Hofburg-Wahl: Was nun anders ist

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THEMENBILD: PR�SIDENTSCHAFTSKANZLEI(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Brexit, die Wahl Donald Trumps, das Ende der Eiszeit zwischen SPÖ und FPÖ, Parteikonflikte in der Wiener SPÖ sowie in der Bundes-ÖVP: die neuen Rahmenbedingungen des Urnengangs am Sonntag.

Wien. 196 Tage. 196 Tage, die manchen – vielleicht besonders den Hauptbeteiligten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer – wie eine halbe Ewigkeit erscheinen. 196 Tage sind es, die zwischen der Bundespräsidentenstichwahl am 22. Mai und dem Sonntag, dem Tag der vom Verfassungsgericht angeordneten Wiederholung, liegen. Die Kandidaten sind dieselben. Die politischen Rahmenbedingungen haben sich geändert.

1. Der Überraschungseffekt mit der Kür Christian Kerns an die Spitze von SPÖ und Bundesregierung ist verpufft. In der Wiener SPÖ sind tiefe Gräben öffentlich sichtbar geworden.

Christian Kern wurde von Bundespräsident Heinz Fischer nur fünf Tage vor der Bundespräsidentenstichwahl als Bundeskanzler angelobt. Überraschung und Erleichterung in Teilen der SPÖ waren nach dem Rücktritt Werner Faymanns groß. Die Personalrochade wurde auch als indirekte Hilfe für Alexander Van der Bellen gesehen. Ein Ruck ging durch die SPÖ, deren Funktionäre besonders in Wien für Van der Bellen warben. Und als Demobilisierung potenzieller Wähler Norbert Hofers. Denn unter FPÖ-Wählern ist die Unzufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung üblicherweise besonders groß.

Der Kern-Effekt ist weitgehend verpufft. Mittlerweile wurde klar, dass auch er die über weite Strecken zum Stillstand gekommene rot-schwarze Koalitionsmaschinerie nur mit großer Mühe in Gang bringen kann. Zusätzlich hat sich das Umfeld in Wien deutlich geändert. Der Graben innerhalb der SPÖ wurde tiefer, die Auseinandersetzung um den Kurs und die Nachfolge von Bürgermeister Michael Häupl heftiger – und öffentlich geführt. In Wien war Van der Bellen „Matchwinner“ der ersten Stichwahl. Bis auf das blaue Simmering stimmten alle Bezirke für ihn, Hofer kam auf nur 36,7 Prozent Zustimmung.

2. Die Bevölkerung Großbritanniens hat sich bei einem Referendum für einen Austritt aus der EU entschieden.

Die Debatte über den Europakurs Österreichs wurde durch die britische Entscheidung, aus der EU auszutreten, befeuert. In ersten Reaktionen spielte Hofer mit dem Gedanken, ein Austrittsreferendum auch in Österreich zu befürworten, sollte sich die EU in Richtung Zentralismus weiterentwickeln. Der Unternehmer Hans Peter Haselsteiner finanzierte daraufhin die Kampagne „Nein zum Öxit. Nein zu Hofer“. Im Gespräch mit der „Presse“ meinte Hofer zuletzt, das Projekt Europa sei „noch nicht verloren“.

3. Der innerhalb der Republikaner und in vielen Medien kritisierte Geschäftsmann Donald Trump hat es geschafft, sich bei der US-Präsidentenwahl gegen Hillary Clinton durchzusetzen.

Der Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentenwahl am 8. November hat bewiesen, dass ein Kandidat erfolgreich sein kann, dem es an Unterstützung durch Eliten fehlt. Trumps Strategen sollen sich populistische Parteien in Europa wie die FPÖ zum Vorbild genommen haben.

4. SPÖ-Vorsitzender Christian Kern leitet ein Tauwetter im Verhältnis zur FPÖ ein. Er trifft deren Obmann Heinz-Christian Strache im Bundeskanzleramt und später im Radio zu einem Streitgespräch.

Großer Empfang für Heinz-Christian Strache im Bundeskanzleramt am 8. Juli: Der neue Hausherr empfing den FPÖ-Chef zu einem mehrstündigen Gespräch. Die Eiszeit zwischen SPÖ und FPÖ ist auf Bundesebene beendet. Erst vor wenigen Tagen traf Kern mit Strache zu einem Streitgespräch in Ö1 zusammen. Kommentatoren meinen, Kern sei Van der Bellen in den Rücken gefallen, er habe die FPÖ salonfähig gemacht. Andere sehen den Versuch des SPÖ-Chefs, Anliegen von FPÖ-Wählern ernst zu nehmen, und sie vom Protest gegen „die da oben“ abzuhalten.

5. In der ÖVP brechen nach außen die Differenzen darüber auf, wer der bessere Mann für die Hofburg ist.

Noch stärker als zuletzt machen sich ÖVP-Politiker für Van der Bellen stark. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat bekannt, ihn zu wählen. Klubchef Reinhold Lopatka musste wegen einer unabgesprochenen Empfehlung für Hofer zum Rapport.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2016)

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