Neue Aufgaben für das Bundesheer

KETTENFAHRZEUGE ANL. DER LEISTUNGSSCHAU DES BUNDESHEERES ZUM NATIONALFEIERTAG
KETTENFAHRZEUGE ANL. DER LEISTUNGSSCHAU DES BUNDESHEERES ZUM NATIONALFEIERTAG(c) APA/HANS PUNZ
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Das Verteidigungsressort will auch Inlandsaufgaben übertragen bekommen. Dafür wäre eine Verfassungsänderung notwendig. Die Opposition signalisiert Zustimmung.

Wien. Es gibt sie doch noch, die Themen, bei denen die Regierung weitgehend Einigkeit zeigt. Mit einem Sicherheitspaket soll das Bundesheer neue Aufgaben im Inland bekommen. Eine Arbeitsgruppe, gebildet aus den Ministern Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Wolfgang Sobotka (ÖVP) sowie den Wehrsprechern von SPÖ und ÖVP hat dazu bereits getagt, große Widersprüche zeichnen sich nicht ab. Und die Opposition, die für eine Verfassungsänderung mit an Bord geholt werden muss, zeigt sich zwar kritisch – schließt aber eine Zustimmung nicht gänzlich aus.

Worum geht es? Die Aufgabenverteilungen im Sicherheitsbereich sind in der Verfassung klar geregelt: Das Bundesheer ist für die Abwehr militärischer Bedrohungen zuständig, die Polizei für Bedrohungen der inneren Sicherheit. Die Sicherheitsbehörden können aber, so sie nicht über ausreichende Mittel verfügen, das Bundesheer im Rahmen eines Assistenzeinsatzes zu Hilfe bitten. Das ist gelebte Praxis: Das Bundesheer wurde in der Flüchtlingskrise des Vorjahres ebenso zu Hilfe gerufen wie zum Grenzschutz in den Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil möchte nun rechtlich Klarstellungen in etlichen Bereichen:

Die Luftraumüberwachung.Theoretisch wäre das Bundesheer für die Abwehr militärischer Flugzeuge zuständig, das Innenministerium für Bedrohungen durch zivile Flugzeuge. In der Praxis ist aber immer das Bundesheer zuständig, da das Innenressort über keine Luftabwehr verfügt. Die in der Praxis längst vollzogene Kompetenzumverteilung soll auch formal festgehalten werden.

Länger dauernde Assistenzeinsätze. Der 22 Jahre dauernde Assistenzeinsatz zur Überwachung der burgenländischen und niederösterreichischen Grenze war eigentlich rechtlich nicht gedeckt. Denn das Innenministerium darf nur dann das Bundesheer um Hilfe rufen, wenn es selbst nicht über die nötigen Kapazitäten verfügt. Und über einen derartig langen Zeitraum wäre es möglich gewesen, die Kapazitäten aufzubauen. Ähnliches droht nun: Die Bewachung der Botschaften durch das Bundesheer wird ebenfalls nicht in einigen Monaten zu Ende gehen. Und es könnte in Zukunft der Fall eintreten, dass wichtige Infrastruktur über einen längeren Zeitraum bewacht werden muss. Das kann nur das Bundesheer – und es soll dafür auch rechtlich korrekt einen Auftrag erhalten können.

Terror. Besonders heikel ist ein dritter Punkt: Im Fall von Terroranschlägen oder länger anhaltenden Stromausfällen kann die Polizei rasch an ihre personellen Grenzen stoßen und das Bundesheer zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit anfordern müssen. Kann und soll das Bundesheer in solchen Fällen auch von sich aus tätig werden können?

Derzeit arbeitet der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt einen Gesetzestext aus, der demnächst vorliegen soll. ÖVP-Wehrsprecher Bernd Schönegger legt die Linie seiner Partei aber schon vorher fest: Dem Heer die Kompetenz für die gesamte Luftraumüberwachung zu übertragen, sei unproblematisch, längere Assistenzeinsätze rechtlich zu legitimieren, ebenso. Da müsse man sich sehr genau ansehen, ob Szenarien vorstellbar seien, die einen eigenständigen Bundesheereinsatz gegen den Terror rechtfertigen. Prinzipiell halte er aber die derzeitige Rechtslage mit Assistenzanforderung durch das Innenressort für ausreichend, so Schönegger zur „Presse“. Für eine Änderung der Kompetenzen für das Bundesheer benötigt die Regierung auch die Opposition: Für die notwendige Zweidrittelmehrheit sind die Stimmen von FPÖ oder Grünen notwendig. Beide Parteien haben sich zwar kritisch zu den Plänen geäußert – lehnen sie aber nicht völlig ab.

Zweidrittelmehrheit möglich

„Wir brauchen keine neuen Aufgaben für das Bundesheer“, sagt FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch. „Präzisierungen“ seien aber möglich, „das schauen wir uns gern an.“ Darunter würden auch die Luftraumüberwachung und längere Assistenzeinsätze fallen.

Auch der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz zeigt sich offen für Gespräche, auch er kann sich Luftraumüberwachung und längere Assistenzeinsätze vorstellen. Allerdings: Neue Aufgaben für das Heer in punkto Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung sind für ihn nicht vorstellbar: „Da gibt es keinen Verhandlungsspielraum.“ Wobei Pilz gar nicht befürchtet, dass Verteidigungsminister Doskozil neue Instrumente missbräuchlich einsetzen könnte: „Ich will keine erweiterten Kompetenzen für einen künftigen Verteidigungsminister Herbert Kickl oder Harald Vilimsky.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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