Das Bundesheer bekommt mehr Kompetenzen

MINISTERRAT DEBRIEFING: SOBOTKA / DOSKOZIL
MINISTERRAT DEBRIEFING: SOBOTKA / DOSKOZIL(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Soldaten sollen mehr Aufgaben übernehmen. Die Regierung installiert ein Sicherheitskabinett. Die FPÖ sagt – vorsichtig und prinzipiell– eine Verfassungsmehrheit zu.

Wien. Am Ende sahen sie beide zufrieden aus – und das ist in der rot-schwarzen Beziehung dann doch eine Seltenheit. Zum einen Wolfgang Sobotka: Der Innenminister (ÖVP) konnte am Dienstag verkünden, dass der Bundeskanzler keine Richtlinienkompetenz bekommen wird. Einen Tag vorher hatte er sich massiv dagegen ausgesprochen, dass Christian Kern den Ministern Weisungen erteilen soll. Zum anderen aber auch Hans Peter Doskozil: Der Heereschef (SPÖ) hat immerhin erreicht, dass sein Verteidigungsressort mehr Kompetenzen erhält. Am Dienstag hat sich die Regierung in ihrem Sicherheitspaket auf diese und andere Maßnahmen geeinigt, um im Krisenfall schneller reagieren zu können. Ein Überblick.

1. Ein sechsköpfiges Sicherheitskabinett kommt im Krisenfall zusammen.

Die Regierung habe aus den Erfahrungen des letzten Jahres gelernt, hieß es am Dienstag. Während der Flüchtlingskrise im Vorjahr seien im Rahmen der sogenannten 5er-Lage oder 7er-Lage im wesentlichen Beamte zusammengekommen, die keine schnell umsetzbaren Beschlüsse fassen konnten. Das soll sich nun ändern: SPÖ und ÖVP installieren ein „Sicherheitskabinett“. Im Ernstfall kommen Kanzler und Vizekanzler sowie die Minister für Verteidigung, Äußeres, Inneres und Finanzen zusammen, um rasch eine Linie vorzugeben. Der Bundeskanzler hat zwar den Vorsitz, die Linie der Ressortchefs vorgeben darf er allerdings nicht. Dafür müssen Entscheidungen einstimmig gefällt werden.

2. Das Bundesheer übernimmt den Schutz kritischer Infrastruktur von der Polizei.

Seit August ist das Bundesheer in Wien im sogenannten Assistenzeinsatz: Rund 120 Soldaten überwachen mehr als 20 Botschaften in der Hauptstadt. Die Truppe kann im Inland nur aktiv werden, wenn sie dazu aufgefordert wird – von Bundesländern etwa, oder der Regierung. In Zukunft soll das Heer ohne einen solchen Assistenzeinsatz den Schutz kritischer Infrastruktur übernehmen. Er wird zu einer „originären Kompetenz“ der Truppe, wie es Doskozil nennt. Dabei geht es um etwa 190 Objekte in Österreich und rund 10.000 Personen, die im Einsatz sein sollen. Allerdings soll es „keine sichtbare, permanente Überwachung“ geben, so Doskozil. Soldaten sollen nicht vor dem Parlament stehen, sondern eher Raffinerien und Kraftwerke bewachen. Diese Kompetenzverteilung soll auch widerrufbar sein können. Und: Auch beim Katastrophenschutz bekommt das Heer mehr Macht. Das Verteidigungsressort soll mit den Bundesländern eigene Verträge abschließen können, um rasch Hilfe leisten zu können.

3. Bei der Luftraumüberwachung will Österreich mit anderen Ländern kooperieren.

Das Bundesheer will nun in der Luftüberwachung mit anderen Staaten kooperieren: Denn die aktive Überwachung (mittels Abfangjäger) kann aus finanziellen Gründen nicht zu jeder Uhrzeit in Österreich gewährleistet sein. Daher will Doskozil nun mit Nachbarländern zusammenarbeiten. Die Gespräche mit der Schweiz laufen schon: Ist über Bern ein nicht identifizierbarer Flieger unterwegs, der Richtung Wien fliegt, können die Abfangjäger des Nachbarstaaten das Flugzeug auch im österreichischen Luftraum eskortieren – und vice versa.

4. Die Nachrichtendienste sollen enger kooperieren und gestärkt werden.

Die Nachrichtendienste des Heeres und der Polizei sollen enger zusammenarbeiten und mehr überwachen. Laut Sobotka stellt sich „auch eine Frage der Überwachung im öffentlichen Raum“. Das Abwehramt, das Heeresnachrichtenamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz bekommen mehr Personal.

5. Eine Verfassungsmehrheit wird für die Umsetzung der Pläne gesucht.

Um das Paket im Parlament beschließen zu können, braucht es eine Zweidrittelmehrheit – also die Zustimmung von FPÖ oder Grünen. Der genaue Gesetzestext wird bis Ende Oktober vorbereitet. FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch begrüßt die Pläne grundsätzlich, er warte aber auf Details, sagt er der „Presse“.

AUF EINEN BLICK

Sicherheitspaket. Die Regierung hat sich am Dienstag beim Ministerrat auf Pläne geeinigt, um im Krisenfall rascher reagieren zu können. Unter anderem wird ein eigenes Sicherheitskabinett geschaffen: Kanzler, Vize und vier Minister sollen im Ernstfall noch am selben Tag zusammentreffen und die Linie vorgeben. Der Kanzler bekommt kein Weisungsrecht, Entscheidungen werden einstimmig getroffen. Außerdem erhält das Bundesheer mehr Kompetenzen. Es soll unter anderem den Schutz kritischer Infrastruktur von der Polizei übernehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)

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