Warum kann ein Hubschrauber fliegen?

Mädchen und Technik. Friseurin, Verkäuferin, Bürokauffrau: Immer die gleichen Lehrberufe, dachten sich drei junge Frauen. Und wählten ganz andere. Wenn ihnen bloß die Klassenlehrerin schon früher davon erzählt hätte.

Kathi Wiest (20, Bild, Mitte) hatte keinen guten Start. Ihre Mutter war krank, sie selbst „machte viel Blödsinn“. Ihre Lehre als Malerin und Anstreicherin gefiel ihr gar nicht. Mit dem Chef kam sie auch nicht klar.

Sie musste etwas ändern. Friseurin oder ähnlich Barbiehaftes kamen für das burschikose Mädchen nicht infrage. Was hatte ihr immer am meisten Spaß gemacht? Die Antwort fiel leicht: mit dem Opa an alten VW-Bussen herumzubasteln, schrauben zu dürfen, auszuprobieren – das passte zu ihr.

Heute bastelt Wiest an viel größeren Kalibern herum. Der Fahrzeug- und Maschinenbaukonzern MAN engagierte sie als Lehrling für Kfz-Technik. Jetzt schraubt sie an Bussen und Lkw: „Ich habe gleich gewusst, hier gehöre ich her.“

Die Mama war anfangs noch ein wenig besorgt. Ist das nicht gefährlich? Wiest fand das nie. Auch dass die Burschen – in den ersten beiden Lehrjahren war sie das einzige Mädchen – physisch stärker waren, störte sie nicht. „Ich kann mir ja den Kran holen“, sagte sie sich.

Geistig steckt sie die Burschen ohnehin in die Tasche. Sie sei Klassenbeste, sagt sie voller Stolz. Nach der Arbeit büffelt sie in der Abendschule, derzeit für die Deutschmatura. Zwei Lehrjahre fehlen ihr noch, dann hat sie sechs Jahre Zeit für die übrigen Maturaprüfungen. „Das schaffe ich.“

Ein paar ältere Kollegen, erzählt sie, hätten ein wenig Zeit gebraucht, bis sie mit ihr warm wurden. Die Jüngeren hatten nie ein Problem. Und jetzt, sagt sie, „sind wir alle Freunde. Fürs Leben.“

Friseurin zu werden kam auch für die feminine Samira Shady Sani (21, links) nie infrage. Immerhin hat sie AHS-Matura. Allerdings wusste sie nicht so recht, was sie damit anfangen sollte. Ein paar Monate „habe ich mir Publizistik angeschaut, weil das jeder macht.“ Sie fand es knochentrocken. Ein Freund empfahl ihr Jus, „das war noch trockener“. Nach einem dritten Versuch, diesmal Soziologie, wollte sie nicht länger in Hörsälen herumsitzen. „Ich wollte endlich etwas tun.“

Shady Sanis Vater repariert Aufzüge und Fahrtreppen. Das gefiel ihr von Kind an, nur wollte sie lieber mit kleineren Einheiten zu tun haben. Heute lötet Samira als Elektroniklehrling beim Telekommunikationskonzern Kapsch Platinen. Der Vater war von ihrer Entscheidung begeistert. Auch die Mutter freute sich: „Weil sie sich selbst so eine Gelegenheit gewünscht hätte. Sie musste damals Bürokauffrau lernen.“

Etwas mehr Sorgen machte sich Shady Sani, wie wohl die alten Freunde den Wechsel aufnehmen würden. Würden die Studenten verstehen, warum sie lieber eine Lehre machte? Sie verstanden es. „Geh deinen Weg“, sagten sie ihr.

Heute vergleicht Shady Sani altes und neues Umfeld: „Auf der Uni schaut man den anderen gar nicht an. Außer man braucht etwas.“ Im Job aber „rennt der Schmäh“. Sie habe einige HTL-Abbrecher im Team, „die sind auch schon älter. 15-Jährige haben wir nur zwei.“

Inzwischen weiß sie, dass sie beim Zugfunk bleiben will, „die machen die Kommunikation der Züge untereinander und mit den Stationen.“ Das gefällt ihr: „Ich will sicher nichts anderes mehr tun.“

Dritte in der Mädchenrunde ist die zierliche Laura Loreen (19, rechts). Sie brach die AHS kurz vor der Matura ab. „Die ganze Lernerei war nichts für mich.“ Ironischerweise lerne sie heute viel, viel mehr, sagt sie, zuerst nach Büchern und dann am Helikopter selbst. Loreen wird im Fliegerhorst Langenlebarn zur Luftfahrzeugtechnikerin des Bundesheeres ausgebildet. Dass sie ihre Richtung fand, war pures Glück: „In der Schule haben sie mir gesagt, ich soll Sekretärin werden.“ Um nichts in der Welt wollte sie das. Sie klickte sich durch die Liste der Lehrberufe (u. a. unter www.bmwfw.gv.at), bis sie den Ihren hatte: „Ich wollte schon immer wissen, warum ein Hubschrauber fliegen kann.“

Noch heute ärgert es sie, dass in der Schule nur Klischeeberufe vorgestellt werden: „Wo sich die Klassenlehrerin auskennt, das erklärt sie. Das andere nicht.“ Es gäbe viel mehr Berufe, die Mädchen interessieren, ist Laura überzeugt – „wenn sie nur davon wüssten.“

AUF EINEN BLICK

Alle drei Lehrlinge wurden vom Mädchen-Berufszentrum Sprungbrett bei Orientierung und Lehrstellensuche unterstützt. Dort können sich junge Frauen von elf bis 20 Jahren beraten lassen. Organisiert werden weiters Schnuppertage, Betriebsexkursionen und eine sechswöchige Workshopreihe. Das Programm youngFIT fördert den Einstieg in handwerkliche und technische Berufe mit geringem Frauenanteil. www.sprungbrett.or.at

(Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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