Fritz Neugebauer: Schrittweiser Abschied einer Legende

Lehrer Streik: Walter Strobl und Fritz Neugebauer
Lehrer Streik: Walter Strobl und Fritz Neugebauer(c) M. Leckel / APA-Archiv
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Als Gewerkschaftschef (zu) stark und angefeindet: Mit Fritz Neugebauer geht ein Kapitel der Geschichte der Zweiten Republik zu Ende.

Fritz Neugebauer wiedergewählt. Die Nachricht wird die Kritiker des Wieners aufschrecken. Es geht aber um die Kür zum Präsidenten der Europa-Föderation der öffentlich Bediensteten vor wenigen Tagen in Wien. Neugebauer lässt hingegen die Öffentlichkeit rätseln, ob er nach einer gefühlten Ewigkeit an der Spitze der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) im Oktober nochmals für den Vorsitz antritt. Seine Entscheidung wird er an seinem 72. Geburtstag am 10. Oktober beim Fraktionstag seiner Christgewerkschafter (FCG) verkünden. Der schrittweise Abschied einer Legende ist in den vergangenen Jahren nicht zuletzt mit dem Rückzug im Herbst 2013 aus dem Parlament und als Zweiter Nationalratspräsident ohnehin längst eingeläutet.

Dass er vor dem Gewerkschaftstag nichts verrät, gehört zu den Grundsätzen, denen sich er sich verpflichtet fühlt. „Ich mag nicht, wenn Hunderte Delegierte kommen, dass dann in der Zeitung steht, worüber sie erst abstimmen“, erläutert Neugebauer der „Presse am Sonntag“. Wie kaum ein anderer wird der oberste Beamtengewerkschafter als Bremser bei Schul- und Pensionsreformen angefeindet. Gleichzeitig wird er von seinen Gewerkschaftern als Bollwerk angehimmelt, an dem Regierungsmitglieder wie Ex-Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) mit der Forderung nach zwei Stunden mehr Unterricht zerschellt sind. Untergegangen ist dabei, dass die Gewerkschaft Sparzugeständnisse im dreistelligen Millionenbereich gemacht hat.


Allzeit kampfbereit. Der Nimbus des beinharten Verhandlers, nach dessen Pfeife die Republik tanzt, schmeichelt ihm. Es gehört zu Neugebauers Taktik, wenn Beratungen mit Ministern oder Staatssekretären stocken, nach der Einbindung von Bundes- und Vizekanzler zu rufen. Mit Kampfmaßnahmen wie Dienststellenversammlungen in Schulen war man im Vertrauen auf den hohen Organisationsgrad der einzigen schwarzen Teilgewerkschaft im ÖGB mehr als einmal zur Stelle. Im Dezember 2013 wurden an die 40.000 Menschen für eine Demonstration vor dem Kanzleramt mobilisiert, um Gehaltsforderungen Nachdruck verleihen.

Bei einer anderen Gehaltsrunde wollten Neugebauer und Kollegen erreichen, dass die Regierung mit einem Angebot herausrückt. Minutenlang schwiegen sie eisern am Verhandlungstisch, bis eine Zahl genannt wurde. Umgekehrt stand er trotz des Drucks seiner Klientel zu der beim Sparpaket 2012 vereinbarten Nulllohnrunde.

Hartes Auftreten, weicher Kern: Jedenfalls bescheinigen nicht nur Freunde, dass Neugebauer ein äußerst geselliger Mensch sei, der auf korrekte Umgangsformen Wert lege. „Im Grunde meines Herzens bin ich ein friedliebender Mensch“, gab er zu seinem 70er zu Protokoll. Er wolle an sich „keine Brösel“. Aber wehe, wenn er etwas als ungerecht empfindet – und das war oft bei Kritik an „Privilegien“ der Beamten der Fall. Das weckt seinen Kampf- und Widerstandsgeist.

Zum Harten-Hund-Image passen Bilder des bulligen Gewerkschafters mit seinem Motorrad. Dabei blieb kaum Zeit, sich auf seine Yamaha zu setzen. Das sei nur mehr „sporadisch“ der Fall. „Jetzt fahr ich mit dem Fahrrad“, erzählt er. Geografie hat der spätere Geografielehrer von Jugend an geliebt, Reisen empfindet er als Privileg. Sein Familienleben ist dem Vater zweier erwachsener Söhne und Opa mit zwei Enkelinnen heilig. Sein Faible für Operetten ist bekannt. Weniger, dass er Künstler wie Stefanie Werger („eine hervorragende Musikerin, die Lieder haben Texte mit Tiefgang“) mag.

In der ÖVP war man öfter unglücklich, dass Neugebauer mit dem Ruf als Betonierer der Partei schadet. Er findet es nicht ungewöhnlich, dass er als Gewerkschafter, der für Bedienstete etwa gegen Personaleinsparungen kämpft, derart abgestempelt wird. Das gehöre „zum Geschäft“. Aber seine Frau, mit der er seit 46 Jahren verheiratet ist, hat ihn früher gefragt, ob er das notwendig habe. Noch länger dauert die Verbindung des Lehrers, der bis 1996/97 in Wien-Brigittenau unterrichtet hat, zur Gewerkschaft. Dieser ist der Sohn einer Schneiderin, die ihn katholisch geprägt hat, und eines bürgerlichen Eisenbahnerbeamten im ersten Dienstjahr 1965 beigetreten.


Protest beim Antritt. Der Antritt als GÖD-Chef im Oktober 1997 war typisch. Nach einem peinlichen Pfeifkonzert für die Regierungsspitze ging es zum Protest vor das Parlament. Mit Rudolf Nürnberger als Chef der SPÖ-Gewerkschafter wurden die Pensionsreformpläne von Kanzler Viktor Klima gestutzt. Politisch am Zenit war er in der Ära von Kanzler Wolfgang Schüssel, der bis heute neben Ex-Unterrichtsminister Helmut Zilk eines der wenigen politischen Vorbilder ist, bis 2008/09. Da war er auch ÖAAB-Chef und Zweiter Nationalratspräsident.

Ohne Niederlagen und Schrammen ging es keineswegs ab. Als ÖAAB-Chef musste er gehen, weil sein Name zu sehr mit den Beamten verknüpft war. In einem einzigarten Streichkonzert fiel er beim ÖGB-Kongress 2007 bei der Vorstandswahl durch, weil ihm sein Ja zur Pensionsreform nach den Protesten nicht verziehen wurde. Seine Götterdämmerung in der ÖVP erlebte der bekennende Sozialpartner 2013, als das neue Lehrerdienstrecht von der Regierung ohne Sanktus der Gewerkschaft durchgezogen wurde.

Dennoch erwarten seinen Nachfolger große Fußstapfen. Als Favorit gilt der 56-jährige ÖGB-Vizepräsident Norbert Schnedl. Bis zum 10. Oktober muss auch er sich gedulden.

Langzeitchef

Zivilberuf Lehrer
Bis 1996/97 unterrichtete Fritz Neugebauer Deutsch, Geschichte, Geografie.

Gewerkschaftsvorsitz
Seit 1997 Beamtengewerkschaftschef; 2002–2013 ÖVP-Parlamentarier, 2008 –2013 Zweiter Nationalratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2016)

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