Geschworene: Reform naht

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SYmbolbild.(c) Clemens Fabry
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So intensiv waren die Rufe nach einer Reform der Laiengerichtsbarkeit seit Jahren nicht mehr. Auch die Politik zeigt sich willig.

Wien. Der Prozess um den Amokfahrer von Graz war der Auslöser eines Diskurses über die Geschworenengerichtsbarkeit. Die Verhandlung endete in erster Instanz mit lebenslanger Haft für Alen R. (27). Das von Gutachtern mehrheitlich attestierte Prädikat nicht zurechnungsfähig wurde von den Geschworenen, also von acht Laienrichtern, verworfen. Der Start einer neuen juridischen Diskussionsreihe zeigte Dienstagabend in Wien, wie laut die Reformrufe bereits sind.

Vertreter von Richtern, Staatsanwälten, Verteidigern, der Lehre, der Politik und der Medien sprachen sich für eine Verbesserung des Systems aus. Grundtenor: Der Umstand, dass Geschworenenurteile nicht begründet werden müssen, sei nicht mehr tragbar.

Auch ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter stieß am Mittwoch auf „Presse“-Anfrage in diese Kerbe: „Die Verbesserung des geschworenengerichtlichen Systems muss vor allem bei der Notwendigkeit einer Begründung ansetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass die rechtsstaatliche Nachvollziehbarkeit von Urteilen im geschworenengerichtlichen Verfahren verbessert wird. Und das steht auch so im Regierungsprogramm. Wenn sich eine Mehrheit für eine Reform finden lässt, stehe ich gern bereit und freue mich darüber.“ Zur Erklärung: Derzeit entscheiden Geschworene allein (ohne Berufsrichter) über die Schuld des Angeklagten und müssen auch keine fundierte Begründung abliefern (dies wäre rechtlichen Laien auch nicht zumutbar, heißt es).

Ende der Koalition würde Zeit kosten

Staatsanwälte-Präsident Gerhard Jarosch sagte Dienstabend: „Für mich ist in einem Rechtsstaat ein wohl begründetes Urteil unverzichtbar.“ Hinsichtlich eines konkreten Reformfahrplans erklärte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim: „Wenn die Koalition nächsten Sommer noch steht, könnten wir die Reform durchbringen.“

Zurück zum Auslöser der Laienrichterdebatte, dem nicht rechtskräftigen Amokfahrer-Urteil: Dass ausgerechnet dieses den Reformeifer anheizt, ist kurios. Denn die Weichen waren aufgrund der blutigen Bilanz der Amokfahrt (laut Urteil: dreifacher Mord, 108-facher Mordversuch!) von Anfang an auf die Verhängung der Höchststrafe gestellt gewesen. Auch die Berufsrichter hatten nämlich erkennen lassen, dass sie an der Einstufung Zurechnungsunfähigkeit zweifeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2016)

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