Länder: Ausnahmen bei Ärztearbeitszeit

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Die Finanzreferenten drängen den Bund wegen hoher Kosten zu verlängerter Übergangsfrist für Spitäler. Chefverhandler Schickhofer sagt Steuerhoheit bei Finanzausgleich ab.

Wien/Graz. In den Bundesländern wird lautstark über die finanzielle Belastung durch die Neuregelung der Ärztearbeitszeit geklagt. Das führt zu jährlichen Mehrkosten von rund 400 Millionen Euro. Im Zuge der Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über einen neuen Finanzausgleich, die am Freitag in Wien fortgesetzt wurden, kommt von der Phalanx der Länder dazu eine Forderung auf den Tisch. Der Bund soll, um einen weiteren Kostenschub zu verhindern, das Ärztearbeitsgesetz so ändern und entschärfen, dass Übergangsregeln über 2021 hinaus verlängert werden.

Der steirische Finanzreferent, Michael Schickhofer (SPÖ), der bis Ende 2016 turnusmäßig Chefverhandler der Bundesländer ist, kündigte im Gespräch mit der „Presse“ einen entsprechenden Beschluss bei der Tagung der Finanzreferenten am kommenden Dienstag in Graz an. Er begründete diesen Vorstoß damit, dass in Österreich das Gesetz, mit dem die Ärztearbeitszeit auf maximal 48 Stunden begrenzt wird, „strenger als in Deutschland“ ausgefallen sei. „Wir sollten in Österreich nicht alles schärfer vollziehen, als es die EU verlangt“, betonte er. Derzeit wird den Ländern die Möglichkeit von Übergangsbestimmungen eingeräumt. „Das Auslaufen der Frist 2021 stellt uns vor enorme Herausforderungen“, warnte der steirische Vizelandeshauptmann.

Einig bis November

Nach der Freitagsrunde ist Schickhofers Zuversicht bezüglich eines Finanzausgleichs ab 2017, der die Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu regelt, deutlich gestiegen. Er rechnet damit, bis November eine „politische Einigung“ erzielen zu können. Die gesetzliche Umsetzung würde anschließend erfolgen. Auch den Ländern sei dabei die „Verantwortung voll bewusst“, weil die Bundesregierung mit dem Finanzausgleich ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen könne.

Beim Bremsen des Kostenanstiegs bei den Gesundheitsausgaben ist es nach Informationen der „Presse“ am Freitag zu einer deutlichen Annäherung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gekommen. Demnach soll der Kostenanstieg ab 2017 gedämpft werden, also weniger stark als prognostiziert ausfallen. In den Jahren seit der letzten großen Neuregelung des Finanzausgleichs 2008 hat es im Gesundheits-, Sozial- und Pflegebereich im Schnitt jährliche Steigerungen von 6,2 Prozent gegeben.

Ein anderer Finanzbrocken liegt als Forderungspaket der Länder und Gemeinden weiter auf dem Verhandlungstisch. Weil der Bund durch neue Gesetze den anderen Gebietskörperschaften in den vergangenen Jahren zusätzliche Belastungen aufgebürdet hat, werden beim Finanzausgleich 500 Millionen Euro mehr verlangt, wie Schickhofer als derzeitiger Länder-Chefverhandler erläuterte.

Abgabenentfall als Zankapfel

Die Länder fordern außerdem, dass der Entfall ihrer Anteile durch die von der rot-schwarzen Koalition beschlossene Abschaffung der Bankenabgabe abgegolten wird. Schließlich ist gesetzlich vorgeschrieben, dass ein Drittel der Steuereinnahmen Ländern und Gemeinden zufließt. Schickhofer hat nichts dagegen, dass der Bund Mittel aus Einmalzahlung der Banken für den Ausbau der Ganztagsschulen einsetzt. Aber: „Da muss man mit den Ländern verhandeln.“

Vom Tisch sind bis November für Schickhofer Pläne einer Steuerhoheit der Länder. Und zwar wegen Aussichtslosigkeit auf eine rasche Einigung. Nicht einmal die Länder sind untereinander einig.

Hingegen bekräftigte er seinen Wunsch nach einer Kompetenzverteilung je nach Aufgabe. Damit solle man bei Bildung und Kinderbetreuung beginnen. Derzeit liegt die Aufsicht in Schulen in der Früh bei Gemeinden, die Länder sind am Vormittag für Lehrer zuständig, für die Nachmittagsbetreuung die Gemeinden. Mit den Ganztagsschulen solle die Betreuung Bundeskompetenz werden, riet Schickhofer: „Das ist jetzt meine Position.“

ZUR PERSON

Michael Schickhofer (36) ist nach der Schlappe der SPÖ bei der steirischen Landtagswahl 2015 Franz Voves nachgefolgt. Er ist Finanzreferent und Vizelandeshauptmann und führt bis Ende 2016 turnusmäßig für die Steiermark den Vorsitz bei den Länderfinanzreferenten. Ab 2017 soll es einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geben. Für den Bund verhandeln Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) und Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2016)

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