Deutschland: Dresden ab jetzt „im Krisenmodus“

Picture shows a mosque in Dresden, one day after an improvised bomb destroyed the entrance
Picture shows a mosque in Dresden, one day after an improvised bomb destroyed the entrance(c) REUTERS (STAFF)
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Kurz vor den Feiern zum Tag der deutschen Einheit wird Sachsens Hauptstadt von Sprengstoffanschlägen erschüttert. Die Polizei vermutet ein fremdenfeindliches Motiv.

Berlin/Dresden. Nicht einmal eine Woche ist es her, dass die Regierungsbeauftragte für die neuen Bundesländer, Iris Gleicke, die zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland als „ernste Bedrohung“ für den gesellschaftlichen Frieden und die wirtschaftliche Entwicklung bezeichnet hat. Als besonders problematisch gilt das Bundesland Sachsen. Zuletzt war es in der Stadt Bautzen zu Auseinandersetzungen zwischen Rechtsradikalen und Flüchtlingen gekommen. „Im Moment“, sagte Gleicke bei der Präsentation des Jahresberichts zum Stand der deutschen Einheit, „habe ich nicht viel Positives zu berichten.“

Am Montagabend gab es dann erneut schlechte Nachrichten, dieses Mal aus Dresden, der Hauptstadt Sachsens: Kurz vor und kurz nach 22 Uhr sind dort Sprengsätze detoniert, einer bei der Fatih Camii, einer Moschee im Stadtteil Cotta, ein zweiter beim Kongresszentrum. Verletzt wurde niemand. Aber es dürfte knapp gewesen sein. Denn der Imam, seine Ehefrau und die beiden Kinder, zehn und sechs Jahre alt, befanden sich während der Explosion im Gebäude (wo die Familie wohnt). Der Sprengsatz hätte zu einem Brand führen können, sagte Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar. Die Sprengvorrichtung war an der Haustür befestigt, die durch den Druck nach innen gedrückt wurde.

Ein Bekennerschreiben gibt es nicht, und vorerst auch keinen oder keine Täter. Nur so viel durfte die Öffentlichkeit am Dienstag wissen: Die Sprengsätze wurden selbst gebastelt. Und die Polizei geht von einem fremdenfeindlichen Motiv aus. Die Fatih-Moschee ist ein Gotteshaus des türkisch-islamischen Vereins Ditib und wurde in der Vergangenheit immer wieder mit rassistischen Sprüchen beschmiert. Darüber hinaus vermutet die Polizei einen Zusammenhang mit dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober. Sachsen richtet heuer die offiziellen Feierlichkeiten aus, die am Samstag mit einem Bürgerfest beginnen. Am Montag werden dann Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel erwartet. Auf der Terrasse des Kongresszentrums, wo einer der beiden Sprengsätze einen Glasquader zerstört hat, wäre eigentlich ein Empfang des Bundespräsidenten geplant. An eine Absage der Feierlichkeiten denkt man in Dresden aber nicht: „Sollten wir nicht feiern, bekämen andere Kräfte Aufwind“, sagte Oberbürgermeister Dirk Hilbert.

Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass der 3. Oktober dieses Mal auf einen Montag fällt. Denn Montag ist in Dresden Pegida-Tag. Die islam- und fremdenfeindliche Bewegung meldete auch für den Einheitstag eine Kundgebung an, ebenso wie das rechte Bündnis Festung Europa. Daneben wollen zahlreiche linke Gruppierungen auf die Straße gehen. Nach den Anschlägen muss die Polizei, die ohnehin mit einem Großaufgebot unterwegs sein wird, ihre Sicherheitsplanungen noch einmal überdenken. Vorerst wurden alle islamischen Einrichtungen unter Objektschutz gestellt. „Ab sofort arbeiten wir im Krisenmodus“, erklärte der Polizeipräsident.

„Tod von Menschen in Kauf genommen“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière verurteilte die Anschläge. Die Taten seien empörend, sagte er bei einer Veranstaltung zum zehnten Jahrestag der Deutschen Islamkonferenz in Berlin. „Das wollen wir in Deutschland nicht.“ Sachsens Ministerpräsident, Stanislaw Tillich, meinte, in Dresden sei nicht nur ein Anschlag auf die Religionsfreiheit und die Werte einer aufgeklärten Gesellschaft verübt worden. „Es wurde auch bewusst der Tod von den in der Moschee lebenden Menschen in Kauf genommen.“ Der Imam ließ am Dienstag offen, ob er mit seiner Familie weiter in Dresden bleibt: „Das“, sagte er, „bestimmt die Gemeinde.“

AUF EINEN BLICK

In Dresden sind am Montagabend zwei Sprengsätze detoniert, einer bei der Fatih-Moschee im Stadtteil Cotta, ein zweiter beim Kongresszentrum. Verletzt wurde niemand. Aber die Familie des Imams befand sich während der Explosion in der Moschee.
Die Polizei geht von einer fremdenfeindlich motivierten Tat aus und vermutet einen Zusammenhang mit den Feiern zum Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober). Die finden heuer in Dresden statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)

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