Norbert Hofer: Er will nicht nur spielen

(c) Robert Jäger
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Wer ist dieser Mann, den keiner ganz zu durchschauen glaubt? Vielleicht ist Norbert Hofer einfach so, wie er rüberkommt: ein Rechter mit meist guten Manieren. Die Geschichte eines unfreiwilligen Aufstiegs.


So schnell ändern sich die Zeiten. Ende April, dienstagabends im Schweizerhaus: Eine Frau geht schüchtern auf Heinz-Christian Strache zu. Sie fragt, ob sie mit ihm für ein Foto posieren dürfe. Sie darf. Ein Mann bietet sogar an, den Auslöser der Handykamera zu drücken. Was die Frau nicht sehr beeindruckt: Der Mann ist Norbert Hofer – jener Kandidat, der zwei Tage zuvor fast 1,5 Millionen Stimmen erhalten hatte. Das Essen im Traditionslokal wurde anlässlich der ersten Runde der Hofburg-Wahl organisiert.

Ende November, montagabends im Parlament: Strache lädt zu einem Festakt. Der Anlass ist sein Jubiläum: Seit zehn Jahren ist er bereits Klubobmann der Freiheitlichen. Elf Jahre lang leitet er schon die Bundespartei, seit zwölf Jahren ist er Wiener FPÖ-Chef. Rund 180 Gäste sind zu seinen Ehren erschienen. Offiziell. Als er den Raum betritt, schütteln sie ihm die Hand, begrüßen ihn, lächeln ihm zu. Dann Auftritt Hofer: Es gibt Applaus, Jubel, sogar Standing Ovations. Unnötig zu erwähnen, wer hier inoffiziell gefeiert wird.

Was ist in der Zwischenzeit passiert? Eine Wahl. Eine Aufhebung. Eine Verschiebung. Es ist die Geschichte eines Wahlkampfs, den man auch ohne Hang zur Übertreibung als historisch bezeichnen kann. Es ist aber auch die Geschichte eines nicht ganz freiwilligen Aufstiegs eines Mannes, der lange freiwillig die Nummer drei war. Hinter dem Parteichef, aber auch hinter dem FPÖ-Generalsekretär, Herbert Kickl. Wer ist aber dieser 45-jährige Burgenländer, der für die FPÖ neue Rekordwerte aufstellt? Wie gefährlich, wie harmlos ist er wirklich? Trägt er eine Maske, spielt er eine Rolle? Seit elf Monaten versucht Österreich, Hofers Persönlichkeit einzufangen.

Abgesehen davon, dass jeder Kandidat während der Kampagne bestimmte Vorgaben erfüllt, könnte man die These aufstellen: Norbert Hofer ist möglicherweise einfach so, wie er wirkt. Ein Freiheitlicher, aber freundlich. Ein Rechter. Mit guten Manieren, aber denselben Positionen seiner Parteikollegen. Schließlich hat er federführend am Parteiprogramm mitgearbeitet. Um einen musikalischen Vergleich zu wagen: Für Trompeten gibt es Dämpfer, trichterförmige Utensilien, die die Lautstärke und die Klangfarbe regeln. Es ist dasselbe Instrument, dieselbe Technik. Blechbläser können mit derselben Wucht in ihr Instrument schmettern. Es klingt nur anders. So ist es bei Norbert Hofer.

Die Jungen sollen übernehmen

Dass Hofer nun erfolgreich und beliebt ist, dürfte Strache nicht verwundern. Der Parteichef wollte von Anfang an, dass sein Wegbegleiter mehr Verantwortung übernimmt und stärker in die Öffentlichkeit rückt. Dass er aber erfolgreicher und beliebter als Strache ist, dürfte das Ego des Parteichefs dann doch ankratzen. Ein Grund mehr für ihn, Hofer in die Hofburg bringen zu wollen: Wer Bundespräsident ist, kann schließlich kein Parteichef sein.

Es sollte also wohl auch ein bisschen beschwichtigend klingen, als Hofer bei der Jubiläumsfeier zu Strache meinte: „Ich werde vielleicht bald, falls ich Präsident bin, nicht mehr dein parteipolitischer Mitstreiter sein. Aber ich werde für immer dein Freund sein.“ Und diese Freundschaft begann vor vielen Jahren. Vor mehr als einem Jahrzehnt begegneten sie sich zum ersten Mal (O-Ton Hofer: „an einem Ort, den ich nicht näher definieren möchte“). Strache soll ihm, einem „völligen Fremden“, gesagt haben: „Die Jungen müssen die Partei übernehmen.“ Hofer habe sich nur gedacht: „Wer ist das, was will er von mir?“ Kurze Zeit später begann ihre politische Zusammenarbeit. Strache an der Spitze der Partei, Hofer als einer seiner wichtigsten Mitarbeiter – „oft in einem kleinen, schwarzen Smart unterwegs, um zu Verhandlungen zu fahren“.

Kein Kettenhund, aber bissig

Strache bot Hofer zu Beginn sogar den Job als Generalsekretär an. Er lehnte ab. Im Nachhinein betrachtet, verwundert das nicht: Für den Posten muss man der Typ Kettenhund, angriffig und harsch, sein. Hofer selbst verglich sich hingegen schon mit einem Cockerspaniel: „Der ist bissig, hinterlässt aber keine tiefen Wunden.“ Dafür wurde er zum Vizeparteichef ernannt. Das passt auch besser zu seiner ruhigeren Persönlichkeit. Er ergänzt den angriffigen, polternden Parteichef, er ersetzt ihn nicht. Zumindest hat er keine Ambitionen darauf. Vielleicht muss man hinzufügen: noch nicht.

Erste Zweifel

Wieso die Beziehung zwischen Strache und Hofer so herausgehoben wird? Weil sie essenziell ist, um die Aussgen und die Politik Hofers zu verstehen. Und weil sie der Grund dafür ist, dass sich der 45-jährige Kandidat (zum dritten Mal) der Wahl stellt. Denn als Hofer absagte, als man ihm anbot, für die FPÖ bei der Präsidentenwahl zu kandidieren, ließ sich Strache nicht abwimmeln. Er suchte zwar nach Alternativen, ließ aber letztendlich nicht locker. Diesmal sagte Hofer zu. Obwohl er sich eigentlich für zu jung hielt (das sagte er übrigens auch 2011 über ein potenzielles Ministeramt). Und obwohl er Sorge hatte, dass sein Körper die Strapazen eines Wahlkampfes nicht durchhalten würde.

Die Sorgen sollten unbegründet sein. Sowohl sein Alter als auch seine Gehbehinderung konnte Hofer taktisch für sich nutzen, das gibt die Partei auch zu. Er wäre schließlich das jüngste Staatsoberhaupt in der Geschichte Österreichs. Dass er sich nach einem schweren Paragleiterunfall von einer Querschnittslähmung wieder zurück auf die Beine kämpfte, zeigt ihn als Kämpfer. Der Nachteil: Klassisches Wahlwerben auf Festen ist für Hofer nur begrenzt möglich.
Aber nun, in der wirklich heißen Phase der Kampagne, konzentriert er sich ohnehin auf medienwirksame Termine. Hier wird die Symbiose zwischen Hofer und Strache besonders sichtbar: Um zu gewinnen, muss Hofer seine Schwächen aus der vergangenen Wahl ausgleichen. Vor allem in Wien schnitt er vergleichsweise schlecht ab, wie allgemein im urbanen Gebiet. Er soll die Bürgerlichen überzeugen, ohne sie zu verschrecken. Sie wollen sich nicht wundern, was alles möglich wird.

Krieg in Europa?

Die Basis muss aber trotzdem bei Laune gehalten werden – schließlich sollen die FPÖ-Sympathisanten ebenfalls zur Wahl gehen. Dafür ist Strache da. Zu beobachten war dies erst wieder Freitag vergangener Woche: Bei einem Symposion zum Thema „Massenmigration nach Europa“. Der ehemalige tschechische Präsident – und scharfe EU-Kritiker – Václav Klaus war ebenfalls zu Gast: „Man kann von einem Krieg in Europa reden“, warnte er. „Bisher zum Glück nur ein Krieg der Ideen und Interpretationen.“ Strache legte nach, kritisierte die „Willkommenskultur von Polizei und Bundesheer“. Es drohe eine „muslimische Mehrheitsbevölkerung in den Großstädten“. Dann sprach Hofer: Wäre er damals, im Herbst 2015, Präsident gewesen, „dann hätte ich die Regierung entlassen“. Sonst spricht er das aus, was seine Vorredner gesagt haben. Nur vorsichtiger: „Es ist unser Land. Wir haben die Verantwortung, es unbeschädigt weiterzugeben.“ Man lebe in einer Zeit, in einer Welt, „wo Medien nicht mehr drüber berichten dürfen, wer wo welche Straftaten verübt“. Aber jetzt würden die Menschen umdenken. „Es wird noch vieles auf mich und meine Familie zukommen in diesem Wahlkampf“ – um seinen Erfolg zu verhindern. Man würde in ihm einen Wolf im Schafspelz sehen „Und ich gebe zu: Ich habe zwei Gesichter“, sagt Hofer. „Ein freundliches. Und ein noch freundlicheres.“

„Stramme Nationale“

Hofers politische Beziehungen, seine Ansichten, seine Taktiken sind großteils bekannt. Er ist Ehrenmitglied der schlagenden Burschenschaft Marko-Germania Pinkafeld. Sein jetziger Büroleiter ist René Schimanek, der gemeinsam mit seinem Bruder Hans-Jörg im Tross vom verurteilten Neo-Nazi Gottfried Küssel unterwegs war. Ein Funktionär aus einem anderen Parlamentsklub, der die Geschehnisse im Hohen Haus beobachtet, meint: „Es gibt natürlich stramme Nationale in seinem Büro.“ Hofer sei aber genau so, wie er eben rüberkomme.

Der Präsidentschaftskandidat spielt auch mit der Wahrheit. Zwei Beispiele dafür: Er sagte zunächst, er kenne keine muslimischen Pfleger. Nach Kritik meint er, es handle sich um liberale Muslime in dieser Berufssparte. Er gibt Kosten pro Flüchtling an, ohne dazuzusagen, dass es eine Schätzung für die nächsten 45 Jahre ist. Auch ein Buch, dessen Herausgeber er ist, sorgte für Schlagzeilen: Dort ist von „Brutpflege“ die Rede, und nicht nur. In den sozialen Medien wurde bereits gewitzelt, dass nur noch die Information fehlt, ob die Kandidaten Rosinen mögen, um sich für einen der beiden zu entscheiden.

Persönliches über Hofer zu erfahren ist im Übrigen nicht schwierig. Er ist umgänglich, man kommt leicht mit ihm ins Gespräch. Wir wissen, dass seine Lieblingsserie „The Good Wife“ ist. Er raucht E-Zigarette, Geschmack „Türkischer Tabak“. Seine Narbe im Gesicht stammt von keiner Mensur, sondern von einer Verletzung beim Radfahren. Er hat einen Waffenschein, will nach dem Wahlkampf den Flugschein machen. Und er hat eine Theorie: Es gibt Menschen, die Nougat mögen. Dann schmeckt ihnen aber kein Marzipan. Und umgekehrt. Politische Positionen spricht er selten an. Warum auch. Plaudern ist angenehmer als politisieren. Und außerdem ungefährlicher.
Übrigens: Norbert Hofer mag Rosinen. Aber nur im Studentenfutter.

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