Häupl und der rote Showdown

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Der Richtungskampf ist auch ein Kampf um Häupls Nachfolge – weshalb der wieder antreten könnte.

Wien. „Jetzt knallen einigen die Sicherungen durch.“ Mit diesen Worten wird in SPÖ-Kreisen die nächste Eskalationsstufe im Richtungsstreit der mächtigsten SPÖ-Landespartei beschrieben. Jenem Richtungsstreit, der von Michael Häupls Partei aus wie ein Flächenbrand auf die Bundesebene übergriff. Aktueller Auslöser war ein E-Mail von Wiens Landtagspräsidenten Harry Kopietz nach dem roten Fiasko bei der Wahlwiederholung in Leopoldstadt. Der engste Vertraute Michael Häupls, der als graue Eminenz und Unterstützer der Willkommensfraktion gilt, startete einen Großangriff – auf die Gegner von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely: „Hauptsache, ich werde in der Zeitung zitiert, dann bin ich wer und bin wichtig!“ – „Offensichtlich wichtig: Mir hört sogar Gudenus zu.“ – „So werden kommende Wahlen mit Sicherheit optimiert.“

Diese drei Sätze sandte Kopietz in einem Massen-Mail an alle SPÖ-Spitzenfunktionäre; samt Anhang. Darauf war u. a. der Donaustädter SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy bei einem Treffen im Prater mit FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus zu sehen. Das ist brisant, weil Nevrivy als Speerspitze der Realo-Fraktion auftritt, er die stärkste SPÖ-Bezirksorganisation Österreichs hinter sich weiß, die sich (wie alle Außenbezirke) um Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sammelt.

Die Reaktion war erwartbar. Ex-Parteimanager Deutsch attackierte Ex-Parteimanager Kopietz – ebenfalls mit einem Mail an alle roten Spitzenfunktionäre. Die Wehsely-Vertraute Safak Akcay griff Deutsch frontal an. Begriffe wie „primitives Verhalten“ fielen, verärgerte Genossen meinten später, Akcay solle schweigen – sei sie mit dem Team um Bezirksparteichefin Sonja Wehsely doch für das Wahlfiasko in der Leopoldstadt verantwortlich. Genüsslich wird festgehalten: „Akcay hat nur 21 Vorzugsstimmen erreicht, Sonja Wehsely nur 30 – das zeigt ihre Beliebtheit in der Bevölkerung.“ Falls Wehsely Bürgermeisterin werde, sei das das Ende der Partei, warnen ihre Gegner. Falls Ludwig Bürgermeister werde, werde man in einer Koalition mit der FPÖ aufwachen – das sei das Ende der Partei, warnen dessen Gegner.

Diadochenkämpfe verselbstständigt

Die Gräben sind so tief, dass selbst Häupl sie nicht mehr zuschütten kann. Der SPÖ-Chef ist das einzige verbindende Element in der Partei und versucht dem Vernehmen nach alles, um die Fraktionen zu beruhigen. „Die Diadochenkämpfe haben sich aber verselbstständigt“, ist in der Partei zu hören. Denn längst geht es nicht nur um den Richtungsstreit zwischen FPÖ-affinen roten Außenbezirken und Grün-affinen roten Innenbezirken. Es geht um Michael Häupls Nachfolge.

Auf der einen Seite stehen die Außenbezirke, die Wohnbaustadtrat Michael Ludwig forcieren. Auf der anderen Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, die von Teilen der roten Frauenriege und den Rot-Grün-affinen Innenstadtbezirken gestützt wird. Ludwig, der Pragmatiker, der bei Sachthemen auch mit der FPÖ spricht, ist an der Basis beliebt – wie SPÖ-interne Wahlergebnisse zeigen. Wehsely, die Ideologin, die polarisiert und an der Basis nicht extrem beliebt ist (wie Parteitagswahlen zeigen), kann auf eine Mehrheit in den Gremien zählen, während Ludwig der einzige Vertreter der Flächenbezirke in der Stadtregierung ist.

Derzeit läuft alles auf den großen Showdown beider Fraktionen zur Entscheidung über die Parteilinie und Häupl-Nachfolge hinaus. Deshalb soll Häupl ernsthaft überlegen, bei dem auf den Herbst verschobenen Landesparteitag 2017 wieder als SPÖ-Chef zu kandidieren, um bei der Wien-Wahl 2020 nochmals anzutreten. Aufgrund des Konfliktes dürften Gerüchte über eine Regierungsumbildung entstanden sein, wonach die Situation geklärt und Wehsely wegen der Probleme in ihrem Ressort (Ärztestreik, explodierende Mindestsicherungskosten etc.) aus der Schusslinie genommen werde. Nur: „Heuer passiert sicher nichts“, heißt es in der SPÖ. Häupl warte, ob sich die Situation beruhige. Falls nicht, werde er handeln, ist im Rathaus zu hören. Eine Vorentscheidung könnte fallen, wenn der Rechnungshof-Bericht über das Spital Nord in einigen Monaten fertig ist, ist im Rathaus zu hören: Falls der Bericht über Wehselys Prestigeprojekt ein Fiasko werde, sei das eine Vorentscheidung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2016)

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