„Ein Wifi-Kurs wäre billiger gewesen“

Der Chef der Jungen Wirtschaft Wien und die Erfinderin des Österreichischen Frauenlaufs
Der Chef der Jungen Wirtschaft Wien und die Erfinderin des Österreichischen Frauenlaufs(c) Akos Burg
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Der Chef der Jungen Wirtschaft Wien und die Erfinderin des Österreichischen Frauenlaufs über das Scheitern und Wiederaufstehen – und die Kritik am neuen Start-up-Paket.

Wien. Mit 21 Jahren hatte Jürgen Tarbauer einen Lungeninfarkt und 150.000 Euro Schulden. Seinem bereits zweiten Unternehmen, einem Verlag, hatte er aufgrund von Differenzen mit den Mitgesellschaftern gerade den Rücken gekehrt. „Ein Wifi-Kurs wäre billiger gewesen“, resümiert der Wiener Chef der Jungen Wirtschaft lakonisch seinen Erstkontakt mit dem Scheitern. Kurz darauf gründete er die nächste Firma, nach drei Monaten war er schuldenfrei. Heute ist er Chef einer Werbeagentur.

Ilse Dippmann brachte den Frauenlauf 1988 nach Österreich. Zehn Jahre lang organisierte sie ihn, ohne eine Bezahlung zu sehen. 1997 konnte der erste kapitale Sponsor gewonnen werden. Aber es dauerte bis 2005, bevor sich Dippmann traute, ihren Beruf als Lehrerin gegen die Selbstständigkeit einzutauschen. Ihre Gesellschaft beschäftigt heute sieben Mitarbeiter und betreut die Laufveranstaltung mit 33.000 Teilnehmerinnen ganzjährig.

Zwei Unternehmensbiografien mit schwierigen Anfängen. Wenn man Tarbauer und Dippmann fragt, ob sie jungen Menschen zum Schritt in die Selbstständigkeit raten, kommt das Ja trotzdem rasch und bündig. Auch wenn der Wifi-Kurs billiger gewesen wäre als die Erfahrung mit 21, ist Tarbauer überzeugt, dass man in Österreich dank des sozialen Fangnetzes einiges wagen sollte. „Eigentlich kann nicht viel passieren, wenn man ein funktionierendes Sozialumfeld hat.“ Schlimmer, als auf der elterlichen Couch zu schlafen und einige Jahre nicht auf Urlaub zu fahren, komme es selten.

Einzelgänger unerwünscht

Ist das die Start-up-Mentalität, von der heute viel geredet wird? Muss man eine Spur Hasardeur sein? „Nein, es gibt auch solche, die gehen immer auf Nummer sicher. Das ist auch legitim“, so Tarbauer. Er sehe in der eigenen Organisation alle Unternehmertypen. Auch Dippmann ist das beste Gegenbeispiel. Ob Hasardeur oder Sicherheitsmensch – in einem Punkt stimmen sie überein: „Als One-Man-Show wird man nicht ernst genommen“, sagt Tarbauer. Dippmann ergänzt, in den Achtzigern sei sie mit ihrer Laufveranstaltung erst überhaupt nicht als Unternehmerin wahrgenommen worden.

Was den Vorsitzenden der Wiener Jungunternehmer zu seinem aktuell liebsten Diskussionsthema bringt: dem im Sommer verabschiedeten Start-up-Paket – konkreter der Senkung der Lohnnebenkosten für die ersten Mitarbeiter. In seiner Interessenvertretung habe man zurzeit das Gefühl, die eigenen Vorschläge würden in einer schlechteren Variante von der Regierung umgesetzt. Tarbauer stößt sich daran, dass die Lohnnebenkosten nur für „innovative“ Start-ups und zeitlich begrenzt fallen sollen. „Wir machen gerade eine Zwei-Klassen-Lösung beim Unternehmertum.“ Das sei unfair. Österreich sei schließlich ein Land, das durch Handwerk und KMU groß geworden ist. Seit vergangenem Samstag bekommen die Jungen in der Wirtschaftskammer Rückendeckung von ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer: Innovation soll als Kriterium fallen.

Was ist Innovation?

Es sei dazugesagt, dass Mahrer das Paket erst im Sommer mitbeschlossen und in höchsten Tönen als Motor für 50.000 neue Gründungen bis 2020 gelobt hat. In Kraft treten soll die Regelung mit Jänner 2017. Bis dahin wollen der Staatssekretär und die Junge Wirtschaft unter dem an eine Mobilfunkwerbung erinnernden Schlagwort „3 für alle“ Stimmung für ihren Vorschlag machen. Und die Regierung kann ihrerseits den Begriff „innovativ“ definieren. Denn was konkret darunter fällt, ist laut Tarbauer noch ebenso offen wie die Frage, wer über Innovationskraft richtet.

Ein Punkt, über den auch die 2000 Besucher des diesjährigen Jungunternehmertags kommenden Dienstag diskutieren dürften. Tarbauer und Dippmann werden dort sprechen – unter anderem über harte Anfänge. Und vielleicht auch über die Definition von Innovation.

DER JUNGUNTERNEHMERTAG

Jürgen Tarbauer und Ilse Dippmann werden am 4. Oktober beim 26. Jungunternehmertag in der Messe Wien sprechen. Tarbauer ist als Wiener Chef der Jungen Wirtschaft, der Jungunternehmervertretung in der Wirtschaftskammer, Mitorganisator. Dippmann erzählt als Veranstalterin des Frauenlaufs von ihren Erfahrungen in den Achtzigern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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