Missstimmung bei Mindestsicherung

VERHANDLUNGEN ZUR MINDESTSICHERUNG: PK / ST�GER
VERHANDLUNGEN ZUR MINDESTSICHERUNG: PK / ST�GER(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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ÖVP-Politiker sehen Sozialminister Alois Stögers Frist bis Montag als Ultimatum und Diktat. Oberösterreich zeigt sich aber kompromissbereit, Niederösterreich bleibt bei harter Linie.

Wien. Die Reform der Mindestsicherung sorgt für Verstimmungen – nicht nur zwischen Bundes- und Landespolitikern. Am Freitag empörte sich Klaus Schneeberger, niederösterreichischer ÖVP-Klubchef, über Caritas-Präsidenten Michael Landau. Grund war der Auftritt Landaus in der „ZiB2“ am Vorabend. „Aussagen von Caritas-Chef Landau, wonach Kinder in Niederösterreich Gefahr laufen, ihr Essen im Müll suchen zu müssen, stellen eine unglaubliche Entgleisung dar.“ Dieses Bild sei fern jeglicher Realität. „Fakt ist, dass einer Familie mit zwei Kindern nach dem neuen NÖ-Mindestsicherungsmodell monatlich 1500 Euro plus 389 Euro Familienbeihilfe zur Verfügung stehen“, so Schneeberger.

An Niederösterreich und Oberösterreich spießt sich derzeit eine bundeseinheitliche Lösung. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat den beiden Ländern noch eine Frist bis Montag gesetzt, doch noch auf seinen Vorschlag einzugehen. Niederösterreichs Soziallandesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) hat bereits Freitag kundgetan, dass sie eine Zustimmung Niederösterreichs für „nicht sehr wahrscheinlich“ halte.

Oberösterreichs Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer – sie ist Sozialdemokratin – meint gegenüber der „Presse“: „Sie kennen die Machtverhältnisse in Oberösterreich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Herr Landeshauptmann seinem Koalitionspartner widersprechen wird.“ FPÖ-Landesparteichef Manfred Haimbuchner hat zuvor bereits wissen lassen, dass man sich das oberösterreichische Modell sicher nicht „verwässern“ lassen werde.

Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer zeigte sich gestern zumindest gesprächsbereit: Stögers „Diktat“ lehne er zwar ab, aber eine „Teileinigung“ sei nicht ausgeschlossen. So sollte es Bereiche geben, die die Länder regeln, andere hingegen der Bund. „Die Höhe des Integrationsbonus gehört in die Kompetenz der Länder, die Deckelung sowie gemeinnützige Arbeit in die des Bundes.“

Für den Fall, dass sich Niederösterreich und Oberösterreich verweigern, will Stöger eine gemeinsame Vereinbarung mit den übrigen Bundesländern schließen. Sein Vorschlag sieht eine Deckelung der Mindestsicherung für arbeitsfähige Vollbezieher bei 1500 Euro vor. Zudem sollen Flüchtlinge nur 520 Euro als Basisleistung erhalten und zusätzlich 317 Euro, wenn sie eine Integrationsvereinbarung unterschreiben und die darin vorgesehenen Maßnahmen umsetzen. Insgesamt kämen sie dann auf einen Betrag von 837 Euro.

Die niederösterreichische ÖVP will den Bezug der Mindestsicherung aber an eine bestimmte Aufenthaltsdauer, also an eine Wartefrist, knüpfen. Sie wolle einen Unterschied zwischen Menschen, die neu im Land seien und jenen, die schon lange hier seien, sagt Soziallandesrätin Schwarz. In Oberösterreich hat Schwarz-Blau die Mindestsicherung bereits gekürzt.

Kritik kam auch von Tirols ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter: „Grundsätzlich halte ich fest, dass ich mich vom Sozialminister nicht unter Druck setzen lasse.“ Vorarlbergs ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner sprach gar von „Pfusch“. Ihn ärgere beim Stöger-Vorschlag, dass es sich bei der Deckelung nur um eine „Kann-Bestimmung“ handle. „Wenn es keine Lösung gibt, gehen wir unseren eigenen Weg.“

Auch Kanzler Christian Kern meldete sich zu Wort: Die „formale Diskussion“, ob man nun mit Landesräten oder Landeshauptleuten spreche, interessiere ihn „nicht besonders“. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka hatte Stöger zuvor aufgefordert, direkt mit den Landeschefs zu verhandeln. Entscheidend sei, so Kern, „dass es bei denjenigen, die es brauchen, keine Kürzungen gibt – etwa bei Alleinerziehern oder Behinderten“. (oli/j.n./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

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