Ein „fast geiles“ Bildungsdoppel

MINISTERRAT - DEBRIEFING: MAHRER / HAMMERSCHMID
MINISTERRAT - DEBRIEFING: MAHRER / HAMMERSCHMID(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Seit dem Antritt von Ministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) hat sich das Koalitionsklima in der Bildung deutlich verbessert. Mit Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) hat sie viel gemeinsam.

Es soll vorkommen, dass Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) während einer Besprechung in ihrem Ressort zum Mobiltelefon greift und ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer anruft, um einen offenen Punkt direkt zu klären. Während es im koalitionären Getriebe sonst knirscht, läuft es zwischen den beiden Bildungsverantwortlichen sowohl klimatisch als auch inhaltlich relativ gut, manche meinen sogar: super.

Obwohl sich die Umsetzung der Schulreform auch nach einem Jahr noch relativ zäh gestaltet, haben sie mit Schulautonomie und Ganztagsschule zuletzt immerhin zwei größere Brocken auf den Weg gebracht – und das bisher ohne (öffentliche) Anwürfe. Das Klima sei konstruktiv, heißt es in der bildungspolitischen Szene. Freundlich, freundschaftlich gar. Der Wille zur Zusammenarbeit sei klar erkennbar. Was vorher nicht immer der Fall gewesen sei.

Vorher, das war unter Hammerschmids Vorgängerin, Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), die nach dem Kanzlerwechsel im Frühling gehen musste. Mit ihr gestaltete sich die Zusammenarbeit trotz medienwirksamen Handschlags bei der Präsentation der laut Mahrer „fast geilen“ Bildungsreform eher holprig. Als er Heinisch-Hosek zwei Monate später Leseschwierigkeiten unterstellte, war der offizielle Tiefpunkt erreicht. Der strittige Passus – das standardmäßige Aus für Ziffernnoten – fiel. Es blieb der Eindruck, dass es die Ex-Ministerin bisweilen mit dem Kopf durch die Wand versuchte.

Hammerschmid ist da anders: diplomatischer und pragmatischer, auch im Umgang mit sozialdemokratischen Dogmen, wie sich bei der Gesamtschule zeigt. Die stellte sie, erst seit Frühling SPÖ-Mitglied, von Anfang an zurück. Was angesichts der aktuellen Konstellation mit der ÖVP nur vernünftig ist. Bei der Ganztagsschule bringt sie da – zumal mit Mahrer, mit dem man über die Sinnhaftigkeit nicht erst diskutieren muss – mehr zustande. Nicht immer zur Freude anderer in der Volkspartei.

Die große, neue Bildungswelt

Die 47-Jährige und der 43-Jährige scheinen auch persönlich ganz gut zu harmonieren. Sie sind beide der Typ jung, dynamisch. Sie sind nicht (oder nicht nur) durch die Mühlen der Partei gegangen, sie haben beide (auch) Erfahrungen außerhalb des Politikbetriebs. Diese schlug sich zuletzt etwa bei der Schulautonomie nieder, wo Hammerschmid – die als frühere Uni-Rektorin keine Angst vor mehr Autonomie hat – noch an ein paar Schrauben drehte. Nach einem weiteren symbolischen Handschlag bei der Präsentation der Eckpunkte im Oktober ist das Gesetz zum Autonomiepaket allerdings bisher noch nicht in Begutachtung gegangen. Vielleicht aufgrund einer weiteren Gemeinsamkeit, die der oberste Lehrergewerkschafter, Paul Kimberger, sieht. „Beide schweben ein wenig über den Dingen und stellen sich die große neue Bildungswelt vor.“ Das sei ja ambitioniert. Aber der Teufel, der stecke halt im Detail.

Zur Person

Tatsächlich ist Hammerschmid nach einem halben Jahr als Ministerin noch nicht in allen Details ganz firm. Man erinnere sich an die etwas vorschnelle Idee, die Schulen über das Kreuz im Klassenzimmer entscheiden zu lassen. Dass sie in der SPÖ keine Hausmacht hat, könnte bei etwaigen Konfrontationen zum Problem werden. Auf der anderen Seite ist Mahrer den Zwängen einer ÖVP unterworfen, die bei Bildungsthemen bekanntlich alles andere als eine einheitliche Linie hat. Stichwort ÖVP-Bundesländer: An denen könnte der jüngste Entwurf für die Reform der Schulverwaltung wieder scheitern.Harald Mahrer (43) ist seit September 2014 Staatssekretär im Wissenschaftsministerium von Minister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Der promovierte Betriebswirt war von 2011 bis 2015 Präsident der Julius-Raab-Stiftung und zuvor als Unternehmer im PR- und Lobbyingbereich tätig. Seit dem Jahr 2015 ist der gebürtige Wiener Vizepräsident der Politischen Akademie
der Volkspartei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2016)

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