Viele Migranten können auch nach einem negativen Asylbescheid nicht abgeschoben werden, da Rückübernahmeabkommen mit den Herkunftsstaaten fehlen, sagt Verteidigungsminister Doskozil.
Bis zu 90 Prozent der Asylentscheidungen werden in Österreich aufgrund fehlender Rückübernahmeabkommen mit den Herkunftsstaaten aktuell nicht umgesetzt. Das bedeutet: Viele Migranten können auch nach einem negativen Asylbescheid oft nicht abgeschoben werden. "Aktuell ist es nicht wesentlich, ob jemand ins Asylverfahren kommt (...) weil wir unsere Entscheidungen bis zu einem hohen Grad - 80 bis 90 Prozent - nicht umsetzen", sagte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) in Wien.
Dies zu ändern sei zentral, auch weil Afrika laut Schätzungen "bis 2050 seine Bevölkerung verdoppeln wird", meinte Doskozil. Sobotka stimmte ihm zu: "Wir werden mit diesem Thema leben müssen (...) vielleicht Jahre, Jahrzehnte", sagte er Bezug nehmend auf Migration und Flucht, um sich sogleich erneut für den (eigentlich von seiner Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner stammenden) Vorschlag stark zu machen, wonach die Auswahl von in Europa aufenthaltsberechtigten Flüchtlingen schon in UNHCR-Flüchtlingslagern in den Konfliktregionen erfolgen sollte. Man müsse "jene holen, die Schutz am dringendsten brauchen bzw. die wir am meisten brauchen", sagte Sobotka und verwies darauf, dass der Großteil der Schutzsuchenden nicht über die nötigen Qualifikationen für Österreichs Arbeitsmarkt verfüge.
Das von Sobotka angesprochenen Modell ist als "Resettlement" bekannt und wird in großem Ausmaß etwa von Australien, den USA und Kanada betrieben, die jährlich Tausende auf diesem Weg aufnehmen. Auch die EU-Mitgliedsstaaten einigten sich im Juli 2015 darauf, binnen zwei Jahren 22.000 Menschen direkt aus Konfliktgebieten umzusiedeln. Österreich sagte damals 400 zusätzliche Aufnahmen zu, von denen bisher noch keine einzige Person in Österreich ankam. Allerdings werden auch bereits zuvor getätigte Verpflichtungen in Höhe von 1500 Menschen angerechnet, weshalb Österreich in EU-Statistiken aktuell auf 1453 aufgenommene Flüchtlinge kommt.
Auch Spindelegger diskutierte mit
Initiiert hat das österreichische Resettlementprogramm, das anfangs vorrangig Christen zum Ziel hatte, 2013 der damalige Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP). Auch er nahm am Dienstag an der Podiumsdiskussion im Rahmen einer Migrationskonferenz der Ludwig Boltzmann Gesellschaft teil: in seiner aktuellen Funktion als Vorsitzender des Internationalen Zentrums für Migrationspolitikentwicklung. Die nun von der EU umgesetzten "Migrationspartnerschaften" in afrikanischen Ländern, die zu Investitionen, einer Verbesserung der Lebensumstände und damit zu einer Verringerung der Fluchtursachen führen sollen, würden nur langfristig Wirkung zeigen, unterstrich er. "Das dauert mindestens zehn Jahre."
(APA)