Mindestsicherung: SPÖ und ÖVP weisen einander Schuld zu

Mindestsicherung: SPÖ und ÖVP weisen einander Schuld zu
Mindestsicherung: SPÖ und ÖVP weisen einander Schuld zuAPA/BARBARA GINDL
  • Drucken

Sozialminister Stöger habe "wie ein Amateur verhandelt", sagt ÖVP-Generalsekretär Amon. Die SPÖ wirft der Volkspartei vor, eine Lösung torpediert zu haben.

Mit gegenseitigen Vorwürfen reagierten am Mittwoch die Parteizentralen von SPÖ und ÖVP auf die vorerst gescheiterten Verhandlungen über eine Reform der Mindestsicherung.

"Zu einem Kompromiss gehören immer zwei Seiten, die aufeinander zugehen. Wenn sich aber nur ein Verhandlungspartner bewegt und der andere immer neue Forderungen stellt, ist das kein Verhandeln, sondern nur dem Ziel untergeordnet, eine Lösung zu torpedieren. Und genau das hat die ÖVP gemacht", erklärte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Die Bundesländer Oberösterreich und Niederösterreich würden dabei "das ganze Land in Geiselhaft nehmen und eine Politik auf dem Rücken der Schwächsten betreiben".

ÖVP-Generalsekretär Werner Amon warf der SPÖ vor, an einer Reform der Sozialhilfe gar nicht interessiert zu sein. Sozialminister Alois Stöger habe "schon das ganze Jahr wie ein Amateur verhandelt und genauso wie das hauptbetroffene rote Wien keinen echten Reformwillen gezeigt", sagte Amon. "Wenn die SPÖ glaubt, dass sie der ÖVP jetzt den schwarzen Peter zuschieben kann, ist sie am Holzweg. Es war einzig und alleine die SPÖ, die Fortschritte in den Verhandlungen torpediert hat."

Auch die FPÖ übte Kritik an Stöger und warf ihm "Erpressungsversuche" gegenüber den Bundesländern vor. Stöger hatte angekündigt, den Ländern nach Auslaufen der Mindestsicherungs-Vereinbarung den Bundeszuschuss zur Krankenversicherung zu streichen. Kickl wünscht sich angesichts dieser Aussagen Stögers Vorgänger Rudolf Hundstorfer zurück:"Bei aller Kritik gegenüber Hundstorfer in vielen Politikfeldern, in einer solchen Sackgasse wäre er als Sozialminister niemals steckengeblieben." Stöger solle lieber die Krankenversicherungsbeiträge für arbeitslose EU-Bürger, Drittstaatsangehörige und Flüchtlinge einsparen.

Grüne sehen "politisch konstruierte Neiddebatte"

Die Grünen wiederum warfen Oberösterreich, Niederösterreich und dem schwarzen Parlamentsklub vor, sie hätten eine "politisch konstruierte Neiddebatte" geführt und nie eine ernsthafte Lösung angestrebt. Parteichefin Eva Glawischnig warnte vor einem "Rückschritt in die sozialpolitische Steinzeit". Denn mit dem Auslaufen der Bund-Länder-Vereinbarung zur Mindestsicherung drohe die Gefahr von unterschiedlichen Standards in den Ländern bis hin zum Wegfall der Krankenversicherung der Bezieher.

Die Grünen - sie regieren in vier Bundesländern mit und hätten die Einigung dort mittragen müssen - hätten sich um eine österreichweite Lösung bemüht. In der ÖVP habe es aber von Beginn an eine Allianz gegeben, die nach jedem Entgegenkommen "immer wieder nach unten lizitiert" habe. Und die von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) als letzter Kompromiss vorgeschlagene verpflichtende Deckelung bei 1500 Euro sei auch den Grünen zu weit gegangen. "Das Niveau ganz zum Schluss war so tief - wir haben wenig Lust, FPÖ-Sozialpolitik zu legitimieren", so Glawischnig mit Blick auf das schwarz-blau regierte Oberösterreich.

Mindestsicherung

Die Mindestsicherung ist das unterste Sicherungsnetz des Sozialstaates in Österreich. Eine weitgehend einheitliche Regelung gibt es erst seit 2010. Sollte der damals befristet abgeschlossene Bund-Länder-Vertrag nicht bis Jahresende verlängert werden, droht ab 2017 die Rückkehr zum Fleckerlteppich der alten Sozialhilfe. Verschärft werden könnten insbesondere die Regeln für Familien und Zuwanderer.

Die Mindestsicherung ersetzt seit 2010 die bis dahin in den Ländern unterschiedlich geregelte Sozialhilfe. Anders als Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Pension ist sie keine Versicherungsleistung. Die Bezieher müssen zuvor also keine Beiträge bezahlt haben. Um ein bedingungsloses Grundeinkommen handelt es sich aber nicht: Wer arbeitsfähig ist, muss Jobangebote annehmen. Eigenes Vermögen muss verbraucht werden, bevor Geld vom Staat kommt. Ausgenommen sind nur 4.188,80 Euro, Eigenheime und beruflich benötigte Autos.

Einzelpersonen erhalten maximal 837,76 Euro und Lebensgemeinschaften bis zu 1.256,6 Euro monatlich. Dazu kommen 150,80 Euro pro Kind. Ausgezahlt wird (im Gegensatz zur Mindestpension) nur zwölf Mal jährlich. Für Familien ist nun in mehreren Ländern eine Deckelung bei 1.500 Euro im Gespräch, für Flüchtlinge und andere Neuankömmlinge eine niedrigere Leistung. Die tatsächlich ausgezahlten Summen liegen in der Praxis allerdings im Durchschnitt unter den Maximalbeträgen: im Vorjahr bei durchschnittlich 331 Euro monatlich pro Person bzw. 568 Euro pro Haushalt. Dies u.a. deshalb, weil viele Bezieher einen niedrigen Arbeitslosenbezug oder ein niedriges Einkommen durch die Mindestsicherung aufgebessert bekommen ("Aufstocker"). Die Länder gewähren Zuschüsse in unterschiedlicher Höhe. 

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.