Straches Ausweitung der (Wahl-)Kampfzone

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Der FPÖ-Chef lobt Minister Sebastian Kurz und appelliert an Sympathisanten der ÖVP, Norbert Hofer zu wählen.

Wien. Noch ist die Zahl der Tage bis zur Wiederholung der Bundespräsidentenwahl knapp zweistellig. Noch. Und noch versuchen die Teams der verbliebenen beiden Kandidaten mit unterschiedlichen Mitteln zu mobilisieren. Gut möglich, dass diese letzten Tage bis zur Stimmabgabe am 4. Dezember sogar entscheidend für den Ausgang sein werden – dafür, ob Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer die Nachfolge Heinz Fischers in der Wiener Hofburg antritt.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache betreibt nun eine Ausweitung der (Wahl-)Kampfzone. Er hat am Dienstag über seinen Facebook-Account einen indirekten Appell an Sympathisanten der ÖVP gerichtet, den Kandidaten seiner Partei zu wählen, Norbert Hofer also. Davor lobte Strache Außenminister Sebastian Kurz. Mit diesem habe die ÖVP endlich jemanden, der, wie die FPÖ das seit Jahrzehnten tue, sich „zumindest manchmal traut, die Dinge beim Namen zu nennen und von Zuwanderern Integration und Anpassung an unsere Werte und Traditionen einzufordern“.

Gleichzeitig richtet er eine Frage an „alle ÖVPler“: Wie solle dieser mögliche Schwenk von Kurz, wenn er ehrlich gemeint sei, zu einer „Politik des Augenmaßes und der Vernunft“ unter einem Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen vollzogen werden? Die Koalition von SPÖ und ÖVP sei nicht in der Lage, die wichtigen Reformen anzugehen. Da Van der Bellen keinen FPÖ-Politiker mit der Regierungsbildung beauftragen wolle, werde die ÖVP keine Alternative zur SPÖ haben und wäre ihr und den Grünen die nächsten Jahre völlig ausgeliefert.

Debatte um Nazi-Vergangenheit

Und Strache bezieht sich ausdrücklich auf die christliche Prägung der ÖVP. Wie könne da ein Kandidat unterstützt werden, der bekennender Atheist und Abtreibungsbefürworter sei. Gemeint ist der frühere Grünen-Chef. Zuletzt haben mehrere ÖVP-Politiker, beginnend bei Parteichef Reinhold Mitterlehner, ihre Sympathie für eine Wahl Van der Bellens öffentlich bekannt.

Im Bundespräsidentschaftswahlkampf hat die in Wien nicht amtsführende FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel ihre Vorwürfe gegen den Vater Van der Bellens bekräftigt. Sie rückte diesen in NS-Nähe. Tatsächlich gibt es aber laut APA-Recherchen keine Hinweise darauf, dass Van der Bellen senior Kontakte zu Nationalsozialisten hatte oder mit diesen sympathisierte. Alle Indizien in estnischen, deutschen und österreichischen Archiven wiesen den 1966 verstorbenen Alexander Van der Bellen senior als „weltgewandten Liberalen vorrevolutionären russischen Zuschnitts“ aus. Politisches Engagement lasse sich beim damaligen Flüchtling aus Sowjetrussland, späteren Geschäftsmann und Staatsbürger Estlands lediglich in seiner Studienzeit im estnischen Tartu belegen: Anfang der 1920er-Jahre betätigte er sich auf einer Vortragstournee in Holland und Großbritannien als Fundraiser für russische Studenten, die wie er nach der Oktoberrevolution aus ihrer Heimat geflohen waren. Von Beziehungen Van der Bellens zu estnischen NS-Kollaborateuren ist nichts bekannt. Anfang 1941 sind er und seine Familie im Rahmen eines deutsch-sowjetischen Abkommens als sogenannte Nachumsiedler in das Deutsche Reich emigriert.

Hofers Wirtschaftsberater sagt ab

Unterdessen muss sich Norbert Hofer auf die Suche nach einem neuen Wirtschaftsberater begeben, falls er in die Wiener Hofburg einzieht. Der von ihm erst am Sonntag dafür genannte Dieter Hundt, er ist Präsident der Deutschen Handelskammer in Österreich, gibt ihm einen Korb.

Sein Amt verpflichte ihn zur politischen Neutralität, hieß es in einer mit dem Unternehmer und früheren Chef der deutschen Arbeitgeberverbände akkordierten Stellungnahme, die die Handelskammer am Dienstag veröffentlicht hat. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)

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