen von der Arbeitslosen- zur Pensionsversicherung sind im Zeitraum von 2005 bis 2015 um 102,6 Prozent auf 1,46 Milliarden Euro gestiegen.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat in seinem Bericht zum Gebarungserfolg beim Budget 2015 darauf hingewiesen, dass die Pensionszahlungen um 285,7 Millionen Euro niedriger als veranschlagt ausgefallen sind. Das geht nach seiner Darstellung auch auf die höheren Beiträge für Teilversicherte, dazu zählen die Arbeitslosen, zurück.


• Höhere Einnahmen als veranschlagt: Auffallend ist außerdem, dass die Pensionsbeiträge aus Arbeitslosenversicherung und Familienfonds, wie die Antwort auf die Neos-Anfrage zeigt, speziell in den Jahren 2014 und 2015 in der Endabrechnung deutlich höher als veranschlagt ausgefallen sind. Im Vorjahr kamen rund 400 Millionen Euro mehr herein, 2014 war es rund 200 Millionen Euro mehr. In der Vergangenheit war es teilweise umgekehrt gewesen: Die Einnahmen lagen etwas unter den im Budget veranschlagten Werten.


• Steigenden Einnahmen bis 2020: Der Sozialminister listet in seiner Antwort auf die parlamentarische Anfrage auf, dass in den kommenden Jahren bis 2020 weiter steigende Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung und dem Familienfonds zu den Pensionen prognostiziert seien. Bei den Überweisungen des Arbeitsmarktservice (AMS) wird für heuer mit 1,38 Milliarden Euro gerechnet, im Jahr 2020 mit 1,65 Milliarden Euro. Beim Familienfonds wird – auch wegen der seit 2010 erhöhten Anrechnung der Kindererziehungszeiten – für 2019 und 2020 das Überschreiten der Milliardengrenze bei den Beiträgen an die Pensionsversicherung prognostiziert. Auch von Experten und vom ÖVP-Seniorenbund gibt es seit Längerem die Forderung, mehr Transparenz beim Bundeszuschuss zu den Pensionen zu schaffen. Am System selbst hält Stöger fest: „Eine Änderung der bestehenden Rechtslage ist von meiner Seite nicht angedacht.“


• Kritik der Neos: Neos-Parlamentarier Loacker wirft dem Sozialministerium vor, die Überweisungsbeiträge würden seit 2013 zu niedrig angesetzt, um sich dann am Ende des Jahres das Pensionsbudget mit den höheren Einnahmen „schönzurechnen“. Mit Blick darauf, dass Sozialminister Stöger jetzt wieder mit Forderung nach weiteren Reformschritten bei den Pensionen konfrontiert ist, kämen ihm somit rein finanziell betrachtet die steigenden Arbeitslosenzahlen gerade recht, so Loacker.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2016)

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