Meinl-Reisinger: "Plattform mit der ÖVP wäre unmöglich"

Beate Meinl-Reisinger im "Presse"-Interview
Beate Meinl-Reisinger im "Presse"-InterviewClemens Fabry / Die Presse
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Die Wiener Neos-Chefin über ein Jahr im Gemeinderat. Und wie sie als stellvertretende Neos-Obfrau im Bund die Doch-Nicht-Kooperation mit Sebastian Kurz sieht.

Die Presse: Bevor ich hergekommen bin, habe ich Kollegen gefragt, was sie mit den Wiener Neos verbinden. Die häufigste Antwort war: Ich weiß nicht, wofür die stehen. Ist das nicht ein Problem?

Beate Meinl-Reisinger: Ich glaube, das ist normal für eine völlig neue Bewegung.

So völlig neu sind die Neos nicht. Sie sind ein Jahr im Gemeinderat.

Wie lange haben bitte die anderen Parteien an einer Zuschreibung gearbeitet. Das braucht sehr lange. Wir haben eine interne Umfrage beauftragt und ich bin sehr zufrieden mit dem, was uns zugeschrieben wird: Kampf gegen Steuergeldverschwendung und Korruption, Eintreten für politische Erneuerung, für Bildung. Genau das haben wir auch im Wahlkampf kampagnisiert.

Im Unterschied zum Wahlkampf, wo die Neos angriffig waren, sind sie jetzt sehr ruhig. Den lauten Part in der Opposition hat die ÖVP übernommen.

Das kann ich nicht bestätigen. Laut unseren eigenen Umfragen liegen wir bei der Sonntagsfrage bereits vor der ÖVP. Die erlebe ich als fundamentale Oppositionspartei. Wir dagegen sehen uns als Kontrollpartei, das heißt, dass man nicht nur draufhaut, sondern konstruktive Vorschläge macht. Die ÖVP schreit laut, greift aber trotzdem in den Steuertopf und hat einen nicht amtsführenden Stadtrat.

Aber sie fällt zumindest auf.

Als Appendix der FPÖ. Das ist nicht mein Stil.

Funktioniert die Zusammenarbeit der Opposition aus Ihrer Sicht?

In Sachfragen durchaus.

Auf Bundesebene hat es Gespräche zu engerer Kooperation gegeben: für eine gemeinsamen Wahl-Plattform mit der ÖVP und Irmgard Griss.

Es gab Gespräche, aber keine Idee zu einer Plattform mit der ÖVP. Wir sind angetreten, weil wir grundsätzliche Reformen in dem Land wollen und wie sollte das möglich sein mit einer ÖVP, die völlig verkrustet und korruptionsanfällig ist, die von Bünden und Landeshauptleuten gesteuert wird. Eine Plattform mit der ÖVP wäre unmöglich. Es wäre etwas anderes, wenn ein Sebastian Kurz diesen völlig versteinerten Haufen hinter sich lässt und sich einer jüngeren Version seines Selbst besinnt, als er noch nicht so populistisch war und noch etwas bewegen wollte. Wenn Kurz gesagt hätte: Ich geh jetzt raus.

Raus aus der ÖVP?

Ja. Wir sind doch nicht dazu da, einer sterbenden Partei lebensverlängernde Maßnahmen zu setzen.

Haben Sie wirklich gedacht, Sebastian Kurz würde die ÖVP verlassen? Gab es dafür Anzeichen?

Ich habe das nicht geglaubt, aber ich war bei den Gesprächen auch nicht dabei.

Aber wollen die Neos im Bund überhaupt mitregieren? Matthias Strolz hat eine Rot-Schwarz-Pinke Koalition ausgeschlossen ebenso jegliche Konstellation mit der FPÖ. Da geht sich dann nicht einmal in der Theorie etwas aus.

Ganz ehrlich, wir haben noch nicht einmal einen Wahltag. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Bereitet man sich in Wien auf eine vorgezogene Nationalratswahl vor?

Natürlich. Das ist ja alles kaum mehr auszuhalten. Mit Kurz, Kern, Strache haben wir derzeit ein Trio Infernal des Vereinfachens und des Populismus.

Sie sind also doch kein Kurz-Fan. Vorher klang das anders.

Ich habe Sebastian Kurz als jemanden kennengelernt, der etwas bewegen will. Auch als er damals das Integrationsstaatssekretariat übernommen hat. Inzwischen ist gerade das der Bereich, der mich wütend macht, weil es hier viel Arbeit gibt.

Wie steht es mit Irmgard Griss? Sie beide reden öfter miteinander. Auch über eine Zweier-Wahlplattform?Neos-Griss?

Ja, wir sind in gutem Austausch. Wir haben in vielen Bereichen die gleichen Ansichten und reden viel über politische Projekte.

Könnte eines besagte Wahlplattform sein?

Das werden wir sehen. Wir sind das letzte Mal auch mit dem Liberalen Forum als Wahlplattform angetreten. Ob das eine Plattform oder eine gemeinsame Liste sein könnte ... - man muss da ein bisschen Fantasie entwickeln.

Griss wird auch von Sebastian Kurz umworben. Was wäre für die Neos strategisch denn schlimmer: Wenn Griss mit Kurz gemeinsame Sache macht oder mit einer eigenen Liste antritt?

Darüber sollen Meinungsforscher spekulieren. Wenn Kurz Griss umwirbt, wird sie sich darüber Gedanken machen, was das für ihre Unabhängigkeit bedeutet. Bei uns ist Mitgliedschaft ja keine Voraussetzung. Umgekehrt sind wir natürlich nicht in der Lage einen Ministerposten anzubieten. Das ist auch nicht unser Stil.

Beate Meinl-Reisinger im "Presse"-Interview
Beate Meinl-Reisinger im "Presse"-InterviewClemens Fabry / Die Presse



Kehren wir zurück nach Wien: Die Neos haben zwar dem Misstrauensantrag gegen Wehsely zugestimmt, inhaltlich deckt sich ihre Position zumindest bei der Mindestsicherung aber ziemlich.

Das stimmt, wobei uns vor allem die bundeseinheitliche Leistung wichtig ist. Die ÖVP spielt hier ein Doppelspiel: in den eigenen Ländern kürzt man oder errichtet Zugangshürden, dann zeigt man auf Wien, weil so viele Bezieher dorthin gehen. Dabei ist man genau darüber froh, weil es das eigene Budget entlastet. Was die Kürzungen betrifft, muss man das alles erst durchrechnen.

Sind die Neos für oder gegen Kürzungen?

Wie gesagt, das muss man zuerst durchrechnen, was angesichts der steigenden Zahlen eine bundeseinheitliche Lösung kosten würde und ob man sich die leisten kann. Dafür braucht es auch einen Überblick über alle Zuschüsse, die es zusätzlich zur Mindestsicherung gibt. Die Wohnsitzauflage wiederum hat nur dann Sinn, wenn sie sich nach den Integrationschancen richtet und nicht nach der Finanzierbarkeit in Ländern. Ich muss fragen: Wo gibt es die besten Chancen auf Integration: beim Job, bei Ausbildung, beim Wohnen?


Dafür müsste man aber vorschreiben, diese Chancen zu schaffen. Sonst ist die Antwort vermutlich oft: in den Städten, vor allem in Wien.

Das glaube ich nicht, in Wien gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit. Vor allem im Tourismus sind im Westen die Chancen besser.

Apropos Wirtschaft: Klassisch liberale Forderungen, wie jene nach Privatisierungen, hört man inzwischen selten. Warum? Kommt das bei den Wiener Wählern nicht gut an?

Wir haben uns nicht gegründet, weil wir gefunden haben, es fehlt eine liberale Partei, sondern weil wir die Schnauze voll hatten von Rot-Schwarz. Wir haben zwar eine liberale Grundhaltung, aber Liberalisierungen sind kein Selbstzweck. Wir fordern dort Liberalisierung, wo es sinnvoll ist - Stichwort Gewerbeordnung. Oder ein anderes Beispiel: Wir haben im Ausschuss die Direktvergabe einer digitalen Dienstleistung an ein stadteigenes Unternehmen diskutiert. Ich habe gefragt: Warum wird das nicht ausgeschrieben? Die Antwort war: Das stadteigene Unternehmen war schon in einer früheren Ausschreibung Bestbieter, weil es nicht profitorientiert arbeiten muss. Das ist doch unmöglich. Weil man Daseinsvorsorge für Freunde schafft, kann man Bestbieter sein, während sich viele junge digitale Unternehmen abstrudeln.

Als die Neos in Wien antraten, gab es von Seiten der SPÖ, vor allem von Michael Häupl, einen eher unfreundlichen Empfang. Wie ist das Verhältnis jetzt?

Nüchtern.

Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm geredet?

Das weiß ich gar nicht. Das ist schon länger her. Aber ich finde ohnehin, dass seine Zeit vorbei ist. Er sollte möglichst bald gehen. Dieser Typus des Machtpolitikers mit leichten Zügen ins Chauvinistische geht heute nicht mehr. Und ich mache ihn auch persönlich dafür verantwortlich, dass die Stimmung in der Stadt so schlecht ist und die FPÖ in den Umfragen auf Platz eins liegt.

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