Das schwere Erbe des François Hollande

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Der sozialistische Präsident Hollande verzichtet auf die Kandidatur für eine Wiederwahl im Frühling 2017 – als erster Staatschef der fünften Republik. Die Sozialisten zahlen nun den Preis für seine katastrophale politische Bilanz.

Paris. Sein Rückzug war zwangsläufig das Eingeständnis einer Niederlage – und stellt vermutlich die populärste Ankündigung seiner Präsidentschaft dar. Als der französische Staatschef, François Hollande, Donnerstagabend den Verzicht auf die Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen von 2017 ankündigte, war ihm anzusehen, dass ihm dieser Auftritt nicht leicht fiel. Aber der Sozialist ist nicht erst erst seit einigen Monaten, sondern war schon fast von Beginn an so unpopulär, dass ihm keine reelle Chance auf eine Wiederwahl – oder auch nur auf ein ehrenhaftes Ergebnis – eingeräumt wurde.

Die konservative Zeitung „Le Figaro“ macht den Sozialisten gar verantwortlich dafür, dass Frankreich mit seiner Arbeitslosigkeit, dem Haushaltsdefizit und den Schulden heute „in Europa und in der Welt geschwächt“ dastehe. Eigentlich hat „Le Figaro“, wie die meisten Medien in Frankreich, diesen Staatschef „ohne Grandeur“ längst verabschiedet und sogar bereits aus der Geschichte gestrichen: „Frankreich hat bereits weitergeblättert. François Hollande hat nicht auf eine Wiederwahl verzichtet, denn in Wahrheit war er gar nie Präsident.“

Im sozialistischen Lager hingegen wurde Hollandes Verzicht als „mutig“ und „verantwortungsvoll“ begrüßt. Premierminister Manuel Valls, der nun gute Chancen auf eine Kandidatur hat, lobte die „schwere und gravierende Entscheidung eines Staatsmannes“. Die frühere Justizministerin Christiane Taubira sprach von einem „Moment der Würde, wie man das in der Politik nur selten erlebt“. Dieser Rückzug stelle nun eine „Herausforderung für die gesamte Linke“ dar.

Hollande überlässt es tatsächlich anderen, das Schlamassel vor der Wahl auszubaden. Wie viele linke Kritiker der Regierungspolitik der vergangenen Jahre wirft die ehemalige Kulturministerin Aurélie Filippetti dem Staatschef vor, er habe sein Programm von 2012 mit einer liberalen Rechtswende verraten und sei deswegen so unbeliebt.

Hollandes Schritt ist aber auch eine Premiere. Bisher haben alle Präsidenten der Fünften Republik seit General Charles de Gaulle eine Wiederwahl versucht. Dies ist François Mitterrand und seinem Nachfolger Jacques Chirac gelungen, Valéry Giscard d'Estaing und Nicolas Sarkozy dagegen sind beim Versuch, sich vom Volk ihr Mandat bestätigen zu lassen, gescheitert.

Hollande wirft nun selbst das Handtuch. Das erlaubt ihm, eine unabwendbar erscheinende Schmach zu vermeiden. Er räumt mit seiner Kapitulation ein, dass er in seiner Präsidentschaft wesentliche Ziele, die er sich gesteckt hat, nicht erreicht hat. Er hat zu Beginn seines Mandats gesagt, er wolle am Erfolg im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, vor allem für die Jungen, gemessen werden. Jetzt musste er gestehen, dass seine Anstrengungen nicht die erhofften Resultate gebracht haben. Er hat die Konsequenzen daraus gezogen. Vielleicht war er am Tag danach auch ein wenig erleichtert, so die direkte Verantwortung für ein absehbares Wahldebakel loszuwerden. Doch es ist doch Hollandes Bilanz, an der sein eventueller Stellvertreter gemessen werden wird.

Konkurrenz von außen

Zu dieser Bilanz gehört auch, dass die regierenden Sozialisten in einer historischen Krise stecken. Noch bevor Hollande seinen Rückzug angekündigt hat, haben bereits mehrere seiner internen Kritiker und Exminister ihre Ambitionen angemeldet. Unter ihnen gilt Valls als aussichtsreicher Bewerber bei den sozialistischen Vorwahlen im Jänner. Laut Umfragen würde Valls als Präsidentschaftskandidat im Frühling aber bloß acht bis elf Prozent der Stimmen erhalten. Außerhalb der Regierungspartei sind ebenfalls mehrere Persönlichkeiten aus dem linken Lager im Rennen: Jean-Luc Mélenchon von der Linkspartei, der sozialliberale Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der Grüne Yannick Jadot, die linke Radikale Sylvia Pinel sowie mehrere Vertreter der extremen Linken. Allein die absehbare Vielzahl von Kandidaten führt dazu, dass im Mai 2017 die Stichwahl zwischen dem Konservativen François Fillon und der Rechtsextremistin Marine Le Pen als fast schon fix gilt.

AUF EINEN BLICK

Frankreichs Präsident Hollande hat am Donnerstag angekündigt, nicht wieder für die Wahl im Frühling zu kandidieren und hat damit die Konsequenzen aus dem Unmut der Bürger über seine Politik gezogen. Zum ersten Mal seit fast 60 Jahren verzichtet in Frankreich damit ein amtierender Staatschef darauf, sich um eine zweite

Amtszeit zu bemühen. Als aussichtsreichster sozialistischer Kandidat gilt nun Premier Valls, er hat die besten Chancen bei den Vorwahlen im Jänner. Allerdings haben die Sozialisten Befragungen zufolge kaum Chancen, über die erste Wahlrunde am 23. April hinauszukommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2016)

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