Josef Broukal: "Das war nicht mein Ding"

Josef Broukal
Josef Broukal(c) Michaela Bruckberger
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Vom Journalismus in die Politik und wieder retour: Josef Broukal erzählt im Gespräch mit der "Presse", warum er von der Politik genug hat, und was ihn an der heimischen Sozialdemokratie stört.

„Die Presse“:Haben Sie rechtzeitig das sinkende Schiff SPÖ verlassen?

Josef Broukal: Dass es sinken würde, war ja nicht meine Überlegung. Das Parteipräsidium hatte mich im April 2008 gebeten, einen parlamentarischen Antrag auf Abschaffung der Studiengebühren auf Vorrat für den Tag zu stellen, an dem die ÖVP die Koalition bricht. Und als dieser Tag kam, hieß es: „Broukal, wir überstimmen die ÖVP nicht.“ Das habe ich als derartig unverständlich empfunden, dass ich gesagt habe: Ich gehe, diese politische Logik erschließt sich mir nicht. Genauso wenig wie die Logik, dass es zwei Monate später geheißen hat: Wir schaffen die Gebühren doch ab. Das war nicht mein Ding.

Sind Sie enttäuscht gegangen?

Broukal: Ja. Es gibt auch Journalisten, die mit Erfolg in die Politik gegangen sind. Ich habe aber von Jahr zu Jahr schmerzlicher gefühlt, dass man in der Kollektivveranstaltung Politik viel von der Selbstständigkeit aufgeben muss, die jedem Journalisten heilig ist. In der Politik geht es nicht um Aufklärung und Wahrheit, sondern um Interesse – und die können, siehe Studiengebühren, von einem Tag auf den anderen wechseln.


Was macht die Sozialdemokratie in den EU-Ländern falsch, dass sie kein Kapital aus der Krise des Kapitalismus schlagen kann?

Broukal: Auffällig ist, dass jene Leute, die vor Kurzem noch „mehr privat, weniger Staat“ gepredigt haben, bereit waren, das von einem Tag auf den anderen über Bord zu werfen und die besseren Sozialdemokraten zu werden. Da wird für Banken und Kurzarbeit Geld gegeben. Fünf Prozent Defizit? So, what's the problem? Die konservativen Parteien haben in dieser Krise nicht wirklich einen Reibebaum abgegeben. Siehe Angela Merkel und die Opel-Rettung. Das sind sozialdemokratische Rezepte.


In Österreich rückt die ÖVP auf das Feld der SPÖ, die SPÖ rückt dafür auf jenes der FPÖ.

Broukal: Ich versuche seit 20 Jahren zu ergründen, was die SPÖ in Zusammenhang mit Zuwanderung denkt, aber es ist mir bis heute nicht gelungen. Die SPÖ müsste endlich einmal diesen Satz sagen: „Es ist gut, dass diese Menschen bei uns leben.“ Dazu gibt es dann durchaus Ergänzungen, etwa: „Zuwanderer müssen sich an Gesetze halten.“ Oder: „Wir wissen, dass wir in den Schulen Probleme haben, weil es große Kulturunterschiede gibt sowie viele Migrantenkinder, die nicht gut Deutsch können.“ Die Antwort liegt auf der Hand: Ich muss die Klassen so lange verkleinern und mehr Lehrkräfte holen, bis das kein Thema mehr ist. Man hat nicht gesehen, dass es real existierende Probleme gibt, und hat sich davor gedrückt, sie zu lösen.


Steuerpolitisch rückt die SPÖ nach links, ausländerpolitisch hingegen nach rechts. Wenn Werner Faymann von Integration spricht, kommt im gleichen Satz die Forderung nach mehr Polizei.

Broukal: Wir sind als Steuerzahler sicherlich mit dem linken Argument ansprechbar: Wieso kann man in Österreich Aktiengewinne steuerfrei haben, aber das Graben von Künetten auf der Straße wird mit 38Prozent Lohnsteuer bestraft? Mit seiner ausländerpolitischen Linie ist Faymann möglicherweise auf dem Weg von Innenministerin Maria Fekter, die sagt: 20 Prozent der Leute, die zu uns kommen, sind asylbedürftig, und die anderen achtzig Prozent sind Wirtschaftsflüchtlinge oder Kriminelle. Das ist schäbig. Man soll Kriminalität bekämpfen, aber nicht ganze Gruppen als kriminell abstempeln.

Was für ein Rezept hätten Sie denn gegen die Krise der SPÖ?

Broukal: Moderne Politik funktioniert nicht mehr anhand von Parteiprogrammen, in denen die ewige Wahrheit steht. Die Antworten sind komplex: Gabi Burgstaller ist es in Salzburg gelungen, Junge und Angestellte anzusprechen, bei den Arbeitern war sie weniger erfolgreich. In Oberösterreich ist das SPÖ-Ergebnis bei den Arbeitern ganz anständig, aber bei den Jungen nicht. Die SPÖ scheint den Wählern nicht mehr ein so breites Angebot machen zu können wie in der Oppositionszeit bis 2006, wo sie ja viele Wahlen fulminant gewonnen hat. Diese Breite muss sie wieder gewinnen.


Das war einfacher, da gab es Schwarz-Blau als Feindbild.

Broukal: Wenn eine Regierung Fehler macht, ist es in der Opposition immer leichter. Aber es war kein Naturgesetz, dass die SPÖ gewählt wurde. Es standen auch Blau und Grün zur Wahl.


Es war für die SPÖ leichter, populistisch zu sein, man erinnere sich an den Spruch „Sozialfighter statt Eurofighter“.

Broukal: Ja, aber nicht nur. Erwin Niederwieser (damals SPÖ-Schulsprecher) und ich (damals Wissenschaftssprecher) wollten jungen, berufstätigen Müttern in mittleren Positionen ein möglichst ideologiefreies schulpolitisches Angebot machen. Wir haben auf die polarisierende Frage der gemeinsamen Mittelschule verzichtet und drei Forderungen aufgestellt: kleinere Klassen, kostenlose Nachhilfe an der Schule und Ganztagsschulen für alle, die es brauchen. Wir waren nicht nur populistisch unterwegs, wir haben auch an ernsthaften Angeboten für Menschen gearbeitet, die wir von der ÖVP auf unsere Seite ziehen wollten.

Unterrichtsministerin Schmied hat das Pferd von der falschen Seite her aufgezäumt?

Broukal: Ja, weil es eine Zeit lang so einfach schien: Jörg Haider in Kärnten und die steirische ÖVP haben gesagt, sie machen mit. Es schien, als würde der Rest der ÖVP auch mitziehen.


Gutpunkte beim Wähler konnte die SPÖ damit offenbar nicht sammeln.

Broukal: Die ÖVP ist ein zumindest gleichwertiger Gegner und passt sehr auf, dass die SPÖ nicht viele Gutpunkte sammelt.

Gegner? Mittlerweile sind die beiden doch Koalitionspartner.

Broukal: Ja, der Ton ist freundlicher geworden, aber in der Sache ist die ÖVP knallhart – siehe Krankenkassen, siehe Mindestsicherung.

ÖVP und SPÖ hätten gegen den Zwang zur Großen Koalition längst ein Mehrheitswahlrecht beschließen können.

Broukal: Die Vorschläge aus der Steiermark, dass die stärkste Partei im Nationalrat genau ein Mandat weniger als die absolute Mehrheit bekommt und alle anderen auch drinnen bleiben – mit einem Ausbau der Minderheitenrechte –, wären natürlich eine Möglichkeit.

Bei Nationalratswahlen ist die SPÖ kämpferischer, die gewinnt sie dann eh meistens.

Broukal: Das muss nicht immer so sein. Bei einem ÖGB-Kongress wurde kürzlich kritisiert, dass man, wenn man aus dem Ausland kommt und nicht weiß, wer in Österreich Kanzler ist, glauben könnte, dass Josef Pröll Regierungschef ist.

Das können Sie unterschreiben?

Broukal: Als Medienkonsument fällt mir schon auf, dass es da in der Person von Josef Pröll jemanden gibt, der sich klar ausdrückt, der Standpunkte und Haltungen hat. Die SPÖ ist offensichtlich in der falschen Meinung gefangen, dass ein Bundeskanzler ohne Richtlinienkompetenz Finanz-, Innen-, Außen- und Wirtschaftsministerium egalisieren könnte. Das geht nicht. Die Volkspartei hat das als ganz enge Manndeckung des Kanzlers konzipiert – in der Ära Molterer bösartiger, jetzt deutlich weicher, aber nicht weniger effektiv.

Ist die SPÖ mit Werner Faymann „schwammig“ geworden, wie Gewerkschafter Wolfgang Katzian kritisiert?

Broukal: Ich hätte das in anderen Worten auch gesagt. Faymann hat nur zweimal Leadership gezeigt: Vor der Nationalratswahl 2008, als er seine Themen ohne ÖVP durchzog, und ein zweites Mal, als er Experten ins Kanzleramt einberief, um über die Bundesfinanzierungsagentur zu reden. Pröll hingegen ist beständig präsent.

Warum ist es für die SPÖ so schwierig geworden, die EU freudig zu bejahen?

Broukal: Wenn Sie einen Berg vor sich haben, gibt's ja auch immer die Möglichkeit, unten rundherum zu gehen. Das scheint mir in letzter Zeit bei der SPÖ ein paar Mal passiert zu sein: gar nicht die Mühe auf sich zu nehmen, etwas zu bewegen. Leider bewegt man mit dieser Haltung auch niemanden dazu, einen zu wählen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2009)

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