Roter Rückzieher bei Pensionsreform

Stöger und Schelling
Stöger und Schelling(c) APA/ROBERT JAEGER
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Die Entwürfe Sozialminister Stögers sind fertig: Neue Zuverdienstregeln in der Pension fehlen, Boni für längeres Arbeiten ebenso. Die Vorlage dürfte für einen Konflikt mit der ÖVP sorgen.

Wien. Knapp sieben Monate nach dem Pensionsgipfel der Regierung vom 29. Februar hat Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) Ende der Vorwoche seine Gesetzesentwürfe zu dem Maßnahmenpaket an den Koalitionspartner ÖVP und die Sozialpartner übermittelt. Darin nimmt er von einer „Bestrafung“ durch neue Pensionskürzungen bei Zuverdienst im Ruhestand Abstand. Auf ÖVP-Seite möchte man sich vor einem Treffen morgen, Mittwoch, nicht äußern. Stögers Vorlage dürfte aber für Zündstoff sorgen, wie aus einer der „Presse“ vorliegenden Information hervorgeht. Denn die Entwürfe enthalten auch nicht die vereinbarten Punkte wie den Rechtsanspruch auf Rehabilitation und die Rücknahme einer Maßnahme von Schwarz-Blau zum Eingreifen bei Finanzlücken.

1. Weiterarbeiten in der Pension: Keine „Bestrafung“, keine Erleichterung

Beim Gipfel ist vereinbart worden, dass die Pension bis zur Hälfte gekürzt werden kann, wenn jemand über das gesetzliche Pensionsalter von 60 beziehungsweise 65 Jahren hinaus weiterarbeitet. Nach Protest ging die Regierungsspitze wenig später dazu auf Distanz. Im Entwurf fehlt die Änderung. Stöger werde dieses Anrechenmodell nicht mehr weiterverfolgen, wurde der „Presse“ am Montag im Sozialressort erklärt. Für Stöger wären damit Einsparungen verbunden gewesen. Weil diese wegfallen, wird es vorgesehene Verbesserungen für längeres Arbeiten auch nicht geben. Dabei ging es vor allem um einen höheren Bonus für die Pension sowie niedrigere Pensionsversicherungsbeiträge von Dienstgebern und Dienstnehmern für Frauen im Alter von 60 bis 63 Jahren und Männer von 65 bis 68 Jahren, die noch berufstätig sind.

2. Geltende Zuverdienstlösung bleibt, günstigere Regelung für die Beamte damit auch

Eine Folge ist: Die Regelung für Zuverdienst im Ruhestand gilt weiter. ASVG-Frühpensionisten wird die Pension bei Zuerwerb über die Geringfügigkeitsgrenze von 415 Euro im Monat gestrichen, Beamte sind davon hingegen nach einem Höchstgerichtserkenntnis 2005 nicht betroffen. Überlegungen Minister Stögers für eine Harmonisierung kommen damit nicht zum Tragen.

3. Ausbau der Rehabilitation zur Eindämmung der Invaliditätspension

Unklarheit gibt es beim Maßnahmenpaket zur Rehabilitation, das im Februar-Pakt besonders viel Raum eingenommen hat, aber mit Ausnahmen eines von Stöger vorgesehenen Rechtsanspruchs auf Rehabilitation keinen Niederschlag findet. Erklärung im Sozialressort: Teilweise seien nur Verordnungen nötig, eine Wiedereingliederungsbeihilfe sei mit den Sozialpartnern ausgehandelt.

4. Kein Automatismus beim Pensionsalter, aber Entschärfung einer früheren Regelung

Der ursprünglich von der ÖVP angestrebte Automatismus, mit dem das Pensionsantrittsalter automatisch mit der Lebenserwartung steigt, war nicht Teil der Abmachung beim Gipfel. Stöger und die SPÖ sind strikt dagegen. Dafür ist in seinem Entwurf eine Regelung für einen neuen Referenzpfad vorgesehen. Damit wird ein Passus aus den schwarz-blauen Pensionsreformen geändert. Denn es gibt bereits seit 2007 ein Gesetz, das einen Mechanismus (Nachhaltigkeitsfaktor) vorsieht, um je nach Entwicklung der Pensionsfinanzierung Anpassungen des Systems vorzunehmen. Allerdings kam diese Bestimmung nicht zur Anwendung, weil es zwischen SPÖ und ÖVP und innerhalb der Sozialpartner keinen Konsens gab. Stattdessen gab es auf politischer Ebene Kompromisse über Pensionsänderungen, etwa über Verschärfungen bei Hacklerpensionen ab 2014.

5. Künftig 1000 Euro Mindestpension im Monat nach 30 Berufsjahren

Der Entwurf sieht die Sondererhöhung der Ausgleichszulagen von 883 auf 1000 im Monat für jene vor, die 30 Jahre gearbeitet haben. Um nicht die Tür für Ausländer zu öffnen, wird das auf Österreicher beschränkt.

6. Das freiwillige Pensionssplitting für Eltern wird ausgeweitet

Jener Elternteil, der sich nicht der Kindererziehung widmet und erwerbstätig ist, kann, wie vereinbart, sieben statt bisher vier Jahre pro Kind auf das Pensionskonto des zweiten Elternteils (im Regelfall die Mutter) übertragen lassen, maximal 14 Jahre. Die Pensionskommission wird verkleinert, Details werden noch mit der ÖVP besprochen. Die Gruppe soll für fünf statt vier Jahre bestellt werden und erhält neue Befugnisse, etwa zu Beamtenpensionen. Stöger möchte das Pensionspaket nach Begutachtung voraussichtlich am 8. November im Ministerrat und im Dezember im Nationalrat beschließen lassen, damit die Maßnahmen ab Jänner 2017 gelten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2016)

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