Christian Konrad: An die Grenzen gestoßen

Christian Konrad
Christian Konrad(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Ex-Manager tritt nach einem Jahr als Flüchtlingskoordinator ab. Von NGOs wird er hochgelobt, in der Regierung nicht von allen geliebt.

Die Geschichte soll sich wie folgt zugetragen haben: Im Sommer 2015 traf sich eine kleine Gruppe von NGOs und Vertretern aus dem Innenministerium in Traiskirchen. Die Situation war schlecht. Das Erstaufnahmezentrum war heillos überfüllt, rund 5000 Menschen waren obdachlos. Bilder von Kindern, die im Regen schlafen mussten, gingen durch das Land. Christian Konrad war eben von der Regierung zum Flüchtlingskoordinator ernannt worden. Er musste handeln. Das tat er auch. In einem Telefonat vor versammelter Runde wurde der Bezirkshauptmann von Baden herzitiert. Und zwar so, dass klar wurde, dass der sofort in Traiskirchen aufzutauchen habe. 20 Minuten später war er da. An dem Ort, an dem so lang nichts möglich war, wurde innerhalb kürzester Zeit ein Feldspital eingerichtet, weiters eine zentrale Spendensammelstelle.

„Er ist ein gnadenloser Netzwerker, der auf der Seite der Menschen steht und Dinge beim Namen nennt“, sagt Gerry Foitik vom Roten Kreuz. Konrad, darüber sind sich NGOs einig, hätte sich enorm für sie eingesetzt. Als auf der Höhe der Krise das Geld für die Betreuung der Transitflüchtlinge ausging, trug er zu einer raschen Lösung bei. Vielen ist auch seine Wertschätzung gegenüber den freiwilligen Helfern (er organisierte ein Dankesfest) in Erinnerung.

„Im Nachhinein war er wohl die beste österreichische Lösung für diese anstrengende Aufgabe“, sagt Caritas-Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner. „Er hat sehr viele Dinge ermöglicht, die vorher nicht möglich waren.“ Und zwar schnell. Der 72-Jährige, der als tiefgläubiger Mensch gilt, soll noch immer äußerst ungeduldig sein. Er selbst schreibt in einem Kommentar im August 2016 im „Profil“, dass er bei der Suche nach menschenwürdigen Quartieren oft genug „an Grenzen gestoßen“ sei.

Quartiere gesucht – und gefunden

Vor allem sein Plan, gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften zu motivieren, Fertigteihäuser für Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge zu bauen, weil diese auf dem privaten Wohnungsmarkt keine Chance haben, dürfen nicht den gewünschten Effekt gehabt haben. Es werden zwar Fertigteilhäuser in den Ländern gebaut, aber die wenigsten sind dezidiert für Flüchtlinge. Konrad selbst betont gern, dass solche Projekte Zeit brauchen.

Bei seinem Hauptziel, der Suche von Asylwerberquartieren, schafft er jedenfalls viel. Vor ihm waren 5000 Asylwerber obdachlos, mittlerweile gibt es einen Puffer von 8000 leeren Quartieren. Auch die Zustände in Traiskirchen haben sich massiv verbessert. Davor hat ein Drittel der Gemeinden Asylwerber untergebracht, jetzt sind es zwei Drittel. „Da ist natürlich nicht alles, aber viel Christian Konrad zuzuschreiben“, sagt Foitik vom Roten Kreuz. Doch das sieht nicht jeder so. Die Situation hätte sich auch ohne Konrads Hilfe entspannt, heißt es aus Regierungskreisen. Das Durchgriffsrecht sei mit 1. Oktober 2015 besiegelt worden. Wenn es seine Position nicht gegeben hätte, wäre es auch nicht aufgefallen. Eine harte Kritik, und doch überrascht sie nicht.

Kein ÖVP-Darling

Obwohl sich Konrad Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung nannte, war er oft genug nicht mit ihr einer Meinung. Zwar wurde der ÖVP-nahe ehemalige Raiffeisenmanager von ÖVP-Vizekanzler Mitterlehner geholt, trotzdem dürfte er besonders die schwarze Regierungshälfte oft genug enttäuscht haben – oder eher sie ihn.

Ein Rückblick: Die ÖVP ist für eine Obergrenze, Christian Konrad spricht sich dagegen aus, die ÖVP will die Mindestsicherung kürzen, er hält das für den falschen Weg, Konrad ist dafür, dass schon Asylwerber Deutsch lernen, die ÖVP muss erst überzeugt werden, die Regierung sagt, das Land ist mit den Flüchtlingen überfordert, er sagt, da geht noch viel. Erst vor wenigen Wochen hat ihm der Klubchef der ÖVP-Niederösterreich, Klaus Schneeberger, pampig via OTS ausrichten lassen, dass Konrad für Situationen in verschiedenen Städte blind sei. Schneeberger erwarte sich von einem Flüchtlingskoordinator Antworten, „anstatt netter Sprüche, die aber weniger helfen“. Konrad hat in einem Gastkommentar im „Profil“ geschrieben: „Wenn wir während des Asylverfahrens bereits die Integration im Blick haben, trägt das mehr zur Sicherheit bei als alle Zaun- und Abschreckungskampfrhetorik.“

Sein Jahr als Flüchtlingskoordinator ist nun fast abgelaufen. Dem Vernehmen nach hätte er unter Umständen weitergemacht. Teile der Regierung hätten das jedoch verhindert, heißt es. Seine Aufgabe wäre jetzt aber eine andere gewesen: Integration. Für die ist in Österreich jemand anderer in der ÖVP zuständig: Integrationsminister Sebastian Kurz.

ZUR PERSON

Christian Konrad. Der 1943 in Niederösterreich Geborene wurde vor allem als Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes (1994 bis 2012) bekannt. Er gilt als einer der besten Netzwerker des Landes. Auch deshalb wurde er im August 2015 von der Bundesregierung zum Flüchtlingskoordinator bestellt. Diese Funktion beendete er mit 30. September 2016. Heute, Dienstag, zieht er beim Gespräch im „Management Club“ Bilanz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2016)

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