Thomas Mayr-Harting: "Langweilig wird einem hier nie"

(c) Mayr-Harting Vieregge
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Sonntagsspaziergang. Vor lauter Terminen kommt UN-Botschafter Thomas Mayr-Harting zu selten in den Genuss des New Yorker Kulturlebens – erst recht nicht in der Woche der UN-Hauptversammlung.

Thomas Mayr-Harting wird von manchem beneidet – weniger um seine Arbeit, eher um seinen Arbeitsplatz mitten in Manhattan und vor allem um seine Amtsresidenz an der noblen Upper East Side, an der Doormen und Hundesitter quasi zur Grundausstattung gehören. „Man entdeckt auf einmal unvermutete Freunde und Bekannte, die sich zum Besuch ansagen“, erzählt Österreichs UN-Botschafter süffisant.

Das Apartment liegt an der New Yorker Museumsmeile, zwischen dem Guggenheim-Museum und der Neuen Galerie: Start und Endpunkt des Sonntagsspaziergangs, der ihn in das Großstadtidyll des Central Park führt. Die grüne Lunge Manhattans mit einem einzigartigen Blick auf die Skyline, Schauplatz unzähliger Filme und Auslaufplatz der New Yorker, ist nur einen Katzensprung entfernt. „Hierher komme ich manchmal am Wochenende, um frische Luft zu schnappen.“

Hier, rund um das Jackie-Kennedy-Reservoir, den großen Teich im Herzen des Parks, drängen sich zu jeder Tageszeit die Jogger. „Ich habe mich aber noch nicht aufgerafft, hier eine Runde zu drehen“, gesteht der 55-jährige Karrierediplomat. „Im Gegensatz zu meiner Frau und meinen Söhnen.“ Seine Frau ist im Zirkel der Botschafterfrauen aktiv – ein Netzwerk, das durchaus auch beruflich von Nutzen ist. „Sie hat ihren eigenen Terminkalender.“ Der eine Sohn hat in New York seinen Gedenkdienst absolviert, der andere hat gerade ein UN-Praktikum begonnen. Die Familie war jedenfalls hellauf begeistert, als der Karrieresprung des Politischen Direktors des Außenministeriums nach New York anstand. „Das größte Problem ist, den Kindern Kontinuität und Verwurzelung zu bieten“, resümiert der Botschafter das unstete Leben eines Diplomatenhaushalts.

„Für mich persönlich ist das Amt ein Privileg“ sagt Mayr-Harting. Der Botschafter trat seinen Posten praktisch mit dem Eintritt Österreichs in den Sicherheitsrat zu Beginn des Jahres an. Ein kleines, neutrales Mitgliedsland wie Österreich kommt nur rund alle 20 Jahre in den Vorzug, im 15-köpfigen Gremium vertreten zu sein. „Für Österreich ist es wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Klarerweise ist es uns ein Anliegen, den UN-Standort Wien zu stärken. Im Zusammenwirken mit den Lateinamerikanern ist es uns gelungen, auch Akzente in der Menschenrechtspolitik zu setzen.“

Mayr-Harting hatte indes kaum Zeit, sich einzuleben – geschweige denn, sich einzuarbeiten. Der Krieg im Gazastreifen zwischen Israel und der Hamas und das politische Gezerre um eine UN-Resolution nahmen den Sicherheitsrat gleich voll in Beschlag. Eine Sitzung jagte die andere, ein Arbeitsessen folgte auf das nächste.


Schwierige Koordination. „Man muss aufpassen, dass man sich nicht abnabelt. In den ersten Wochen hat mich nur der Lichteinfall auf das Empire State Building von meinem Büro aus daran erinnert, dass ich in New York bin“, formuliert er überspitzt. Die wegen des Zeitunterschieds schwierige Koordination mit dem Außenamt in Wien erleichtert den Arbeitsaufwand nicht gerade. „Am Sonntagabend sitze ich immer über der Endredaktion unseres Wochenberichts.“ Überschlagsmäßig hat Thomas Mayr-Harting, wie er hochgerechnet hat, seit Beginn 120 Sitzungen und rund 400 Sitzungsstunden hinter sich gebracht. Da braucht es hartes Sitzfleisch.

Er ist fasziniert von New York, dem kosmopolitischen Charakter der Metropole – und von seiner Aufgabe. „New York hat alles, was man sich wünschen kann – außer österreichischem Brot. Langweilig wird einem hier nie.“ Erst recht nicht auf dem Höhepunkt des UN-Jahres, wenn – wie stets Ende September – nächste Woche die Staats- und Regierungschefs zur Hauptversammlung am East River zusammenkommen und sich die Klinke in die Hand geben. „Da ist die ganze Welt auf einem Fleck.“

Als Student hat sich Mayr-Harting in Wien ein Zubrot als Fremdenführer verdient, in Brügge hat er ein Post-Graduate-Studium angehängt. Nach Belgien hat es ihn beruflich immer wieder verschlagen. Nicht zuletzt ist auch seine Tochter mit einem Belgier verheiratet. Im Laufe seiner 30-jährigen Diplomatenlaufbahn und als Mitarbeiter der „Workaholics“ Mock und Schüssel hat Mayr-Harting auch „unkomfortable“ Erfahrungen gesammelt – als Botschafter in Belgien und bei der Nato zur Zeit der EU-Sanktionen. „Am spannendsten war sicher die Perestroika, die Aufbruchstimmung in Moskau unter Gorbatschow.“

Zu selten sei Thomas Mayr-Harting bisher in den Genuss gekommen, in das Kulturleben der Metropole New York einzutauchen. „Wenn Gäste da sind, nutze ich jedoch die Chance, etwas zu besichtigen. Die neue High Line, den Bronx Zoo. Zuletzt war ich bei einem Konzert von Aretha Franklin.“ Im Terminkalender Mayr-Hartings ist der November rot eingetragen. Nicht nur übernimmt Österreich turnusmäßig den Vorsitz im Sicherheitsrat – in der Neuen Galerie geben die Wiener Philharmoniker aus diesem Anlass ein Kammerkonzert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2009)

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