Wie ein Tropfen ins Wasser fällt

Chris Wojtan
Chris Wojtan(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Computergrafiker Chris Wojtan erschuf die bisher detaillierteste Darstellung von Wasserwellen in Computersimulationen. Kreativität ist in seinem Leben seit jeher wichtig.

Als ich ein Kind war, liebte ich Zeichnen und Kunst: Mir gefiel die Idee, dass ich eine Welt nach meinen Vorstellungen neu erschaffen kann“, sagt Chris Wojtan. Der junge US-Amerikaner kam 2011 nach Österreich, um am Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg die Forschungsgruppe Computer Graphics aufzubauen. Mit 29 Jahren wurde er zum bislang jüngsten Assistant Professor an das im Aufbau befindliche Institut berufen, zu Beginn dieses Jahres zum Professor ernannt. Auch seine Frau, Olga Symonova, kam aus Atlanta mit nach Österreich und begann als PostDoc bei Informatiker Herbert Edelsbrunner am niederösterreichischen Exzellenzinstitut.

„Das Forschungsumfeld hier ist fantastisch, so frei und offen. Auch die Forschungsgelder sind dank eines Starting Grants des Europäischen Forschungsrates ERC großzügig. Dadurch, dass das Institut anfangs noch klein war, kommt man hier mit Forschern aller Disziplinen ins Gespräch. Durch die enge Kommunikation ist aus mir ein besserer Lehrer geworden“, sagt Wojtan. Das schätzt er am Forscherleben besonders: „Ich bin so stolz, wenn ich sehe, wie meine Studenten wachsen und selbst lernen, Probleme zu lösen. Am Ende bin ich es, der von ihnen lernt. Und außerdem ist Österreich so ein schöner Ort, man lebt hier sehr sicher.“

Gitarre spielen für die Familie

Inzwischen haben Wojtan und seine Frau eine dreijährige Tochter, die Familie genießt das Leben zwischen Stadt und Land. „Mit Freunden am IST Austria spiele ich regelmäßig Ultimate Frisbee, ein Mannschaftsport mit Frisbee-Scheibe statt eines Balls“, erzählt Wojtan. Früher betrieb er viel Kampfsport, Martial Arts, doch dafür bleibt dem Familienvater und Professor heute wenig Zeit.

„Was ich immer noch gern mache, ist, zuhause Gitarre zu spielen und auch Lieder für meine Familie zu schreiben“, sagt Wojtan. Das Kreative begleitet ihn seit seiner Kindheit: Nach dem Zeichnen mit Malstiften begann er schon bald, am Computer Programme und eigene Spiele zu erstellen. „Und in der High School habe ich mich in die Physik verliebt. Denn so kann man die Welt auf einem anderen Weg beschreiben: durch Mathematik.“ Erst als er an der University of Illinois in Champaign, bei Chicago, das Fach Computer Graphics belegte, bemerkte Wojtan, dass er damit all seine Leidenschaften vereinen kann. „Computergrafik lässt dich die ganze Welt neu beschreiben – durch Berechnungen: Man kann damit sogar die Naturgesetze verändern. Bis heute ist dieses Fach ein riesiger Spielplatz für mich.“

Sein Fokus liegt nun auf der Simulation von Naturphänomenen. So einfache Dinge wie ein Wassertropfen, der in einen Teich fällt, sind grafisch schwierig darzustellen: Der Tropfen verformt sich, es entstehen dünne Spindel, die wiederum aufbrechen und jeweils hunderte kleine Tröpfchen aufspritzen lassen. Jedes der Tröpfchen wiederholt den Prozess, was zu einer Kaskade von immer kleiner werdenden Tröpfchen und Wellen führt. Dazu kommen Luftbläschen, die unter den Tropfen ins Wasser hineingezogen werden und wieder an die Oberfläche sprudeln.

Dieser Vorgang dauert in einem Computer-animierten Film nur Bruchteile von Sekunden, der Rechenvorgang, um die Bilder zu erschaffen, dauert oft Monate. „All solche Simulationen sind langwierig und kostenintensiv“, sagt Wojtan. Sein Team nutzt daher Mathematik, um Zeit und Kosten zu sparen. „Wir berechnen Dinge sehr genau, bevor wir sie in den Computer einbringen. Die von uns erstellten Codes sind intelligent, sodass der Computer in kurzer Zeit hochkomplexe und wunderschöne Formen kreieren kann, für die ein Computer mit einem simplen Code lange arbeiten müsste.“

Wissen für Erdbebensicherheit nutzen

Auf diese Weise können die Computergrafiker Darstellungen abbilden, die bisher unmöglich waren. So gelang dem Team aus Klosterneuburg die bisher detaillierteste Simulation von Wasserwellen. „Jede Neuheit in unserem Fach ist stets das Beste, das man je gesehen hat. Dann muss man weitermachen, um noch mehr ins Detail zu gehen und noch besser zu werden“, sagt Wojtan.

Die schnellste Anwendung finden neue Grafiken meist in Computer- oder Videospielen, in Virtual Reality oder Spezialeffekten in Filmen. Sie nutzen physikalische Simulationen, die optisch überzeugen, aber bei der Bilderstellung kaum Zeit verbrauchen. „Unsere Physik-Simulationen helfen aber auch Ingenieuren bei der Verbesserung von effizienten Verbrennungsmotoren. Oder wir erhöhen die Sicherheit, wenn wir Gebäude simulieren und sichergehen, dass es bei einem Erdbeben nicht auseinanderfällt.“

ZUR PERSON

Chris Wojtan wurde 1981 in Illinois, USA, geboren und studierte Computerwissenschaften an der University of Illinois in Urbana-Champaign. Seinen PhD machte er am Georgia Institute of Technology in Atlanta. Seit 2003 heimste Wojtan unzählige Preise und Stipendien ein, auch für seine Dissertation im Jahr 2011. Zuletzt erhielt er den Significant New Researcher Award der Association for Computer Machinery im Juli 2016.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2016)

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