Wahlen: Es war schon einmal knapper

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Van der Bellen und Hofer trennten zuletzt 0,7 Prozentpunkte. Für den 4. Dezember gibt es ebenfalls keinen Favoriten. Auch in der Vergangenheit entschieden oft nur wenige Stimmen.

Soll noch einer sagen, die eigene Stimme mache keinen Unterschied. Im Gegenteil, manchmal entscheidet sie sogar über die Verfassungsmehrheit. So geschehen am 3. März 2013 bei der jüngsten Landtagswahl in Kärnten: Die Koalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen erhielt gemeinsam zwei Drittel der Landtagsmandate. Allerdings nur knapp: Nach Auszählen der Briefwahlstimmen wanderte ein Mandat vom BZÖ zu den Grünen. Wie gesagt: wegen einer einzigen Stimme.

Für Aufsehen sorgte das Ergebnis aber auch, weil es aus einem skurrilen Grund angefochten wurde. Das BZÖ fühlte sich um eine Stimme betrogen: Ein Wahlzettel sei zu Unrecht für ungültig erklärt worden, weil darauf eine „pornografische Karikatur“ gezeichnet wurde. Der Verfassungsgerichtshof gab der Anfechtung allerdings nicht statt. Auf einem Stimmzettel sei zwar ein Penis auf das Feld neben dem BZÖ gezeichnet worden. Seine Stimme hatte der Wähler aber eindeutig den Piraten gegeben, die kreuzte er im vorgesehenen Kreis an.

1,7 Millionen Nichtwähler

So eng war das Ergebnis bei der vergangenen, aufgehobenen Stichwahl für das Bundespräsidentenamt zwar nicht. Trotzdem wäre es das knappste Ergebnis einer Bundespräsidentenwahl gewesen: Nur 30.863 Stimmen (beziehungsweise 0,7 Prozentpunkte) trennten Ende Mai noch den erstplatzierten Alexander Van der Bellen von seinem Gegner, Norbert Hofer. Die Wahlbeteiligung war immerhin vergleichsweise hoch: 72,7 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. 164.875 Menschen wählten ungültig. 1,7 Millionen Personen machten wiederum von ihrem Stimmrecht nicht Gebrauch.

Auch bei der Wahlwiederholung am kommenden Sonntag, dem 4. Dezember, gibt es keinen Favoriten. Beide Kandidaten haben sich jedenfalls zwei Ziele gesetzt: zum einen ihre Sympathisanten zu mobilisieren, ein weiteres Mal zur Wahl zu gehen. Zum anderen unentschlossene Wähler zu überzeugen. Die Richtungsentscheidung, wie diese Wahl immer wieder genannt wird, soll eindeutig ausfallen. Die Kandidaten wollen sich auf genügend Rückenwind in der Bevölkerung berufen können.

1965: Jonas gewinnt knapp

Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass nur wenige Stimmen über das nächste Staatsoberhaupt entscheiden: Im Jahr 1965 schaffte es Franz Jonas (SPÖ) mit 50,69 Prozent in die Hofburg. Damals allerdings schon im ersten Wahlgang, weil nur Alfons Gorbach (ÖVP) gegen Jonas antrat. Die knappste – gültige – Stichwahl fand hingegen im Jahr 1951 statt: Theodor Körner (SPÖ) gewann mit 52,06 Prozent gegen Heinrich Gleißner (ÖVP).

Bei Nationalratswahlen ging es 1999 besonders knapp zu. FPÖ und ÖVP erhielten exakt gleich viele Mandate und Prozentpunkte bei der Wahl. In absoluten Stimmen hatten die Freiheitlichen einen Vorsprung von 415 Wählern. Wolfgang Schüssel hatte zwar angekündigt, mit der ÖVP in diesem Fall in Opposition zu gehen. Stattdessen wurde er Kanzler in einer schwarz-blauen Regierung.

Und auch 2006 ging es knapp, um nicht zu sagen „arschknapp“ (Zitat Van der Bellen) zu: Die SPÖ schaffte es dank 50.000 Stimmen mehr auf Platz eins. Sie erhielt 35,34 Prozent – die ÖVP hingegen 34,33 Prozent. Genauso spannend war das Rennen um Platz drei: Die Grünen entschieden es für sich, und zwar mit 0,01 Prozent (und 532 Stimmen) Vorsprung vor den Freiheitlichen. Auch für das BZÖ wurde es eng. Die Partei schaffte es mit nur 0,11 Prozentpunkten über die Vier-Prozent-Hürde ins Parlament.

Kein Mehrheitswahlrecht

Auch bei Abstimmungen innerhalb von Parteien kann es knapp werden: Sebastian Kurz setzte sich beim ÖVP-Parteitag dafür ein, ein Bekenntnis zum Mehrheitswahlrecht festzuschreiben. Der ehemalige ÖVP-Seniorenchef Andreas Khol sprach sich dagegen aus. Das Ergebnis: Die Jugendorganisation verlor die Abstimmung. Und zwar wegen einer einzigen Stimme.

AUF EINEN BLICK

Das Ergebnis der Hofburg-Stichwahl könnte auch am kommenden Sonntag äußerst knapp werden. Bei dem (für ungültig erklärten) Urnengang Ende Mai trennten die beiden Kandidaten nur rund 30.000 Stimmen. 1965 gab es ein ähnlich knappes Ergebnis: Damals schaffte es Franz Jonas (SPÖ) mit 50,69 Prozent in die Hofburg. Die Kandidaten mit dem meisten Zuspruch waren Rudolf Kirchschläger im Jahr 1980 und Heinz Fischer im Jahr 2010.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2016)

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