Renate Brauner oder Hallöchen, die Schattenbürgermeisterin

Finanzstadträtin Renate Brauner wird 60
Finanzstadträtin Renate Brauner wird 60Clemens Fabry
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Finanzstadträtin Renate Brauner wird 60 und ist seit 20 Jahren Stadträtin. In der SPÖ ist sie in Bund und Land mächtig wie nie. Die Netzwerkerin zieht die Fäden gern im Hintergrund.

Wien. Dass „Gilmore Girls“ Renate Brauners Lieblingsserie ist, überrascht nicht. Die Frauen haben viel gemeinsam: Sie kämpfen für Unabhängigkeit und Emanzipation, sind gesellig, reden gern viel und schnell – und trinken literweise Kaffee. Wie die Girls liebt Brauner es, mit Menschen zu plaudern. Ihr „Hallöchen“, mit dem sie jede Konversation beginnt, ist wienweit bekannt.

Das Netzwerken gilt als Schlüsselkompetenz der Wiener Finanzstadträtin, die morgen, Sonntag, ihren 60.Geburtstag und im November ihr 20-jähriges Jubiläum als Stadträtin feiert – und heute die mächtigste Frau in der Wiener Politik ist. Sie gilt als Verbindungsglied zwischen den unteren Parteireihen und Bürgermeister Michael Häupl, dessen engste Vertraute sie ist (sie waren in Jugendzeiten zehn Jahre ein Paar) – und der ihr das Zepter immer häufiger überlässt.

Brauner trägt den Spitznamen Hallöchen und ist brennender Rapid-Fan.
Brauner trägt den Spitznamen Hallöchen und ist brennender Rapid-Fan.Stanislav Jenis

Regierung à la Brauner

Dass ihr Einfluss aber auch über die Bundeslandgrenzen groß ist, zeigte nicht zuletzt die Regierungsumbildung. Bis auf Infrastrukturminister Jörg Leichtfried kommen alle neuen Mitglieder aus Brauners Stall: Angefangen bei Bundeskanzler Christian Kern, der zwar in Simmering geboren ist und in Neubau lebt, aber seit vielen Jahren in Brauners Sektion in Margareten ist. Sie kennen sich seit Kerns Studium. Von damals kennt sie auch Kulturminister Thomas Drozda, der zuletzt Direktor der Vereinigten Bühnen war, die zur Wien-Holding gehören – und Brauner unterstehen.

Der Vorschlag, Sonja Hammerschmid zur Bildungsministerin zu machen, kam von Brauner. Die beiden Frauen sind seit Jahren eng befreundet. Die neue Staatssekretärin Muna Duzdar saß bis zu ihrer Ernennung in den hinteren Bänken des Gemeinderats – Brauner holte sie auf die Bühne. Und auch die letzte Nachbesetzung in Wien ging auf ihre Kappe: Als Georg Niedermühlbichler als Geschäftsführer in den Bund wechselte, wurde Sybille Straubinger neue Landesparteisekretärin. Sie kommt aus Brauners Frauennetzwerk – mit stolz geschwellter Brust beobachtete die Finanzstadträtin aus einer Ecke deren ersten Auftritt vor der Presse.

v.l.: Michael Krammer, Steffen Hofmann (Rapid), Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, Christoph Peschek (Rapid) und Renate Brauner.
v.l.: Michael Krammer, Steffen Hofmann (Rapid), Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, Christoph Peschek (Rapid) und Renate Brauner.Gepa

Feuerwehrfrau

Der Posten der Landesparteisekretärin war auch Brauners erster wichtiger Job in der Politik. 1996 wurde sie die erste Integrationsstadträtin. „Die Presse“ schrieb damals: „Renate Brauner, bisher Landesparteisekretärin wird neue Integrationsstadträtin. Für Häupl das Signal der SPÖ zum Erneuerungswillen.“ Unter ihrer Ägide durften Ausländer erstmals in Genossenschaftswohnungen ziehen. Von 2004 bis 2007 war sie Gesundheitsstadträtin und übernahm 2007 die Agenden des Vizebürgermeisters und Finanzstadtrats Sepp Rieder.

Wie ein roter Faden zieht sich durch: Brauner wird immer dort installiert, wo es schwierig wird. Das Thema „Ausländer und Integration“ polarisierte damals wie heute. Das Gesundheitsressort übernahm sie von Lise Pittermann, die nach dem Pflegeskandal in Lainz zurücktreten musste. Das Finanzressort bekam sie mit dem Beginn der Wirtschaftskrise, in der sie unter scharfer Kritik der Opposition hohe Kredite aufnahm, um Investitionen zu tätigen, die die Wirtschaft ankurbeln sollten. Ein Teil der Darlehen wurde in den höchstumstrittenen Franken-Krediten aufgenommen. Ihr Konzept der antizyklischen Wirtschaftsförderung führte zwar im Europa-Vergleich wie gewünscht zu einer niedrigen Arbeitslosigkeit, andererseits hat die Stadt nun milliardenschwere Schulden. Um diese abzubauen, muss sie nun die seit Jahrzehnten verschobene und überfällige Verwaltungsreform angehen – womit sie sich vor allem bei den Beamten alles andere als beliebt macht.

Gegen Widerstände anzukämpfen macht ihr auch Spaß: „Es ist schön zu sehen, wenn dann etwas besser funktioniert“, sagt sie zur „Presse“. „Zum Beispiel, dass es jetzt so viele Frauen in der Politik und der Stadt gibt, Frauenpolitik generell ein Thema ist, an dem niemand mehr vorbeikommt. Darauf bin ich stolz und nehme in Anspruch, viel beigetragen zu haben.“ Zufrieden ist sie noch nicht, die Pension kein Thema: „Bevor ich gehe, will ich, dass Wien den internationalen Ruf einer Forschungsstadt hat. Das ist mein großer Wunsch.“ Und: „Dass morgen Rapid gegen Austria gewinnt. Immerhin hab ich Geburtstag.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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