Die Mindestsicherung und die Flüchtlingspolitik entzweien SPÖ und ÖVP erneut. Immerhin wurde bei Ceta gerade noch der Bruch der Regierung abgewendet – und in der Bildungspolitik eine Blamage.
Wien. Die Bundesregierung kommt bei ihren Vorhaben kaum voran. Am Donnerstag war einmal mehr Stillstand angesagt. Die Auseinandersetzung um die Neuregelung der sozialen Mindestsicherung eskalierte und gipfelte in gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen SPÖ und ÖVP, für das drohende Scheitern einer bundesweiten Neuregelung der Mindestsicherung verantwortlich zu sein. In Koalitionskreisen heißt es, eine Entscheidung über die Zukunft der Koalition werde nach der Bundespräsidentenstichwahl am 4. Dezember und der Bewertung des Arbeitsplans der Regierung – auch bei Pensionen und Finanzausgleich hängt man noch in der Luft – für diesen Herbst fallen.
Flüchtlingspolitik
Diese spielt auch beim Konflikt um das Sozialgeld die zentrale Rolle. Die ÖVP drängt auf Einschränkungen für Asylberechtigte, die SPÖ will maximal weniger drastische Einschnitte akzeptieren. Beim Fremdenrecht möchte Innenminister Sobotka (ÖVP) Strafen bei Falschangaben von Flüchtlingen, die SPÖ-Antwort war bisher offen. Das Integrationspaket musste davor ohnehin bereits mangels Einigung zurückgestellt werden.
Ceta-Abkommen
Da gab es – nach der offenen Abrechnung der Koalitionspartner um das Budget im Hohen Haus – einmal ein Aufatmen. Die Koalition lebt noch. Der vorzeitige Bruch der Regierung wegen des Freihandelsabkommens Ceta wurde durch den Sanktus der SPÖ im letzten Moment verhindert. Offiziell wurde daher von den Parteiführungen von SPÖ und ÖVP weiter die Devise ausgegeben: Gewählt wird 2018. Inoffiziell sieht es nach 2017 aus.
Schulautonomie
Außerdem haben sich die Koalitionspartner erst diese Woche mit dem Maßnahmenbündel zur Schulautonomie etwas Luft im beschwerlichen koalitionären Alltag verschafft. „Die Mühlen mahlen bei dieser Koalition halt langsam, aber sie mahlen“, lautete daher die interne Beschreibung der Arbeit der Regierung. Denn nach dem Platzen des Integrationspakets vor einer Woche wäre eine Leermeldung bei der Schulreform eine Blamage gewesen. In Koalitionskreisen im Parlament wird allerdings angemerkt, dass beim nunmehr vereinbarten Ausbau der Schulautonomie die Gesetze erst ausformuliert werden müssten.
Wirtschaftspaket
Inzwischen mahlen die Mühlen der Koalition wieder. Bereits am kommenden Dienstag steht nach dem Anfang September von Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner paktierten Arbeitsplan die Vorlage eines Maßnahmenpakets für Arbeit und Wirtschaft auf dem Programm. Für beide Parteichefs ein wichtiger Termin, weil die Regierung vorerst nur die Unterstützung für Start-ups auf der Habenseite hat. Der Kanzler hat Industrie und Wirtschaft nach der Ankündigung eines New Deal bei seinem Amtsantritt im Mai mit Plänen für eine Wertschöpfungsabgabe verschreckt. Mitterlehner wird wohl beim Paket auch an seiner Rede zu Österreichs Wirtschaftslage heute, Freitag, gemessen werden. Die Erwartungen an das Paket zur Ankurbelung der Wirtschaft sind allerdings gedämpft. Einmal mehr wird bis zum Liefertermin intensiv verhandelt. Noch ein Zeichen, dass die Mühlen der Koalition langsam mahlen: Vorerst ist unklar, ob die Regierung schon Gesetzesentwürfe oder nur eine umfangreiche Punktation vorlegen kann.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2016)