Mindestsicherung: "Sozialminister verkennt die Dinge"

Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP), Sozialminister Stöger (SPÖ)
Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP), Sozialminister Stöger (SPÖ) (c) APA/Fabry (Montage: DiePresse.com)
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Sozialminister Stöger will, dass sich die ÖVP "am Riemen reißt", um eine Einigung zu erzielen. Vizekanzler Mitterlehner sieht die Schuld am ausständigen Kompromiss hingegen beim Sozialminister selbst.

Der Streit um die Mindestsicherung entzweit die rot-schwarze Bundesregierung. Nachdem Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) am Donnerstag die Schuld daran, dass nach wie vor keine Einigung am Tisch liegt, der Volkspartei zugeschoben habe, der er in den Verhandlungen "maximal entgegengekommen" sein will, sah der Koalitionspartner das kurz darauf völlig anders: Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wies die Verantwortung für eine 15a-Vereinbarung mit den Ländern Stöger zu und meinte, dass der Minister schuld sei, wenn eine solche nicht zustande komme. Hintergrund ist, dass die derzeitige 15-a-Vereinbarung mit den Ländern mit Jahresende ausläuft, ohne neuen Vertrag drohen in den Ländern neun unterschiedliche Regelungen der Sozialhilfe.

Der Reihe nach: Geht es nach Stöger, wäre Mitterlehner zu einem Kompromiss bei der Mindestsicherung bereit gewesen, er habe diesen aber in seiner Partei nicht durchgebracht. Geschuldet sei das mitunter ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka und Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer. Letzterer hatte am Mittwoch erklärt, nach ersten schwarz-blauen Beratungen in seinem Land sei er "nicht guter Hoffnung, dass es zu einer Einigung kommt". Lopatka verlangte indes in der "Kronen-Zeitung" neuerlich ein Kürzung für Flüchtlinge.

Stöger: "So geht seriöse politische Arbeit nicht"

Der Sozialminister forderte daraufhin die ÖVP auf, sie solle "sich am Riemen reißen" und hinter Mitterlehner stellen. "Einigt euch und nehmt nicht ganz Österreich in Geiselhaft", sagte er. Und legte nach: "So geht seriöse politische Arbeit nicht. Der Teufelskreis auf Kosten der Schwachen muss beendet werden".

Er, Stöger, sei jedenfalls bereit gewesen, den von der ÖVP geforderten Deckel von 1500 Euro inklusive Wohnkosten zu akzeptieren. Dass dies aber auch für Menschen mit Behinderung oder für solche mit Betreuungspflichten gegolten hätte, wollte die SPÖ nicht. Stöger wäre nach eigenen Angaben auch nach Vorarlberger Muster zu einer Verknüpfung mit Integrationsleistungen bereit gewesen. In Summe wäre daraus sicherlich "ein sehr ausgewogenes Paket" entstanden, dem seiner Meinung nach beide Regierungspartner zustimmen müssten, "wenn sie sich als staatstragende Parteien sehen". Das in Oberösterreich in Kraft befindliche Modell sei hingegen verfassungswidrig, betonte der Sozialminister. Auch die in Niederösterreich geplante Wartefrist für Menschen, die nicht in Österreich gelebt haben, hält er für verfassungswidrig.

Mitterlehner: "Stöger hat mit Ländern Vereinbarung zu finden"

Donnerstagmittag reagierte dann Vizekanzler Mitterlehner auf Stögers Äußerungen. "Der Sozialminister verkennt ganz offensichtlich die Dinge. Er hat mit den Bundesländern eine Vereinbarung zu finden. Wir haben ihn dabei unterstützt, eine gemeinsame Lösung zu finden. Das war ein Entgegenkommen von uns", betonte Mittelehner. Wenn Stöger auf das "vernünftige ÖVP-Paket" mit Deckelung und Mindestsicherung-Light mit Basisbezug nicht eingehe, "gibt es eben in Zukunft länderweise Regelungen. Das liegt eindeutig in der Verantwortung des Sozialministers", meinte der ÖVP-Obmann

"Wenn der Sozialminister nicht in der Lage ist, eine Einigung mit allen Ländern zu erzielen, gibt es keine bundeseinheitliche Lösung. Das ist das Wesen einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. Der Sozialminister muss jetzt selbst schauen, ob er eine Einigung mit den Bundesländern erzielt", so Mitterlehner. Und er ergänzte: Ohne echte Reform wäre der Charakter der Mindestsicherung als Überbrückungshilfe nicht gewährleistet. Auch Lopatka ortete die Verantwortung bei Stöger: "Der Sozialminister hat Verhandlungen mit den Landeshauptleuten zu führen. Pühringer, Pröll, Schützenhöfer, Platter und Wallner sind die Ansprechpartner, nicht ich."

Pühringer und Niederösterreichs ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger verteidigten ebenfalls ihr Nein zu den Vorschlägen des Sozialministers: Pühringer sieht beim Modell Stögers keine Einsparungen: "Unterm Strich kommt wieder das Gleiche heraus", meinte er. Neue soziale Gerechtigkeit sei in Niederösterreich "oberstes Gebot", betonte indes Schneeberger zu seinem Plan Niederösterreichs, ab 1. Jänner die Mindestsicherung zu deckeln und sie für Personen zu reduzieren, die in den letzten sechs Jahren weniger als fünf Jahre hier gelebt haben. Jeder in Österreich verstehe, "dass jemand, der arbeiten geht, nicht der Dumme sein darf". Nur Stöger "verschließt beharrlich seine Augen vor der Realität".

Bures mahnt Regierung: "Zurück zu Verhandlungen"

Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) mahnte im Krach um die Mindestsicherung die Regierung zur Sachlichkeit: "Da geht es um die Ärmsten der Armen", betonte sie. "Ich appelliere, an den Verhandlungstisch zurückzukehren", um zu einer Lösung zu kommen, sagte die Nationalratspräsidentin.

(APA)

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