Der ÖGB ringt um eine Linie – und diese dürfte mitentscheidend sein für das SPÖ-Präsidium nächste Woche. Stimmt dieses dagegen, dann droht der gesamte Handelspakt der EU mit Kanada zu platzen.
Wien. Donnerstag zu Mittag ging in den Ministerien ein E-Mail aus der Volkswirtschaftlichen Abteilung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ein. Wenige Stunden, nachdem der Zusatztext zum Ceta-Vertrag, flapsig „Beipackzettel“ genannt, öffentlich geworden war. In diesem Mail hieß es: „Der ÖGB bleibt bei seiner Ablehnung zu Ceta.“
Und weiter in der Begründung: Die nun vorliegenden Erklärungen würden nur den Vertragstext wiederholen und nichts an den Vertragsbestimmungen ändern. „Es ist Investitionsschutz enthalten, den wir dezidiert ablehnen. Es gibt keine lückenlose Ausnahme der Daseinsvorsorge. Es sind keine Sanktionen im Fall von Verstößen von ArbeitnehmerInnenrechten vorgesehen.“ Die Herausnahme des Investitionsschutzes aus der vorläufigen Anwendung reiche nicht aus, „weil die entsprechenden Bestimmungen aus dem Vertrag jetzt zu streichen wären“.
ÖGB: „Ein übereiltes Mail“
„Das war ein etwas übereiltes Mail auf Expertenebene“, meint die Sprecherin von ÖGB-Präsident Erich Foglar, nachdem „Die Presse“ dieses veröffentlicht hat. Und sie stellt klar: Der ÖGB in seiner Gesamtheit habe noch keine abschließende Meinung zu Ceta. Es würde noch – ergebnisoffen – das Für und Wider abgewogen. Nächste Woche werde es dann eine offizielle Stellungnahme des ÖGB zu Ceta geben.
Nächste Woche, am Freitag, tagt dann das SPÖ-Präsidium. In dem auch die führenden Gewerkschafter sitzen. Und bleibt der ÖGB bei seiner ablehnenden Haltung, so könnte das zu einem großen Problem für SPÖ-Chef Christian Kern werden. Dieser hat angekündigt, den Final Draft, also die mit der EU-Kommission akkordierte Zusatzerklärung, dem SPÖ-Präsidium vorzulegen.
Und stimmt das Präsidium nicht zu, dann steht Kern in seiner Funktion als Bundeskanzler vor einem Dilemma. Dann könnte das ganze europäisch-kanadische Projekt an Österreich scheitern. „Das Handelsabkommen muss von allen EU-Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen werden. Eine qualifizierte Mehrheit reicht nicht aus“, sagt der Staats- und Völkerrechtler Bernhard Kempen von der Uni Köln, der ein Gutachten für diverse Anti-Ceta-NGOs erstellt hat.
Christian Kern steht also von drei Seiten unter Druck – von der EU, von Kanada und seinen eigenen Genossen. Und in der SPÖ ist man nicht sicher, wie das ausgeht. Denn nicht nur die Entscheidung der sozialdemokratischen Gewerkschafter ist ungewiss.
(SPÖ-)Volksbegehren gegen Ceta
Der Sanktus der burgenländischen SPÖ, die ihrerseits Unterstützung für das Volksbegehren gegen TTIP, Ceta und das Dienstleistungsabkommen Tisa Ende Jänner 2017 signalisiert hat, ist offen. „Freie Zustimmung gibt es von uns noch nicht“, sagt Klubchef Robert Hergovich. „Wenn jetzt TTIP vom Tisch ist, ist das ein großer Erfolg.“ Was Ceta betrifft, „sind wir noch abwartend“. Es gelte nun, die von der EU übermittelte Zusatzerklärung zu prüfen. Jedenfalls müssten die hohen Standards für Konsumenten in Europa aufrecht bleiben. „Wenn Bundeskanzler Christian Kern das mit der Zusatzerklärung zum Handelspakt gewährleisten kann, dann kann man über alles reden.“
Aus der niederösterreichischen SPÖ kam bisher besonders vehementer Widerstand gegen TTIP und auch Ceta. Der SPÖ-Landtagsabgeordnete und Bürgermeister von Traisen, Herbert Thumpser, ist etwa der Initiator des Anti-Freihandels-Volksbegehrens, das vom 23. bis 30. Jänner kommenden Jahres zur Unterschrift aufliegen wird. Dafür wurden im Innenministerium gut 40.000 Unterstützungserklärungen abgegeben, die großteils aus Niederösterreich kamen.
Niederösterreichs SPÖ-Landesgeschäftsführer Robert Laimer meint daher – trotz des „Beipackttzettels“ der EU – auch: Die Haltung sei „unverändert äußerst kritisch“. Bundeskanzler Kern habe richtigerweise gesagt, dass die Zusatzerklärung sehr genau zu prüfen sei. Entscheidend sei dabei vor allem, ob mit der Zusatzerklärung Rechtsverbindlichkeit erreicht werde. „Das ist meiner Meinung nach alles ergebnisoffen“, so Laimer.
REAKTIONEN
Die Präsidentschaftskandidaten meldeten sich ebenfalls zu Ceta zu Wort. Alexander Van der Bellen meinte: Die Zusatzerklärung könne „offenbar nicht alle Bedenken zerstreuen“.
Als Präsident würde er Ceta sorgsam prüfen. Norbert Hofer will Ceta nicht unterschreiben. Er will zuvor eine Bürgerbefragung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2016)